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Was hat der Weihnachtsmann mit dem Christkind zu tun?

Auf die Frage:
Was hat der Weihnachtsmann mit dem Christkind zu tun?
gibt Eduard Kopp auf der Website von Chrismon eine zunächst verblüffende Antwort:

„Vor eben einmal 70 Jahren erblickte er das Licht der Welt: der Weihnachtsmann mit rotem Kittel und weißem Bart. Es war die Coca-ColaCompany, die den schwedisch-amerikanischen Zeichner Haddon Sundblom 1931 beauftragt hatte, einen „Santa Claus“ für eine Werbekampagne zu entwickeln. Als Vorlage diente Sundblom das großväterliche Gesicht eines alten Coca-Cola-Verkäufers mit Pausbacken und weißem Bart. Dazu kam dann noch ein feuerroter Mantel mit weißem Pelzbesatz – fertig war die Marke Weihnachtsmann. Unvorstellbar heute, dass damals auch blau gewandete und jugendliche Weihnachtsmänner en vogue waren.

Ob die Getränkefirma, die nicht nur Flaschen-, sondern auch Kulturträger sein will, wirklich den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung des rotweißen Weihnachtsmanns gegeben hat, ist Interpretationssache. Es könnte auch schon einhundert Jahre zuvor C. C. Moore mit seinem Gedicht „The night before Christmas“ („Die Nacht vor dem Christfest“, 1822) gewesen sein. Bereits hier tritt Nikolaus als pausbäckiger, pummliger, alter Kobold in Erscheinung. Und kaum hatte er so literarisch das Licht der Welt erblickt, wurde er schon von zahlreichen Zeichnern ins Bild gesetzt.

Wichtig ist zu wissen: Der Weihnachtsmann ist kein Christkind in anderer Gestalt, sondern eine Fortentwicklung des Nikolaus, eines Heiligen aus der heutigen Türkei, aus der Stadt Myra des vierten Jahrhunderts. Unser „Weihnachtsmann“ müsste, wenn er Traditionsbewusstsein hätte, seinen jährlichen Auftritt in der Nacht vom 5. zum 6. Dezember haben, also bereits mit seinem Rentierschlitten heimgekehrt sein, wenn sich Wochen später die Weihnachtskrippe füllt. Ein Weihnachtsmann an Weihnachten hingegen ist ein Fehlläufer.

Nicht nur die Bethlehem-, sondern auch die Nikolauslegenden haben sozialen und religiösen Tiefgang. Zum Beispiel diese Episode: Ein Mann hatte drei „heiratsfähige“ Töchter, war aber arm und hätte nie die Kosten für ihre Hochzeiten tragen können. Deshalb bestimmte er eine von ihnen für die Tempelprostitution. Als Bischof Nikolaus davon hörte, überbrachte er ihrem Vater unerkannt einen Beutel Gold, und der jungen Frau blieb die Prostitution erspart.

Oder auch diese Geschichte: Die Bevölkerung der Stadt Myra litt einmal unter einer Hungersnot. Da machte ein mit Getreide beladenes Schiff auf der Fahrt nach Rom in der Bischofsstadt fest. Kraft seiner Autorität als Bischof und Christenmensch gelang es Nikolaus, den Spediteur zum Abladen von so viel Korn zu überreden, dass die Bürger von Myra dem Tod entgingen.

Dass im Weihnachtsmann der Kern des Nikolaus steckt, ist heute nicht mehr allgemein bekannt. Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich der Nikolaus immer mehr Richtung Weihnachtsmann verweltlicht.

Den Protestanten war Nikolaus schon lange vorher ein Dorn im Auge. Sie versuchten, Nikolaus im Rahmen ihrer Heiligenkritik als Gabenbringer zu verdrängen – und förderten damit indirekt die Bescherung zu Weihnachten. Mit der Folge: Vor mehr als vierhundert Jahren begannen die deutschen Städte, ihre Nikolausmärkte in Weihnachtsmärkte zu verwandeln. Dem evangelischen Prinzip der Konzentration auf das Wesentliche, in diesem Fall auf das göttliche Kind in der Krippe, ist die Kirche im Grunde bis heute treu geblieben.

Tatsächlich eignet sich der weiße Rauschebart viel besser als Werbeträger und für freche Gedankenspiele als das Christkind, um dessen korrektes Erdenleben sich die christlichen Kirchen kümmern. Im Internet zum Beispiel kursiert tausendfach eine berühmte Glosse mit dem Titel „Gibt es den Weihnachtsmann?“ Ihre Herkunft ist ungewiss. Studenten einer technischen Hochschule könnten sie geschrieben haben. Sie führen den Nachweis, dass es den Weihnachtsmann mit seiner fliegenden Rentierkutsche eigentlich gar nicht geben kann. Denn: Alle 400 Millionen Kinder christlichen Glaubens rund um den Globus an einem 31-Stundentag (Zeitzonen beachten!) zu beschenken bedeutet eine Wegstrecke von 120 Millionen Kilometern und eine Schlittengeschwindigkeit von 1040 Kilometern pro Sekunde. In Anbetracht der Last – ein Kilo pro Geschenk – sind 216000 Zugtiere erforderlich. Der Luftwiderstand wäre immens. Das ernüchternde Fazit: „Wenn der Weihnachtsmann irgendwann einmal Geschenke gebracht haben sollte, ist er heute tot.“

Anders als der Weihnachtsmann ist das Christkind von einer Schutzhülle aus frommem Ernst umgeben. So schlecht ist diese Rollenverteilung nicht: Die Wirtschaft hat ihren Weihnachtsmann, das volkstümliche Brauchtum seinen Nikolaus und die aktiven Christen den Sohn Mariens, der schon in jungen Jahren zum Propheten und Lehrer wurde.

Am schönsten ist: Die Geschichte vom Christkind hat auch nach 2000 Jahren noch keinen Bart.

Text: chrismon
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