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»Was sehen Sie, Frau Lot?« – Eine Ausstellung zur sexualisierten Gewalt an Mädchen und Frauen

Vom 13. bis 26. September 2004 zeigen  die Lobby für Mädchen/Mädchenhaus Köln und das Frauenreferat des Evangelischen Stadtkirchenverbands Köln eine hoch spannende, berührende und sehr intensive Ausstellung, für die BesucherInnen sich Zeit nehmen sollten. Denn das Thema ist die sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen. Die Ausstellung spricht sich eindeutig „gegen Täterschutz“ aus, mit gutem Grund: Allzu oft werden sexuelle Übergriffe auf Frauen – und sogar Vergewaltigungen – in unserer Gesellschaft noch immer bagatellisiert, das Thema ist trotz aller Aufklärung weiterhin ein Tabu, gegen das nur wenige Einrichtungen wie beispielsweise das Kölner Mädchenhaus eindeutig und öffentlich Stellung beziehen, den betroffenen Mädchen und Frauen konkrete Hilfen anbieten. Die Ausstellung ist in der evangelischen Trinitatiskirche, Filzengraben 6, Nähe Heumarkt, zu sehen. Öffnungszeit ist täglich von 14 – 19 Uhr, am letzten Ausstellungstag bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Gruppenführungen sind nach Absprache möglich.

Kirche und Gewalt gegen Frauen
Hier ein Auszug aus dem Grußwort von Stadtsuperintendent Ernst Fey: “ ‚Gewalt gegen Frauen verletzt Gott selbst.‘ Das hat die Landessynode  der Evangelischen Kirche im Rheinland im Jahr 2000 öffentlich erklärt, und sie hat alle Formen von Gewalt gegen Frauen aufs Schärfste verurteilt.  In den Kirchen hat ein Diskussions-, Lern- und Umkehrprozess begonnen.  Die theologischen Wurzeln der Gewalt werden aufgedeckt, Strategien zur  Überwindung von Gewalt, auch im kirchlichen Raum, werden gesucht. Der  Ökumenische Rat der Kirchen hat diesen Prozess angeregt mit seinen  Dekaden „Kirchen in Solidarität mit den Frauen (1988-1998) und „Gewalt  überwinden (2001-2010).  Als evangelische Kirche in Köln und Umgebung begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich diesen Prozess und arbeiten an unterschiedlichen Stellen am Thema ‚Gewalt gegen Frauen und Mädchen“’selbst mit. Wichtig ist uns dabei auch die Vernetzung mit autonomen Frauenprojekten und Beratungseinrichtungen.“
Weitere Grußworte, Texte der Schirmfrauen, Informationen über die ausstellenden Künstlerinnen etc. hier.

Die Ausstellung, Rahmenprogramm
Die Ausstellung ist schon an verschiedenen Orten zu sehen gewesen, so etwa 2002 im Alten Walzwerk Pulheim. Doch jedes Mal ist die Ausstellung anders. In Köln besteht  „Was sehen Sie, Frau Lot?“ der drei Künstlerinnen Renate Bühn, Maria Mathieu und Heike Pich aus 19 Objekten und Installationen, die im Kirchenraum der Trinitatiskirche und auf der Galerie zu sehen sind. Köln bietet außerdem ein umfassendes Begleitprogramm zur Ausstellung. Es gibt Vorträge mit anschließender Diskussion, Workshops, einen Dia-Vortrag, eine Lesung, eine musikalische Matinee, ein Gespräch zum Thema der großen Weltreligionen und ihrem traditionellen bzw. aktuellen Umgang mit sexualisierter Gewalt und einen Gottesdienst für Überlebende sexualisierter Gewalt und ihre Unterstützerinnen in der Kreuzkirche. Eine Veranstaltung richtet sich ausschließlich an Männer, einige werden ausschließlich für Frauen angeboten und etliche sind für alle interessierten Besucherinnen und Besucher offen.

