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„Was heilt uns?“ Vortrag über „Wirkung von Glaube und Spiritualität und der Verlauf von Krankheit und Heilung“ während des DEKT im Krankenhaus Weyertal

Wenn eine Veranstaltung auf einem Evangelischen Kirchentag und in einem Evangelischen Krankenhaus die Frage „Was heilt uns?“ stellt, besteht der Verdacht, die Frage könnte in beträchtlichem Maße rhetorisch gemeint sein. Als Antwort erwartet man in solchem Umfeld nicht: „Geheilt werden wir durch die Errungenschaften pharmazeutischer Forschung.“ Üblich sind Hinweise auf die stärkende Kraft des Glaubens und der Liebe.



Das Interesse am Thema ist sehr groß
Und tatsächlich stellte auch der Untertitel von Vortrag und Diskussion im Evangelischen Krankenhaus Weyertal Wissenswertes über „Wirkung von Glaube und Spiritualität und der Verlauf von Krankheit und Heilung“ in Aussicht. Rein personell führten die Pfarrer gegen die Mediziner zwei zu eins: Krankenhausseelsorger Karsten Leverenz und Krankenhauspfarrer Wolfgang Jacobs standen dem Privat-Dozenten Dr. med. Arndt Büssing gegenüber. Dass solche Veranstaltungen aber trotzdem notwendig und erwünscht sind, wurde nicht nur anhand des zahlreich erschienenen Publikum deutlich. Das harrte geduldig und aufmerksam zwei Stunden bei widrigem Tropenklima aus. Die Referate und auch die anschließenden Diskussionen zeigten, dass zwar ein Bewusstsein für die Bedeutung von Glauben und Spiritualität innerhalb des Gesundheitssystems vorhanden, aber von einer adäquaten Umsetzung noch weit entfernt ist.

Gute Ideen – nur Theorie?
Dr. Büssung arbeitet am Lehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Er beschäftigt sich mit der Auswirkung von ausgelebter Spiritualität oder Religiosität für kranke Menschen. Souverän und differenziert trug er die überwältigende Faktenlage vor, deren Resultate freilich niemanden überraschen mochten. „Spirituelles Wohlbefinden schützt vor finaler Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung“ – wer möchte da widersprechen? „Unverarbeitete spirituelle und religiöse Probleme haben eine negative Auswirkung auf den Krankheitsverlauf“ – wem würde das nicht einleuchten? „Spiritualität kann als Ressource betrachtet werden. Sie sollte frühzeitig als integraler Bestandteil in der Patientenversorgung berücksichtigt werden. Durch die Vermittlung spiritueller Ressourcen können sich neue Lebensperspektiven und Sinnzusammenhänge erschließen.“

Und die Praxis?
Das Publikum stimmte vorbehaltlos zu, ebenso der Feststellung, dass persönliche Stabilität der eigenen Gesundheit zuträglich sei. Schwieriger wird es, wenn es um die Umsetzung geht. Das liegt zum Teil in der Natur der Sache, denn Spiritualität lässt sich nicht verordnen. Aber auch bezüglich der Rahmenbedingungen kann die Frage nach der Verantwortlichkeit kontrovers diskutiert werden: Wer ist denn „schuld“, wenn Gespräche zwischen Arzt und Patient auch über religiöse Fragen, laut Umfrage von vielen Patienten erwünscht, aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen fast ein Ding der Unmöglichkeit sind? Ärzte wollen heilen, Patienten geheilt werden. Die Verwaltung setzt nur um, was die Politik vorgibt. Aber wer ist für die Politik in einer Demokratie zuständig, wenn nicht letztlich wir alle?

Konkretes Handeln
Perspektivreich für das konkrete eigene Handeln kann das zweite Referat der Veranstaltung genannt werden: Krankenhausseelsorger Pfarrer Karsten Leverenz vom Evangelischen Krankenhaus sprach über die „Spiritualität der Achtsamkeit“. Achtsamkeit im Sinne von bewusster Wahrnehmung von sich und anderen, gerade auch in Krisensituationen wie Krankheit, sei etwas, das jeder Mensch – egal welcher Konfession oder Glaubensrichtung – anstreben kann. Die Differenz zwischen dem erwünschten und dem realen Zustand könne nur durch eigenes Handeln verringert werden. Was aber die Frage der Integration von Spiritualität als heilender Kraft in den Alltag des Gesundheitswesens angeht, so bedarf es wohl vieler weiterer ähnlicher Veranstaltungen. Dann erst könnte das diffuse Bewusstsein für Erkenntnisse wie „Spirituelle Unterstürzung durch Religionsgemeinschaft oder medizinische System war signifikant mit (besserer) Lebensqualität der Patienten assoziiert“ zu einer Veränderung der herrschenden Praxis führen.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer