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Wegen Überfüllung geschlossen: Nicht nur der erotische Gottesdienst im Zentrum Liebe hatte während des DEKT riesigen Zuspruch

„Kirche überfüllt“ stand hinter der geschlossenen Gittertür auf dem Schild, das diejenigen am Eingang der evangelischen Kartäuserkirche empfing, die am Kirchentags-Samstag nicht frühzeitig genug gekommen waren. So durften bei weitem nicht alle, die wollten, am erotischen Gottesdienst „Im Weinberg der Liebe“ teilnehmen. Und viele wollten gerne dabei sein. Es gab enttäuschte Gesichter, Schlangen vor der überfüllten Kirche bis auf die Kartäusergasse hinaus und Entschuldigungen der Helferinnen, die den Kirchentagsbesuchenden den Zutritt zum Gottesdienst verwehren mussten.


Gottesdienst mit Pfarrer, Schauspielerin, Tänzerin – und Rosenblättern
Da darf die Frage nach dem Grund für diesen Erfolg gestellt werden. Überfüllte Gottesdienste sind schließlich gemeinhin nicht das Hauptproblem der christlichen Kirchen in Deutschland. Natürlich ist ein Gottesdienst auf einem „Event“ wie dem Kirchentag immer etwas Besonderes. Außerdem wirkten neben einem Pfarrer, Armin Beuscher, und einer Kantorin, Ursula Döll, auch Menschen mit, deren Professionen nicht unmittelbar als essentieller Bestandteil eines allsonntäglichen Gottesdienstes erscheinen: die Schauspielerin Heike Trinker, die Tänzerin Robina Steyer und der Percussionist Holger Mertin. Der Grund für den Zuspruch dürfte aber wohl eher das Thema gewesen sein. Und: Schließlich war Kirchentag. Und genau dafür war dieser besondere Gottesdienst konzipiert worden, im „Zentrum Liebe“ – in dieser Form neu und erstmalig auf einem Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Das Zentrum Liebe…
… war allgemein ein immenser Zuschauermagnet, mit all seinen Angeboten, vom Hochzeitslieder-Singen über Diskussionen zu Familie, Kindern und eheliche Liebe und vielem anderen, etwa am Samstag, als Dr. Christoph Quarch fragte: „Fehlt der Kirche die Erotik?“ (Sein Vortrag ist auf den Seiten der rheinischen Landeskirche hier nachzulesen). Die Schweizer Psychotherapeutin Verena Kast bezeichnete das Zusammenleben in Paarbeziehungen zwar als „Härtetest für die Liebe“ (nachzulesen hier), als aber – frei nach Zarah Leander – die Frage gestellt wurde: „Kann denn Liebe Sünde sein?“, war die Antwort eindeutig: „Damit wird man geboren, verbieten hilft nicht“, nachzulesen hier. Denn: Liebe ist ein zentraler, aber deshalb auch in Kirchenkreisen fast schon inflationär gebrauchter Begriff. Schnell fallen in diesem Kontext die bekannten Bibelworte von Glaube, Hoffung, Liebe, wobei Liebe den ersten Platz gewonnen hat. Den Nächsten soll man lieben, sich selbst und auch seine Feinde.
Bei unserem viel besuchten Gottesdienst nun war das Thema allerdings genauer gefasst. Um Erotik ging es, nicht um Nächstenliebe oder Liebe allgemein. Nun könnte man gesellschaftsfatalistisch abwinken mit einem erbitterten „Sex sells…“. Der Zuspruch zeigte jedoch, dass Erotik, wie sie im Hohelied der Liebe wunderschön geschildert wird, die Menschen beschäftigt – gerade, weil das Thema Erotik so menschlich ist: Der Erfolg gab den Planern des Zentrums Liebe Recht.

Autor: Anselm Weyer

Anmerkung der kirche-koeln.de-Redaktion: Auch unser Autor scheiterte an dem großen Andrang: Er musste draußen bleiben. Ein anderer kam rein. Und er hat sozusagen „Buch geführt“. Hier ein Auszug aus seinen minutengenauen Eintragungen:
8.11 Uhr: Pfarrer Armin Beuscher begrüßt die Gemeinde. „Lobt Gott mit eurer Leidenschaft, eurer Lust, mit eurer Zärtlichkeit. Lobt ihn mit der Freude, die der Augenblick euch schenkt. Lobt ihn und bleibt jung in seiner Gegenwart.“ Es wird stickig in der überfüllten Kirche. Aber geht das überhaupt: Kirche und stickig? Mir rinnt der Schweiß. Nicht so erotisch.
18.13 Uhr. Ein junger Mann mit wilder Lockenmähne sitzt neben dem Altar und trommelt auf eine Klangschale. Eine Frau in rotem Kleid tänzelt über die Rosenblätter durch den Gang nach Vorne. Sie verausgabt sich. Sie tanzt umher und wickelt sich in das weiße Tuch vor dem Altar. Sie springt, der Rock fliegt, sie krümmt den Körper und ist dabei durchaus anmutig. Der Tanz erlangt Definitionsmacht: Erotik ist rot und weiblich und jung.
Diesen Beitrag können Sie komplett auf den Kirchentags-Seiten hier lesen.

Und auch die rheinische Landeskirche hat über den erotischen Gottesdienst berichtet, nachzulesen hier.

Text: Anselm Weyer/DEKT
Foto(s): Weyer