Um 10 Uhr macht der fairstore Nippes im Kölner Norden auf. Dann können die Kunden auf 300 Quadratmetern Verkaufsfläche das Warensortiment durchstöbern, das gut erhaltene Kleidung, Spielzeug, Möbel wie auch neuwertige Haushaltswaren umfasst. Heute sind fünf Mitarbeiter im Laden, die die Kundinnen und Kunden beraten, neue Ware einsortieren oder die Schaufenster dekorieren. Zum fairstore kommen viele Stammkunden. Sie wissen nämlich, dass es hier für wenig Geld qualitativ gute Ware gibt. Die meisten von ihnen wissen allerdings nicht, dass es sich beim fairstore um ein Integrationsprojekt für Menschen mit einer Behinderung und Langzeitarbeitslose handelt.
Hier ist alles anders….
Im fairstore ist gerade Hochbetrieb. Die Kunden schauen sich im Laden um, stehen an der Kasse, um zu bezahlen, und der Transporter, der neue Ware bringt, ist gerade angekommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. Doch keine Spur von Hektik oder Stress. Hand in Hand wird die neue Ware entladen, der Chef packt ganz selbstverständlich mit an, und es werden Scherze über die große Ladung an Blumentöpfen gemacht. Es könnte eine Szene aus einem gewöhnlichen Kaufhaus sein. Und doch ist hier etwas anders. Denn hier arbeiten Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Beeinträchtigungen oder Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen haben.
Nicht mehr „out of order“
Bernhard Riehl arbeitet seit anderthalb Jahren im fairstore, erst in Kalk und seit der Eröffnung des zweiten Ladens im Dezember 2010 in Nippes. Er berät gerade eine Kundin, die sich für eine neuwertige Couch interessiert. „Ich bin sehr gerne mit Menschen im Kontakt, jeder Tag hier bringt etwas Neues“, sagt der 46-Jährige. Das war schon mal anders, als er 2005 schwer erkrankte. „Durch meine Krankheit war ich vier Jahre lang ‚out of order‘, ich bin froh, dass ich mich wieder aufrappeln konnte“, erinnert sich der gelernte Teilezurichter zurück. Im Oktober 2010 macht er auf Empfehlung des Jobcenters ein Praktikum im fairstore und blieb. „Ich fühle mich hier sehr wohl und bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit“, sagt er. Für ihn ist es besonders wichtig, dass er eine feste Tagesstruktur erhält. Es ist ein Vollzeitjob, zu dem er morgens kommt und abends nach Hause geht. Dieser Rhythmus war vorher nicht gegeben, weil Bernard Riehl vor seiner Krankheit für Zeitarbeitsfirmen arbeitete und immer erst kurzfristig erfuhr, wo und wann er bei wem arbeiten sollte. „Hier geht man fair mit den Angestellten um“, sagt er. Neben dem Verkauf und der Kundenberatung kümmert er sich auch um die Warenkonfektionierung. Doch Bernhard Riehl verspürt nicht den Stress, den seine vorherigen Jobs verursacht haben. „Man muss hier natürlich auch seine Leistung erbringen, aber es ist nicht so ein hoher Leistungsdruck“, sagt er. „Ich werde hier aufgefangen, und das brauche ich.“
„Sehr viel Menschlichkeit und Kollegialität“
Gerade steht seine Kollegin Angelika Landes an der Kasse, als eine junge Frau mit zwei großen Kartons reinkommt. Die Anwohner, aber auch Bewohner aus anderen Stadtteilen unterstützen den Laden mit ihren Spenden. Dieses Mal sind es Kochbücher und Spielzeug. Die beiden unterhalten sich über das Kochen und über Lieblingsrezepte. Die Arbeit im fairstore bedeutet Angelika Landes viel: „Sie gibt mir Selbstbestätigung, ich fühle mich hier wohl. Es ist einfach ein sehr gutes Gefühl, jeden Tag aufstehen zu können und zu sagen, ich kann was für mein Geld tun. Und somit für mein Leben“, sagt sie. Ein anderer Mitarbeiter trägt die Spenden in den Lagerraum, wo sie erst mal begutachtet und danach konfektioniert werden. Die Mitarbeiter unterstützen sich gegenseitig bei der Arbeit. Wenn einer der Kollegen aufgrund seiner Einschränkung etwas nicht kann, dann springt jemand anderes ein. Niemand soll das Gefühl haben, dass seine Behinderung ihn bei der Arbeit eingeschränkt „Wir sind hier irgendwie eine große Familie“, sagt die 54-jährige Angelika Landes mit einem Lachen und tiefstem schwäbischen Akzent. „Das ist das Schöne an diesem Job, es gibt hier sehr viel Menschlichkeit und Kollegialität.“ Für Bernhard Riehl steht fest, dass er im fairstore weiterarbeiten möchte. „Das ist ein toller Job hier. Davon sollte es mehr geben“, sagt er.
Erst seit April: der dritte fairstore in Mülheim
Da trifft es sich ganz gut, dass im April der dritte fairstore in Köln-Mülheim aufgemacht hat, der weitere faire Arbeitsplätze anbieten wird. Die beiden Filialen, der fairstore Nippes wie auch der fairstore Kalk, beschäftigen als Integrationsprojekt „fairstore“ langzeitarbeitslose Menschen mit geistigen, psychischen oder körperlichen Behinderungen, die Vermittlungshemmnisse haben. Diese können hier ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessern, sich fachlich qualifizieren und persönlich weiterbilden. Mit finanzieller Unterstützung von Jobcenter, LVR und Aktion Mensch ist eine sozialversicherungspflichtige und nach Tarif bezahlte Daueranstellung in Teil- und Vollzeit möglich. Zurzeit arbeiten 13 Mitarbeiter im fairstore.
Informationen zu allen drei fairstores
Am 16. April 2012 eröffnete die Diakonie Michaelshoven die dritte Filiale in Köln-Mülheim. Dort werden auf einer großzügigen Fläche genau wie in Kalk und Nippes gut erhaltene Kleidung, Haushaltsartikel und Möbel zu einem fairen Preis verkauft.
Adressen und Öffnungszeiten
Kalk
Kalker Hauptstraße 177
51103 Köln
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr Samstag: 10 bis 15 Uhr
Nippes
Sechzigstraße 5-11
50733 Köln
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr Samstag: 10 bis 15 Uhr
Mülheim
Buchheimer Straße 46
51065 Köln
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr Samstag: 10 bis 15 Uhr
Warenspenden (gilt für alle drei fairstores)
Spenden oder Sachspenden wie gut erhaltene Kleidung, Spielzeug oder neuwertige Haushaltswaren von Privatpersonen oder Firmen sind jederzeit willkommen.
Mehr zu den fairstores hier.
Foto(s): Diakonie Michaelshoven