Rund 600 Prädikantinnen und Praktikanten gibt es derzeit in den Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie kommen aus allen Altersgruppen, Berufen und sozialen Schichten und tun ihren Dienst im strikten Sinne „ehrenamtlich“. Dabei tragen sie in der Ausübung ihres Predigtdienstes ebenso wie die Pfarrerinnen und Pfarrer den Talar.
Früher Predigthelfer/in, heute Prädikant/in
Wer hauptberuflich den Dienst als Pfarrer/Pfarrerin anstrebt, wird im allgemeinen als Pfarrer/Pfarrerin zur Anstellung oder bei Antritt der ersten Pfarrstelle ordiniert. Die Evangelische Kirche im Rheinland betont aber, dass neben dem Pfarramt, das hauptberuflich und nach Absolvierung eines theologischen Studiums, der wissenschaftlichen Prüfungen und des pfarramtlichen Vorbereitungsdienstes ausgeübt wird, auch Gemeindeglieder den „Dienst am Wort“ ausüben können. Sie hießen im Rheinland bis Anfang 2004 „Predigthelfer/Predigthelferin“, – eine Bezeichnung, die von vielen als mißverständlich und irreführend angesehen wurde. Seitdem ist die in der EKD weit verbreitete Bezeichnung Prädikant/Prädikantin gültig, was nichts anderes heißt als Prediger, Predigerin.
Auch wer immer schon beruflich mit der Verkündigung zu hatte, kann jetzt Prädikant/in werden
Aufgrund des neuen Ordinationsgesetzes, gültig seit 1. April 2005, können auch beruflich Mitarbeitende in Verkündigung, Seelsorge, Bildungsarbeit und Diakonie mit der Anstellungsfähigkeit als Diakon oder Diakonin, Gemeindehelferin oder Gemeindehelfer, Gemeindepädagogin oder Gemeindepädagoge ordiniert werden. Auch sie nennen sich in Bezug auf den Dienst der öffentlichen Wortverkündigung Prädikant oder Prädikantin. Sie üben ihren ordinierten Dienst in der Regel als Teil ihres Beschäftigungsverhältnisses aus. Für sie gibt es eine spezielle Zurüstung, die der Tatsache Rechnung trägt, dass dieser Personenkreis über eine theologische Fachausbildung verfügt. Von ihnen gibt es zurzeit etwa 100 in unserer Landeskirche.
Wie wird man Prädikant/Prädikantin?
Die Leitung einer Gemeinde (Presbyterium) muss zunächst die Befähigung eines Gemeindegliedes zu diesem Dienst erkennen und einen entsprechenden Beschluss fassen. Der Kreissynodalvorstand muss nach einem Gespräch des Superintendenten oder der Superintendentin die Eignung feststellen. Dann beginnt der zweijährige Vorbereitungsdienst („Zurüstung“) mit der Einladung zu einem einwöchigen Einführungskurs („Identitätsstiftender Kurs“). In der Probezeit müssen mindestens zehn Predigten bzw. Gottesdienste unter Anleitung eines örtlichen theologischen Mentors oder einer Mentorin erarbeitet und gehalten werden. Nach etwa einem Jahr werden die Kandidaten und Kandidatinnen zu einem einwöchigen Zwischenkurs mit Bausteinen zu den Themen Gottesdienst, liturgische Präsenz, Abendmahl eingeladen. Es folgen vier Intensivkurse zu den Kasualien Taufe, Trauung, Bestattung sowie seelsorgliches Gespräch, von denen die Kursteilnehmer mindestens zwei belegen müssen. Am Ende der zweijährigen Zurüstung steht ein Abschlusskurs mit dem Schwerpunkt Predigt. Die Zurüstung wird mit dem Kolloquium abgeschlossen. Danach erfolgt auf Anordnung der Kirchenleitung die Ordination durch den Superintendenten oder die Superintendentin des Kirchenkreises.
Warum gibt es in der evangelischen Kirche denn überhaupt neben den PfarrerInnen auch PrädikantInnen?
Eine evangelische Kirche, die mit der reformatorischen Uridee des „Priestertums aller Gläubigen“ ernstmachen will, sieht den Dienst der ehrenamtlichen Verkündigung als unverzichtbar an. Die PrädikantInnen bringen ihre Alltags-, Lebens- und Berufserfahrung „von draußen“ in die Schriftauslegung ein und bilden damit neben dem Dienst des Pfarramtes eine zweite Säule, auf der die Verkündigung des Evangeliums und die verantwortliche Leitung eines Gottesdienstes aufbaut.
Der Dienst evangelischer Laienprediger lässt sich bis in die Reformationszeit zurückverfolgen, als befähigte Männer – Prädikanten genannt – ohne Weihe bzw. Anstellung als Pfarrer das Evangelium verkündeten, oft als nicht ortsgebundene Prediger.
In seiner heutigen Form geht der ehrenamtliche Verkündigungsdienst auf die Zeit des 2. Weltkrieges zurück, als viele Pfarrer eingezogen waren und befähigte Männer (in manchen Fällen auch Frauen) ihren Dienst vertreten mussten. In der Neubesinnung der evangelischen Kirchen nach 1945 wurde den Verantwortlichen wichtig, dass die Kirche auf das Zeugnis solcher Gemeindeglieder nicht verzichten kann und ihr Dienst neu geordnet werden musste. Er ist heute längst keine Notmaßnahme mehr.
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