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Was mochte Luther an Fronleichnam nicht?

„Am Feiertag darf keine Wäsche hängen!“ Mit dieser Regel sind viele Christinnen und Christen vielleicht noch aufgewachsen. Zu Zeiten Martin Luthers demonstrierten Protestantinnen und Protestanten allerdings mit Wäschewaschen am Fronleichnamstag, was sie von diesem Feiertag – einem der wichtigsten in der katholischen Kirche – hielten.

Es sei das „allerschädlichste Jahresfest“, so bezeichnete Martin Luther das Fronleichnamsfest im Jahr 1527, weil er dafür in der Bibel keine Erwähnung fand. „Ich bin keinem Fest mehr feind als diesem. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man's nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet.“
Tatsächlich entwickelte sich Fronleichnam in der Reformation zu einem konfessionsscheidenden Merkmal.

Die Gegenwart von Jesus Christus
Grund dafür ist ein unterschiedliches Verständnis beider Konfessionen davon, wie Jesus Christus im Abendmahl präsent ist. Für die katholische Kirche wandeln sich Brot und Wein bei jeder Feier der Eucharistie (Danksagung) wirklich in den Leib und das Blut Christi. Aus diesem Grund trinkt der katholische Priester nach der Messe den Abendmahlswein bis zum letzten Tropfen und wischt den Kelch aus, damit kein Blut Christi verschüttet wird. Übrig gebliebene Hostien werden im Tabernakel verwahrt. An Fronleichnam wird die gewandelte Hostie als Leib des Herrn in feierlichen Prozessionen durch die Straßen getragen.
Martin Luther glaubte zwar ebenfalls an die leibhaftige Gegenwart Christi beim Abendmahl. Er lehnte jedoch Spekulationen über die Art dieser Gegenwart ab.

Abendmahl dient der Gemeinschaft
Claudia Posche, Pfarrerin in Altenberg, erklärt das so: "Die Elemente des Abendmahls stiften Gemeinschaft, indem wir Wein und Brot miteinander teilen. Christus selbst ist dabei auf geheimnisvolle Weise anwesend. Das Heilige ereignet sich bei der wunderbaren Verwandlung im Abendmahl von Brot und Wein. Aber danach ist das Brot wieder Brot und der Wein wieder Wein." Luther habe es befremdlich gefunden, in Form einer Prozession, bei der eine Hostie durch die Gegend getragen werde, das Opfer Jesu zu wiederholen. Dadurch werde der eigentliche Sinnzusammenhang aufgelöst.

Ökumenische Station vor dem Martin-Luther-Haus
Auch wenn man als Evangelische Kirche diesem Fest mit Abstand gegenüber stehe, findet Posche es gut, dass die Evangelische Kirchengemeinde Altenberg bereits seit ungefähr 15 Jahren während der Fronleichnamsprozession eine ökumenische Station vor dem Martin-Luther-Haus in Altenberg organisiere. An einem mit Blumen, Kerzen, Bibel und Kreuz dekorierten Tisch werde die Prozession unterbrochen, man begrüße sich und singe zusammen mit dem Posaunenchor der Gemeinde. "Als ich das damals vorgeschlagen habe, reagierte man im Kirchenkreis mit Stirnrunzeln. Inzwischen machen das viele Gemeinden, nicht weil man den Inhalten des Fronleichnamsfestes evangelischerseits zustimmt, sondern weil wir uns freuen, dass Menschen unterwegs sind, um ihren Glauben in der Öffentlichkeit deutlich werden zu lassen", sagt die Pfarrerin. "Das finden wir Protestanten ja auch gut!" Auf einer Metaebene könne man auch sagen, das Evangelium werde hinaus in die Welt getragen.

Teppichklopfen versus Wäschewaschen
Das Fest an Fronleichnam, ein Hochfest im Kirchenjahr der katholischen Kirche, wird seit dem 13. Jahrhundert immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert. Umgekehrt verschmähte zu Luthers Zeiten übrigens so mancher Katholik den Karfreitag, den er für einen rein evangelischen Feiertag hielt. Viele katholische Frauen klopften an diesem Tag ihre Teppiche aus. In heutigen Zeiten einer sich stets weiter entwickelnden Ökumene ist dies zum Glück kein Thema mehr: "Wir teilen uns hier in Altenberg eine Kirche, warum sollen wir nicht, wenn die eine Gemeinde eine Prozession feiert, am Straßenrand stehen?", fragt die Pfarrerin abschließend.

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Heidemarie Wolf