Vier exemplarische Beispiele aus dem umfangreichen Rahmenprogramm
(alles in der Trinitatiskirche)

Am 19. September gibt es um 16 Uhr eine Lesung für nur Frauen mit Texten von Carola Moosbach: „Ja, ich habe mich umgedreht.“ Carola Moosbach ist Feministin und Christin, Autorin und Überlebende  sexueller Gewalt in der Kindheit. Sie ist keine Theologin sondern Dichterin,  die an einer befreienden und heilenden Gottessprache jenseits von „Gottvater, Sohn & Co.“ arbeitet. Mit großer dichterischer Kraft hat sie ihre bedrohliche Missbrauchserfahrung in bewegende Gebete, Gedichte und Lieder von großer Schönheit verwandelt. Die Schauspielerin Ute M. Lerner  liest Moosbachs Texte, musikalisch begleitet von Sonia Bach.

Am 21. September beschäftigt sich um 19.30 Uhr ein Vortrag der Diplom Pädagogin Eva Jochmann (Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V., Mainz )mit den sexualisierten Gewalterfahrungen in der Biographie von Seniorinnen: „Sexualisierte Gewalt – ein Thema ohne (Alters-) Grenzen“ Sexualität bei Seniorinnen ist kein Thema innerhalb der Gesellschaft – noch weniger sexualisierte Gewalterfahrungen. Dies und die Tatsache, dass Seniorinnen in einer Zeit aufgewachsen sind, in der Sexualität, Gleichberechtigung, Selbstbestimmung ebenso wenig thematisiert wurden wie sexualisierte Gewalterfahrungen, verhindern weiterhin, dass die möglichen traumatischen Erlebnisse der Frauen in den öffentlichen Blick geraten. Aber gerade im Falle von Pflegebedürftigkeit könnte ein „geschärfter Blick“ für die Erlebnisse den Frauen helfen, weiteren Traumatisierungen zu entgehen.

Am 22. September um 19.30 Uhr geht es um „Geschlecht, Macht und Gewalt -Verletzungsoffenheit als lebensgeschichtlich prägende Erfahrung von Mädchen und Frauen“: Prof. Dr. Karin Flaake, Hochschullehrerin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen und Geschlechterforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg stellt Sozialisationsprozesse in den Mittelpunkt ihres Vortrags, betrachtet unter dem Aspekt der Einübung in gewaltförmige Geschlechterverhältnisse: für Jungen und junge Männer als Einübung in die potenzielle Macht zu verletzen, für Mädchen und junge Frauen als potenzielle Offenheit für Verletzungen. Es werden zwei Ausschnitte aus der Bandbreite lebensgeschichtlich wichtiger Stationen, Institutionen und Interaktionen dargestellt: die Bedeutung von Gleichaltrigenbeziehungen und von familialen Interaktionen, insbesondere bezogen auf die Vater-Tochter-Beziehung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Adoleszenz, der lebensgeschichtlichen Phase, die für Väter und Töchter mit besonderen Verunsicherungen verbunden ist.

Am 26. September fragt um 11 Uhr eine Podiumsdiskussion nach den „Weltreligionen und ihrem Umgang mit sexualisierter Gewalt„: Welche Bedeutung haben Religionen für die sexuelle Gewaltproblematik?  Welche Frauen- und Männerbilder werden in einzelnen Religionen vermittelt und welche Bewertungen transportiert? Welche Möglichkeiten der Heilung und Überwindung von Gewalt können Religionen bieten?
Diese und andere Fragen werden diskutiert mit: Dr. Britta Jüngst (evangelische Pfarrerin und theologische Referentin im Frauenreferat der Evangelischen Kirche von Westfalen), Elisa Klapheck (Rabbinerin und Journalistin, Berlin , Rabeya Müller (Pädagogin und Islamwissenschaftlerin, Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung, Köln), Agnes Pollner (buddhistische Meditationslehrerin, Köln), Alice Schumann (Hinduistin und Diplomsozialpädagogin, Köln). Die Moderation hat die Journalistin und Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Dr. Inge von Bönninghausen( Vorstand LOBBY FÜR MÄDCHEN – Mädchenhaus Köln e.V. )

Das komplette Rahmenprogramm kann auf den Internetseiten des Mädchenhauses als pdf-Datei hier ausgedruckt werden.

Mehr über die Ausstellung, ihre Stationen und die ausstellenden Künstlerinnen hier: www.frau-lot.de

Text: Al-Mana
Foto(s): Anne Siebertz