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Weihnachtliches von der Festplatte – Eine schmunzelnd-nachdenkliche Annäherung an die alte Geschichte in neuer Zeit

„Es begab sich aber…“
dass eine Geschichte um die Welt ging, die mit genau diesen Worten anfing. Die Geschichte vom Neuanfang Gottes mit der Welt, die Weihnachtsgeschichte. Eine total neue Geschichte, damals, in alter Zeit. Heute ist es umgekehrt: eine total alte Geschichte in einer sich rasant wandelnden neuen Zeit. Hat sie uns heute noch etwas zu sagen, wo sich Sprache, Botschaften, Kommunikationswege und Lebenserfahrungen radikal verändert haben ebenso wie auch das historisch-biblische Wissen? Vor einiger Zeit hörte ich einen interessanten Vortrag über Kirche und neue Medien. Kirche wurde aufgefordert, sich der neuen Zeit zu stellen, die „digitalisierte und digitalisierende Sendersprache“ (will sagen: die elektronischen Medien) ernst zu nehmen und die biblische Botschaft und ihre Hoffnungsbilder in der „neuen Sprache“ zu vermitteln, sich dem „Paradig-menwechsel“ (will in etwa sagen: eine völlig neue Art, die Welt zu betrachten) zu stellen. Sinnbild des neuen Medienzeitalters ist der Computer und das weltumspannende Kommunikationsnetz des Internet. Schafft es die Weihnachtsbotschaft bis ins digitale Herz der neuen Zeit? Der Platz würde nicht ausreichen, um hier aufzuzählen, was sich im World- Wide- Web alles tummelt unter den Stichwörtern Weihnachten, Christnacht, Christi Geburt, Bethlehem, Engel. Es gibt eindeutig Theologisches, mehrdeutig Religiöses, eindeutig Kommerzielles, eindeutig Zweideutiges, Bilder, Gedichte, Lieder und Rezepte.


Mein Computer wird fromm
Aber für diese Informationen ist der Computer ja nur so etwas wie eine Verteil- oder Zugangsstelle. Wie steht es um ihn selbst? Was hat er selber drauf, auf seiner Festplatte? Auf diese etwas abwegige Frage kam ich, als ich den oben erwähnten Vortrag auf meinem alten PC abtippte und den Text der elektronischen Rechtschreibkorrektur unterzog. Erfahrene PC- Benutzer kennen sie. Der PC überprüft alle Wörter und vergleicht sie mit seinem gespeicherten Wortbestand. Abweichungen, selbst wenn sie korrekt geschrieben sind, vermutet er als Rechtschreibfehler, fragt, ob ich „ändern“, „nicht ändern“ oder „nie ändern“ will, zeigt mir ähnlich klingende Alternativen auf oder erweist sich als lernwillig und nimmt mit dem Befehl „hinzufügen“ die fraglichen Worte dauerhaft in seinen aktiven und passiven Wortschatz auf. Interessant, welches Weltbild solch ein Computer (-schreibprogramm) hat. Von wegen neue Sprache: Mit „Paradigmenwechsel“, „Kulturtechniken“, „digitalisierter Sendersprache“, „Medienrelevanz“, „interaktiv“ und „Cyberspace“ weiß er nichts anzufangen. „Basteln“, „malen“, „stricken“, selbst „beten“, damit kennt er sich aus, unser junger Freund, aber EINSLIVE, VIVA und CINEDOM kennt er nicht. Aufschlussreich, was er mir für Letzteres als Ersatz anbietet: Statt CINEDOM möchte er mir „Kindsmord“ schmackhaft machen. Mmhh, das hat was! Apropos „Kindsmord“! (wobei ich als Bibelkundiger natürlich sofort an die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem denken muss) Was weiß mein PC von der Weihnachtsgeschichte, dem Stall von Bethlehem?


Flugs öffne ich eine neue Datei tippe, Lukasevangelium Kapitel 2,1-20 in den weißen Bildschirm und starte die Rechtschreibkorrektur. „Augustus“ und „Quirinius“ kennt er nicht. Ich gebe zu: Manche Namen sind aus der Mode gekommen und die historischen Fakten der Geburt Jesu sehen wir heute auch in einem anderen Licht. Aber dass es ein geschichtliches Ereignis war, eingebettet in die Zeitgeschichte und in bewusster Konkurrenz zur Herrschaftsgeschichte, das würde ich meinem Kompi doch gerne beibringen. „Maria“ und „Josef“ und „Bethlehem“ sind ihm vertraut, ebenso „schwanger“, „Windeln“, „Herberge“ „Hirten“ und „Feld“. Er liebt wohl doch eher das einfache Leben, aber auch die „Engel“, die „Klarheit des Herrn“ und „die Menge der himmlischen Heerscharen“ sind ihm nicht fremd. Nur, er hat den „Heiland“ noch nicht erkannt. Wie soll er auch – programmiert auf digitale Zeichen – Strom an, Strom aus- solch ein mehrdeutiges Zeichen, solch ein Paradox verstehen: Gott wird Mensch, der Retter der Welt in einem Futtertrog. Aber ich sage ihm: „Hinzufügen“ und, o Jubel, er nimmt es an. Wären doch alle Konfirmanden und Christmettenbesucher so lernbegierig. Und damit seine Festplatte eine „Fest-Platte“ bleibt, füge ich hinzu: „Nie ändern“.


Die Botschaft will Begegnung
Frohes Fest, schöne neue (Medien-) Welt. Auch dein Paradigmenwechsel (noch einmal: eine völlig neue Art, die Welt zu betrachten), ist der in Jesus, dem Christus, nahe gekommene Gott. Diese Botschaft zielt auf Aneignung („Euch ist heute der Heiland geboren“), Beherzigung („und bewegte diese Worte in ihrem Herzen“), Begegnung („und sie kamen eilend“) . Darum: „Hinzufügen“, „nicht ändern“, auch wenn sich um uns herum alles ändert, ja, „nie ändern“. Weihnachten kann man auch von der „Festplatte“ haben, also als elektronische Information, mit Bildern, Tönen, ja, auch nachdenkenswerten Gedanken. Wir aber laden sie ein, mit uns durch den Advent und die Weihnachtszeit zu gehen, das Wort vom mensch-gewordenen Gott zu hören, seine Gegenwart zu feiern, es in das eigene Lebens- und Langzeitgedächtnis (computertechnisch: die Festplatte) zu integrieren und/ oder es in den Lebensalltag (den Arbeitsspeicher) zurückzuholen.


Eine frohe Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr wünscht Ihnen Pfarrer Gerhard Johenneken, Köln-Zollstock


Text: Joh.
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