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Was hält eine Gesellschaft zusammen? – Alfred Neven DuMont sprach als Erster in neuer Stadtpredigt-Reihe

Was hält eine Gesellschaft zusammen?“ lautet das Thema einer neuen Reihe der Kölner Stadtpredigten an der AntoniterCityKirche. Unter dieser Fragestellung werden bis zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2007 in Köln jeden Monat „Verantwortungstragende der Gesellschaft“ einen selbst gewählten Bibelvers auslegen. Zugesagt haben bereits Manfred Kock, Präses der Rheinischen Kirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland i. R. (25. März 2005), Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH (10. April 2005) sowie Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln (18. September 2005).

Persönliche Akzente gesetzt
Zum Auftakt begrüßte CityPfarrer Dr. Bertold Höcker Professor Alfred Neven DuMont: „Wir haben Ihnen ein schweres Thema gegeben, noch dazu am Beginn. Sie haben es also doppelt schwer.“ Der Kölner Herausgeber und Verleger nahm Höckers Vorlage dankend auf: „Tatsächlich ist das Thema nicht einfach.“ Er bat die Gottesdienst-Besucherinen und -Besucher in der voll besetzten AntoniterCityKirche, seine Worte nur als Einleitung in die Reihe der Vorlesungen zu verstehen. „Sie werden am Schluss feststellen, dass mein Resultat nicht üppig ausfällt“, bemerkte er vorweg.

Er, der Journalist und Universitätsprofessor, habe sich auferlegt, nur 20 Minuten über dieses komplexe Thema zu sprechen. „Das ist sehr schwer.“ Und man könne zu Recht fragen: „Ist das überhaupt seriös?“ Neven DuMont widmete sich dem teilweise auch auf die lokale Kölner Situation bezogenen Thema tatsächlich eher kursorisch. Er setzte persönliche Akzente, gab Stichworte und Anstöße zur Reflexion über den komplexen Gegenstand „Gesellschaft“. Ausgehend von zwei kurzen Bibelworten, unter anderem einem Genesis-Vers, stellte Neven DuMont fest: „Gott lobt das Wohlverhalten des Menschen, seine Nächstenliebe.“

Wo kommen wir her?
Der Verleger erzählte unter anderem die Geschichte von „einem Tochterunternehmen unseres Hauses“. Dieses habe man aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen mit einem anderen zusammenlegen müssen, in einer anderen Stadt. Rund 30 Personen seien gebeten worden, dorthin zu ziehen. „Von diesen 30 sagten gerade mal drei zu. Nur sie wollten in eine andere Stadt ziehen. Was sagt uns das?“ Es zeuge von der starken Liebe dieser Menschen zu Köln, die lieber arbeitslos würden, als die Nähe zu ihrer Heimatstadt, zu Freunden und Verwandten aufzugeben, vermutete Neven DuMont.

In „Windeseile“ skizzierte Neven DuMont dann noch historische Entwicklungen etwa von der Französischen Revolution, mit der „die Bande zwischen Staat, König und Kirche endgültig gebrochen“ seien, hin zur „Erfindung“ der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert. Diese habe unter anderem zu den unsäglichen Kriegen zwischen Frankreich und Deutschland und der endgültigen Zerstörung der Gemeinschaft Europas geführt. Dazu beigetragen hätten auch die „Prinzipien-Gegnerschaften“ Sozialismus, Nationalsozialismus und Demokratie. „Die Gesellschaft war auf Gegnerschaft, Feindschaft aufgebaut.“ Nun aber habe sich die Demokratie endgültig als Staatsform durchgesetzt.

Die Menschen müssen sich neu finden
Was mache der Mensch angesichts von Umwälzungen, nachdem er entlassen worden sei aus dem in totalitären Staaten ausgeübten Zwängen? Er müsse sich neu finden, Entscheidungen treffen. Was tut der Mensch also in dieser Situation? Er finde sich wieder in Parteien, in Vereinen, im Karneval, meinte Neven DuMont. „Er flüchtet sich in das Nahe, die Umgebung, das Veedel, das Dorf, die Stadt.“ Er flüchte sich da hin, wo er sich zuhause fühle. „Aber ich halte dagegen: Ist das alles?“ Wenn man etwa im Karneval mittendrin sei, gebe es andere, die dazu keine Lust hätten. Diese stünden dann wieder außerhalb dieser Teilgesellschaft. Ebenso verhalte es sich mit dem Beruf, in dem viele Menschen ein Zuhause fänden und sich aufgehoben fühlten. Die Arbeitslosen dagegen erlebten sich "als draußen". „Es gibt das Trennende“, so DuMont.

Annäherung in Europa
Auch dies ein Stück Thematik der Stadtpredigt: „Der Nationalstaat hat weitgehend seinen Atem ausgehaucht.“ Die Menschen der europäischen Nationen würden sich stetig annähern. Dies könne man allein schon an äußerlichen Ähnlichkeiten festmachen, bezog er sich auf die in den letzten 20 Jahren von ihm beobachtete Angleichung von Franzosen und Deutschen. Das führe Europa zusammen. Europa sei eine Vision. „In Europa fühlt man sich wohl. Aber auch Europa ist Neuland. Also sind wir wieder unterwegs, das müssen wir erkennen. Es kommt mehr auf uns zu, als uns bewusst ist“, nahm Neven DuMont auch das globale Denken in den Blick. „Wir müssen uns mit den anderen arrangieren.“

Elementar: Nächstenliebe, Akzeptanz, Toleranz, Gemeinsinn
Die alten, festen Bindungen Familie, Kirche und Staat seien noch vorhanden, „aber sie sind weniger ausgeprägt, sie sind verwischt“. Der neue Mensch stehe wie am Anfang der Weltgeschichte, er stehe allein. Er denke, er habe etwas Neues geschaffen, dabei habe er nur etwas übernommen. So würden sich auch Beziehungsgeflechte immer wieder neu zusammen stellen. „Die Frage nach der Gemeinschaft, nach dem Wichtigen im Leben, ist schwierig.“ Elementar für eine Gesellschaft seien Nächstenliebe, Akzeptanz, Toleranz, Gemeinsinn. Nicht minder der Glaube. Unser Ziel sei Gott. „Aber er verhüllt sich, er ist nicht in allem“, forderte Neven DuMont, nach ihm zu suchen.

Als Beispiel für ein „einhelliges Nebeneinander“ von Christen, Muslimen, Hindus und Buddhisten nannte Neven DuMont Indien, das er zuletzt mit seiner Frau bereist habe. Dort sei ihnen auch die Gnade geschenkt worden, ein katholisches, von Nonnen geleitetes Krankenhaus bei Delhi mit entwickeln zu können. „Wenn Sie Christentum suchen, den echten Glauben, der nicht durch die Ratio verstellt ist, gehen Sie dorthin, dort finden Sie ihn“ , riet er der Zuhörerschaft. Dort habe er eine wunderbare Gemeinschaft erfahren dürfen. „Wir sind dorthin, um zu schenken. Aber wir sind als Beschenkte zurück gekehrt, weil wir so dankbar waren, dass sie uns in ihrem Glauben aufgenommen haben.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich