You are currently viewing „Was vom heiligen Ort bleibt, ist die Erinnerung“

„Was vom heiligen Ort bleibt, ist die Erinnerung“

Entwidmung der Johanneskirche in Brühl in einem feierlichen Gottesdienst

„Aber über Dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über Dir.“ Mit einem Satz aus dem Buch des Propheten Jesaja begrüßte Pfarrerin Renate Gerhard die kleine Gemeinde in der Brühler Johanneskirche. Der Gottesdienst zur Entwidmung der Kirche wurde zeitgleich auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde gezeigt.

„Wir sind verbunden trotz aller räumlichen Distanz an den Bildschirmen zu Hause“, wandte sich die Pfarrerin an die Teilnehmenden vor den Monitoren. „Abschied nehmen von einer Kirche, die über Jahrzehnte für die Menschen ein Zuhause gewesen ist, fällt schwer. Es tut weh“, gab sie einen Einblick in ihre eigenen Empfindungen.

Gott ist mit uns

Wichtig sei die Erkenntnis, „dass wir nicht allein sind. Wir sind verbunden. Und wir wissen, dass Gott mit uns ist“. Der einleitende Satz aus dem Buch des Jesaja, so die Pfarrerin, sei nur der zweite Teil gewesen. Die Stelle beginne mit dem Satz: „Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und dunkel die Völker.“

Da sei es wieder, dieses „wunderbare Aber“, das man aus vielen Psalmen kenne. „Im Augenblick mag Euch vieles finster und traurig erscheinen. Aber Gott hat das alles längst gesehen. Und hat sich leise Euch zur Seite gestellt. Gott weiß schon einen Weg für Euch, und Gott wird ihn mit uns gehen.“

Superintendent Bernhard Seiger

„Liebe Brühler Gemeinde im Umbruch“, wandte sich Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent und Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd, in seiner Predigt an die Menschen in der Johanneskirche und an den Bildschirmen. „Dieser Tag ist voller Symbolik und voller Gefühle.“ Die Menschen hätten den Raum geliebt und viel Herzblut dort gelassen. „Es gab in den vergangenen Tagen bewegende Abschiedsbesuche in der Johanneskirche. Und Gespräche – zurück und nach vorne.“

Es gebe gute Gründe, drei von sechs Gottesdienststätten in Brühl aufzugeben. „Anders als in den 70er Jahren wird unsere Kirche kleiner. Unsere Gebäude passen sich dem an. Wir konzentrieren die Kräfte auf die verbleibenden Zentren.“ Die Johanneskirche habe 55 Jahre, zwei Generationen, ihren Dienst getan. Seiger wies auf die Ausstellung, den Gemeindebrief und den Bildband hin, in denen die Geschichte des Gemeindezentrums zusammengestellt worden sei.

Der Superintendent dankte der Gemeinde, dem Presbyterium und den Pfarrern für „die Klarheit in der Planung und die Liebe zum Detail bei allen Schritten der Entwidmung“. Ein Kirchengebäude sei ein Ort auf Zeit in der Wanderschaft. An diesem Tag des Abschieds könne man gleichzeitig Schmerz, Trauer und Dankbarkeit zulassen. „Wir brauchen das, um unserer Seele Raum zu geben mitzukommen.“

Predigttext

Seiger erinnerte an den Predigttext Matthäus 17, 1-9: Jesus, Petrus, Johannes und Jakobus auf d em Berg. „Der Berggipfel: Ein Moment der Größe, der Erhabenheit und auch des Glücks. Und zugleich ein Moment der Demut. So groß und schön die Welt, so klein der Mensch.“ Es sei für die Jünger wohl ein besonders bewegender Moment mit Jesus auf dem Gipfel gewesen.“

Es gebe einige Geschichten in der Bibel, in denen Berge eine zentrale Rolle spielten und an denen Wesentliches passiere. Petrus habe seine Bibel gekannt und um die Geschichten von Moses und Elia gewusst und gespürt: „Das, was hier geschieht, hat den gleichen Rang. Hier auf dem Berg berühren sich Himmel und Erde.“

Es stehe bei Jesaja: „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“ Eine Gegenwart des Göttlichen, die man mit Worten kaum erfassen könne. „Petrus erkennt in diesem Moment: Der verehrte Meister, er ist noch so viel mehr als ich dachte.“ Und es kam noch mehr dazu, so Seiger.

„Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ Von Jesus erfahre man alles, was von Gott und der Welt zu wissen sei. „Das alles ist geschehen – an diesem Ort, der Johanneskirche.“ Und weiter: „Wir schämen uns des Evangeliums nicht. Nichts anderes als das Wort Gottes ist das Fundament allen Lebens und hat bis heute Kraft, uns von allen Ängsten zu befreien.“

Gutes entsteht

Die Bindung an das Wort und die Beziehung zu Gott und den Geschwistern seien es, was Kirche halte. Gebäude seien eine Hilfe und Orte auf Zeit. Gutes entstehe am Ort der Johanneskirche. Die Kindertagesstätte werde erweitert. Und es werde Raum geben für Menschen mit Betreuungsbedarf.

Petrus, der Macher, mache eine ähnliche Erfahrung. Er wolle auf dem Berg Hütten bauen, um den heiligen Moment festzuhalten. Ob Petrus die Hütten gebaut habe, sei nicht wichtig. Und wenn, stünden die heute auch nicht mehr. Fest stünde, dass sie mit Jesus den Berg wieder hinab gegangen seien. „Der heilige Moment ist nicht fest zu halten. Aber die Beziehung trägt.“ Erfahrungen blieben, Orte vergingen. „Jesus ging mit den Jüngern mit, und er geht auch weiter mit Euch aus der Brühler Gemeinde. Uns geht es wie den Jüngern.

Was bleibt

Was vom heiligen Ort bleibt, ist die Erinnerung.“ Seiger erinnerte an die Worte Jesu: „Fürchtet Euch nicht. Nach dem Abschied kommt das Leben. Nach der Auferstehung kommt Ostern.“ Eigentlich war geplant, die liturgischen Geräte der Johanneskirche in einer feierlichen Prozession in die Christuskirche zu bringen, wo sie in Zukunft Verwendung finden.

Das fiel coronabedingt aus und soll nachgeholt werden, verkündete Pfarrer Stefan Jansen-Haß. So wurden die Geräte symbolisch vor die Tür der Johanneskirche getragen. Natürlich auf Abstand. Pfarrerin Renate Gerhard schloss die Kirchentür ab und beschloss die Entwidmung mit einem „Vater unser“. Dann läuteten die Glocken. Übrigens nicht zum letzten Mal. Der Kirchturm bleibt stehen, und dreimal täglich wird das Geläut zu hören sein.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann