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Was die Theologie von der Literatur lernen kann: Pfarrer Kurt-Werner Pick im Literaturhaus Köln

„Insbesondere in den großen Metropolen in Europa und Nordamerika sind Religion und Kirche in einer andauernden Krise: Die Mehrheit der Menschen lebt in Entfremdung von und Indifferenz zur Religion. Seit Jahren lässt sich eine unaufhaltsame Austrittswelle aus den etablierten Kirchen konstatieren. Kirchliche Gebäude werden geschlossen oder verkauft, gemeindliche Gottesdienste und Veranstaltungen werden vor allem in den großen Städten nur noch spärlich frequentiert.“ Dieses düstere Bild eines religionslosen Zeitalters entwarf Kurt-Werner Pick im März mit ruhiger Stimme und sparsamer Gestik in seinem Vortrag mit dem Titel: „Theologie und Amerikanische Gegenwartsliteratur – Plädoyer für eine dialogische Theologie“. Pick darf als Experte auf dem Problemfeld der Kirchen im urbanen Umfeld gelten. Der Theologe war schließlich von 1990 bis 2001 Pfarrer an der Antoniterkirche in Köln, zuständig für Citykirchenarbeit.



Die Kirchen sollten in einen „vorbehaltlosen Dialog treten“
Nun gibt es viele Meinungen darüber, wie dem Phänomen der Säkularisierung der Gesellschaft begegnet werden kann. Beispielsweise gebe es, referiert Pick, „Versuche der Kirchen, hinter die Aufklärung zurückzugehen“, was Pick mit dem Namen Joachim Kardinal Meisner verknüpft. Der evangelische Theologe Pick schlägt da einen anderen Lösungsansatz vor, nämlich den des Dialogs der Theologie. Als zentrale These formuliert er: „Wollen die christlichen Religion und die Kirchen ihren weiteren Niedergang oder gar ihr Verschwinden vermeiden, müssen sie – vor allem im urbanen Kontext – in einen vorbehaltlosen Dialog eintreten mit allen Bereichen der säkularen Kultur: vor allem mit der Philosophie, der Psychotherapie, der Kunst, Architektur, der Musik und der Literatur“.

Dialogpartner amerikanische Literatur
Die amerikanische Literatur suchte sich Pick zum Dialogpartner, insbesondere Werke von Philip Roth, Paul Auster und John Updike. In diesen Werken findet Pick „in seismographischer Weise sehr konkret die existentiellen, kollektiven wie auch individuellen Fragen, Probleme, Ängste, Hoffnungen und Dilemmata unserer Zeit“ beschrieben und reflektiert. Tritt die Theologie mit solchen Texten in Kontakt, so könne laut Pick ein weit verbreitetes Problem der Theologie umgangen werden: dass nämlich „Antworten gegeben werden auf Fragen, die keiner stellt, was ja ansonsten in der Theologie vorkommt“.
Beim Vortag widmete sich Pick vornehmlich Philip Roths Roman „Der menschliche Makel“, der vor einigen Jahren nicht zuletzt durch seine Verfilmung mit Anthony Hopkins und Nicole Kidman weltweit große Beachtung fand. Aus dieser Geschichte eines Mannes, der wegen unbegründeter Rassismusvorwürfe alles verliert, vermag Pick, Handlungsanweisungen für die Theologie und die Kirche abzuleiten. Für ihn „ergibt sich für Theologie und die Kirchen der klare Auftrag, jeder Form von Ächtung und Diskriminierung, seien es Rassismus, Nationalismus, Bevormundung oder Opferung von Menschen zu widersprechen und ihr entschieden entgegenzutreten.“

Der Pfarrer und die Literatur
Die Verbindung des ehemaligen Citykirchen-Pfarrers zur Literatur hat eine Geschichte, die so manchem Kölner noch in Erinnerung sein dürfte. Kurt-Werner Pick kooperierte vor gut zehn Jahren an der Antoniterkirche sehr eng mit dem neu gegründeten Literaturhaus Köln. Der Pfarrer machte, so der Programmleiter des Literaturhauses Köln, Thomas Böhm, „die Antoniterkirche zu einem der aufregendsten kulturellen Orte Köln“. In der Kirche gab es erinnerungsträchtige Lesungen etwa von Rainald Goetz und Thomas Kapielski. Sein Ausscheiden 2001 hinterließ eine große Lücke. Erst nach über zwei Jahren und bundesweiten Ausschreibungen fand man 2004 mit Pfarrer Dr. Bertold Höcker einen Nachfolger als Citykirchenpfarrer.

Und was macht Kurt-Werner Pick jetzt?
Er wird gerade Doktor der Theologie. Seine Arbeit schreibt er allerdings nicht in Deutschland, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika am „Wesley Theological Seminary“ in Washington DC. Aufgrund der dortigen Prüfungsregularien muss er seine Arbeit vor der Öffentlichkeit bei einer öffentlichen Präsentation verteidigen. Eben dies tat er jetzt im Literaturhaus Köln, so dass das interessierte Publikum nicht nur einen theologisch-literarischen Vortrag, vornehmlich über Philip Roth, hörte, sondern auch Teil einer Doktorprüfung wurde. Die Fragerunde, eingeleitet und moderiert von Thomas Böhm, wurde aufgezeichnet, um in Transkription gemeinsam mit Pick in die USA zurück zu reisen. In Washington wird er dann am 12. Mai voraussichtlich mit seinem Plädoyer für eine Dialogische Theologie zum Doktor der Theologie graduieren.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer