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Was heilt uns? Tabletten, Apparate oder ganz was anderes? „Spiritualität und Krankheitsumgang“ – eine Tagung gab erste Antworten

Der Erfolg bei der Behandlung von Krankheiten ist abhängig vom Einsatz von Apparaten und Medikamenten. So lautet die landläufige Meinung von Laien – und viel zu oft von Experten. Dabei haben empirische Untersuchungen etwas ganz anderes zu Tage gefördert. Glaube und Spiritualität können sehr wohl den Krankheitsverlauf bis hin zu einer Heilung günstig beeinflussen. „Was heilt uns? Spiritualität und Krankheitsumgang“ lautete der Titel einer interdisziplinären Tagung für Mitarbeitende im Gesundheitswesen im Haus der Evangelischen Kirche. Eingeladen hatte das Amt für Krankenhausseelsorge des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region. Über 100 Gäste waren der Einladung gefolgt.


Suche nach Sinn und Bedeutung
„Wir hatten eine gute Mischung“, berichtet Pfarrer Wolfgang Jacobs, Sprecher des Amtes für Krankenhausseelsorge: „22 Ärztinnen und Ärzte waren da, rund 30 Pflegende und etwa 30 Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger. Dazu kamen noch Menschen, die ehrenamtlich in Krankenhäusern tätig sind, beispielsweise im Besuchsdienst.“ Privatdozent Dr. Arndt Büssing vom Gemeinschaftskrankenhaus Witten-Herdecke der dort ansässigen Universität, erläuterte Ergebnisse der Studie „Spiritualität, Religiosität und Krankheitsumgang“ aus dem Jahr 2005. Die habe ergeben, dass vor allem Tumorpatienten und -patientinnen sehr stark auf Spiritualität ausgerichtet seien, deutlicher interessierter etwa als MS-Kranke oder Menschen mit chronischen Schmerzen. Im Übrigen seien Frauen erheblich empfänglicher für Spiritualität als Männer. „Mit Spiritualität ist hier natürlich die Suche nach Sinn und Bedeutung gemeint und nicht irgendwas Esoterisches“, stellte Jacobs klar.

Spiritualität kommt in der Ausbildung der Ärzte und Ärztinnen nicht vor
Darüber hinaus hat die Befragung der Patienten und Patientinnen im Rahmen der Studie ergeben, dass sie hohe Erwartungen hegen, mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin über spirituelle Bedürfnisse zu sprechen. Diese Erwartungen stehen jedoch oft im Gegensatz zum Selbstverständnis der Ärzte und Ärztinnen. Denen gehe es in erster Linie um das „Gesundmachen“, die Sinnsuche der Kranken bleibe da auf der Strecke, nicht nur aus Zeitmangel. „Sicher müsste das Thema ,Spiritualität‘ auch in der Ausbildung der Ärzte und Ärztinnen eine Rolle spielen“, fordert Jacobs.

Patientinnen und Patienten Angst und Unruhe ersparen
Ähnliche Erfahrungen wie Büssing hat auch Angelika Alke, Pflegedirektorin in einem Krankenhaus in Bremen, gemacht. „Spirituelle Bedürfnisse haben im Krankenhaus-Alltag wenig Platz“, hat sie festgestellt. Zeitmangel nennt sie als Grund. Sie rät den Pflegenden, kleine Zeiträume zu schaffen, um mit den Patienten und Patientinnen zu sprechen. „Es kann nicht sein, dass das alles auf die Krankenhausseelsorger und -sorgerinnen verschoben wird“, erklärt Jacobs. Alke hofft, dass der Umgang mit Spiritualität stärker in das Selbstverständnis der Pflegenden integriert wird: „Die haben ja auch mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten als die Ärzte.“ Dazu hatte Büssing etwas anzumerken: „Ärzte, die sich ein paar Minuten mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten und Patientinnen nehmen, sparen am Ende Zeit, weil die Kranken später nicht mehr nachfragen müssen. Außerdem erspart man den Patientinnen und Patienten Angst und Unruhe.“ Büssing bietet Kurzmeditationen an für die Kranken ebenso wie für die Pflegenden.

Spiritualität der Achtsamkeit
Ähnlich geht der Kölner Krankenhausseelsorger Karsten Leverenz vor. Er spricht von einer „Spiritualität der Achtsamkeit“. Achtsamkeit bedeutet für ihn, offen mit den Kranken umzugehen, „einfach nur da zu sein“, zu schauen, was der Mensch braucht, und vor allem, nicht mit vorgefassten Ideen auf die Patientinnen und Patienten zuzugehen. Sehr gut angenommen werden seine Stilleübungen für Kranke und Pflegende im Hildegardis-Krankenhaus und im Krankenhaus Weyertal.

Bald alle Referate zum Nachlesen
Jacobs beklagt die Ökonomisierung des Gesundheitssystems, die man aber nicht verhindern könne. Das System laufe tendenziell in die falsche Richtung, wenn die so genannte „sprechende Medizin“ viel schlechter bezahlt werde als die der Apparate und Medikamente. „Viele Pillen wirken doch nur, weil die Beziehung zwischen Patientin oder Patient und dem Arzt oder der Ärztin stimmt“, weiß der Krankenhausseelsorger. Er stellt in Aussicht, eine Tagung zu den vorgenannten Themen künftig einmal im Jahr durchzuführen. Die Ergebnisse der ersten werden wahrscheinlich in Kürze veröffentlicht. Dann können Interessierte alle Referate noch einmal nachlesen.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann