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Weihnachten ist ein schwieriges Fest für Geschiedene mit Kindern

Dr. Juliane Arnold, Leiterin der Evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, hat Erfahrung mit einer besonderen Situation im Monat Dezember: Wenn die Menschen ihre Wohnungen und Häuser mit Lichterbögen und Lametta schmücken, soll auch zwischenmenschlich alles leuchten. Hat eine Beziehung jedoch Risse erlitten – aufgrund von Streit, Trennung oder Scheidung – ist es nicht einfach, die Gefühle auf Hochglanz zu polieren, schon gar nicht, wenn Kinder mit im Spiel sind.

Im Verlassen-Sein zu leben und zu handeln ist schwierig für die betroffenen Partner, die sich nicht mehr verstehen, ebenso wie für ihre Kinder. Vor allem an einem Tag wie Weihnachten, an dem sich die Erwartungen ans Fest der Liebe ohnehin pyramidenhoch stapeln, tun sich alle schwer. Hilfreich kann es da sein, diese Situation nicht allein zu bewältigen, sondern sich im Vorfeld professionelle Hilfe zu holen – zum Beispiel bei der Evangelischen Beratungsstelle. Im Gespräch mit einer emotional nicht verstrickten Beraterin oder einem Berater lässt sich im gesunden Abstand auf potentielle Konfliktherde schauen. Man kann sogar gemeinsam „persönliche Strategien überlegen, wie man dafür sorgen kann, dass es nicht ganz so katastrophal wird“, so Arnold.

Was sonst nicht gelingt, soll an Weihnachten gelingen
Denn die größte Sehnsucht, die die Kinder haben, ist, so die Psychologin: „die Eltern mögen wieder zusammenkommen, die mögen sich doch bitte wieder vertragen, die mögen sich doch wieder lieb haben und alles möge wieder gut sein“. Was sonst im Alltag nicht mehr funktioniert, soll an Weihnachten wieder gelingen – die Konfliktgefahr ist groß. Um sie zu verkleinern, ist es wichtig für die Partner, sich bewusst zu machen „Eltern bleibt man, wenn man es einmal ist“, sagt Arnold – die Möglichkeit zu Einigungen sollte idealerweise also auch nach einer Trennung vorhanden sein. „Für Erwachsene ist es dann natürlich schon schwierig, den Kindern gerecht zu werden, wenn sie selber noch so emotional im Strudel sind“, gesteht Arnold zu.

Den Loyalitätskonflikt nicht zusätzlich verschärfen
Damit Kinder dabei nicht in die Schusslinie geraten, sollte man versuchen, „den anderen in seiner Elternrolle zu akzeptieren“, sagt Arnold. Wenn man sich eine solche Grundhaltung erarbeite, es gar schaffe, sich gegenseitig abzusprechen, wer wem was schenkt, helfe man den Kindern „wunderbar in ganz konkreten Dingen“, bekräftigt Arnold: „Zum Beispiel, dass die Kinder sich freuen dürfen über das, was sie von Papa gekriegt haben, dass sie damit auch gerne spielen dürfen, ohne, dass sie den Eindruck haben, damit mache ich Mama traurig.“ So verhindere man, dass die Schützlinge zum Zankapfel werden, was den Loyalitätskonflikt, in dem Scheidungskinder automatisch sowieso schon immer stecken, sonst noch zusätzlich verschärft, warnt Arnold.

„Man braucht ein großes Herz“
Um all diese Herausforderungen zu meistern, sagt die Psychologin, „braucht man ein großes Herz“. Und dieses trotz erkalteter Gefühle für den einstigen Partner zu finden und über die Feiertage auch noch beständig geöffnet zu halten, ist nicht immer so einfach, wenn die Gefühle durch irgendeinen Auslöser akut hochkochen. Gleichwohl sei es normal und menschlich, sich auch mal die Meinung zu sagen, wobei die Dosis das Entscheidende sei, der Streit müsse eine Grenze haben. „Ganz wichtig ist, Eskalationen nicht noch immer weiter zu befeuern“, unterstreicht Arnold. „Wenn man merkt, jetzt zanken wir uns genauso, wie wir uns die letzten drei Jahre schon gezankt haben, dann kann man sich auch mal eine Auszeit nehmen", erklärt die Leiterin der evangelischen Beratungsstelle. Dann könne man mal sagen, ,ich zähle jetzt in Ruhe bis Zehn oder ich renne mal eben um den Block", um den Kopf wieder freier zu kriegen.

Kindern keine heile Welt vorspielen
Authentisch mit der Situation umzugehen, auch den Kindern ehrlich zu erklären, dass Mama und Papa sich gerade gestritten hätten, sei besser, als ihnen „eine heile Welt vorzuspielen, in der sie gar nicht leben“, sagt Arnold. „Kinder sind sehr sensibel und kriegen mehr mit, als man meint.“ Und wer Unterstützung von einem unbeteiligten Dritten braucht, kann sich diese auch direkt an Heiligabend holen – zum Beispiel mit einem Anruf bei der Telefonseelsorge. „Im nächsten Jahr kann alles schon wieder ganz anders aussehen“, sagt Arnold. „Und wenn es gut läuft, kann man im nächsten Jahr wieder genauso darüber verhandeln.“ Denn dann hat man die Erfahrung gemacht, dass zwischenmenschliche Beziehungen eben nicht so einfach aufzubauen sind wie Lichterbögen und Lametta – aber dass sie umso nachhaltiger leuchten und glänzen, wenn man sich um sie bemüht.

Text: Almut Steinecke
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