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Was bringt das neue „KiBiz“? Bessert sich die Lage für behinderte Kinder? Seit 1. August ist in NRW das neue Kinderbildungsgesetz in Kraft, viele Fragen bleiben offen

Lange hat es gedauert, bis in Nordrhein-Westfalen nach langem, heftigen Ringen das neue Kinderbildungsgesetz, vielerorts eher niedlich „KiBiz“ genannt, verabschiedet wurde. Seit 1. August 2008 ist es nun in Kraft – und verrät in seinem Originaltitel schon viel über seine Intention und innere Ausrichtung: „Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz – KiBiz) – Viertes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – SGB VIII“ so heißt das Dokument in der Originalvorlage des NRW-Landtags, einzusehen hier. Was ändert sich, wie sind die Erwartungen, vor allem im Hinblick auf Zukunft und Aufgabenstellung in evangelischen Kindertageseinrichtungen? Noch ist keine Einigkeit festzustellen.

Alle Proteste halfen nichts
Schon vor über einem Jahr hatten drei drei evangelische Erzieherinnen aus Köln und Region einen Stein ins Rollen gebracht, der bald in ganz Nordrhein-Westfalen heftige Wellen schlug: „Wir wollen das Kinderbildungsgesetz so nicht“, hatten sie klar gemacht. Schon nach der ersten Lesung im Düsseldorfer Landtag wurden sie aktiv, denn: „Das als ‚modernstes Kindergartengesetz in der Bundesrepublik‘ angekündigte Kinderbildungsgesetz ist ein Kürzungsgesetz“, kritisierten sie – und riefen zu öffentlichen Protesten auf. Wie zu erwarten, sprang der Funke über, im September 2007 folgten mehr als 1.000 Demonstranten dem Aufruf des Evangelischen Kirchenverbands und des Diakonischen Werkes Köln und Region und protestierten gegen das geplante Gesetz. Mittlerweile wurde das KiBiz zwar stellenweise überarbeitet – aber gerade in den Hauptkritikpunkten scheinen die einstigen Kritiker noch immer Recht zu behalten: Finanzielle Unterversorgung sowie personelle, finanzielle und inhaltlich/pädagogische Planungsunsicherheit wurden unter anderem von Anfang bei Realisierung des neuen Gesetzes vermutet.

„Mehr Flexibilität für die Eltern bei der Vereinbarung von Familie und Beruf“?
Der epd-west fragte bei Landespolitker/innen nach und stellte fest: „Während die Landesregierung aus CDU und FDP einen guten Start erwartet, befürchten Kritiker aus der Praxis eine Unterfinanzierung. Als ‚vollen Erfolg‘ bezeichnete Familienminister Armin Laschet (CDU) das neue Gesetz“, hat der epd berichtet. Für Laschet stelle das Gesetz „Bildung und Förderung der Kinder in den Mittelpunkt“ und schaffe „mehr Flexibilität für die Eltern bei der Vereinbarung von Familie und Beruf“. Die neue Flexibiltät zeigt sich am deutlichsten daran, dass Länge und Angebot der Betreuungszeiten für die Kinder künftig am unterschiedlichen Bedarf der Familien festgemacht werden sollen. Die Eltern müssen sich entscheiden: wollen sie eine Betreuungszeit von 25, 35 oder 45 Wochenstunden? Allein daran zeigt sich das Dilemma für die Betreiber von Kindertageseinrichtungen: „Unsicherheit“ und „schlechtere Rahmenbedingungen“ hatten Kita-Profis, beispielsweise vom Diakonischen Werk Köln und Region, schon vor Monaten prognostiziert (nachzulesen hier). Denn eine strukturelle Planungsunsicherheit zieht ja noch ganz andere Fragestellungen nach sich – so werden beispielsweise Berufsanfängerinnen eben wegen der Planungsunsicherheit durch die flexibleren Betreuungszeiten nur befristet eingestellt.

NRW 2008: 540.000 Kinder in 9.700 Kindergärten betreut
Das sehen jene Politiker, die hinter dem Gesetz stehen, natürlich völlig anders: Dass deutlich mehr Kinder angemeldet und häufiger lange Betreuungszeiten gewählt wurden, wertete Laschet als „Vertrauensbeweis der Eltern“, so der epd weiter. Dafür muss der Finanzminister nun tiefer in die Tasche greifen als geplant. Rund 50 Millionen Euro Mehrausgaben erwartet das Familienministerium alleine für dieses Jahr. Ab 1. August werden 540.000 Kinder in den 9.700 Kindergärten betreut, rund 20.000 mehr als im letzten Kindergartenjahr. Massiv ausgebaut wird das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Für sie wird es nach Angaben des Ministeriums insgesamt 44.600 Betreuungsplätze geben. Bis zum Jahr 2010 sollen nach den Plänen der CDU/FDP-Regierung sogar rund 70.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren entstehen. Auch mehr Arbeitsplätze verspricht Laschet: Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Betreuungsplätzen rechnet er mit 7.400 neuen Vollzeitstellen bis 2010.

Und wer soll das bezahlen?
Die Kritiker sehen trotz Nachbesserungen an dem neuen Kinderbildungsgesetz Probleme bei der Finanzierung. Das KiBiz sei „schlecht gemacht“ und die finanziellen Folgen seien „eine Katastrophe“, meinte etwa Sibrand Foerster, Dezernent beim Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Die Kommunen müssen es bezahlen oder wälzen es auf die Eltern ab“, kritisierte Foerster, der auch Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss ist. Nach seiner Einschätzung ist das KiBiz „absolut unterfinanziert“ und von einer finanziellen Entlastung der Eltern könne nicht gesprochen werden.

Für behinderte Kinder will Laschet zusätzliche Gelder bereitstellen
Demgegenüber darf man über die politische Haltung zum neuen Gesetz dann doch ein wenig erstaunt sein, wenn man liest, was auf den Seiten der EKiR/epd-Meldung unter dem Datum vom 29. Juli 2008 stand: „Armin Laschet und die Behindertenbeauftragte Angelika Gemkow (beide CDU) weisen auf Verbesserungen für die Belange behinderter Kinder durch das künftige Kinderbetreuungsgesetz hin. Das am 1. August in Kraft tretende NRW-Kinderbildungsgesetz erhöhe die finanzielle Förderung von betroffenen Kindern, erklärten beide. Tageseinrichtungen erhielten für jedes behinderte Kind eine jährlich erhöhte Pauschale in Höhe von knapp 14.789 Euro. Durch diese Pauschale sei sichergestellt, dass nicht nur die Grundkosten, sondern auch die Kosten für zusätzliche pädagogische Angebote und Hilfen erstattet würden, erklärten Laschet und Gemkow. Damit verstärke KiBiz das Integrationsangebot und trage dazu bei, dass noch mehr Einrichtungen behinderte Kinder aufnehmen. Die übrigen Ansprüche aus der Sozialgesetzgebung wie Sozialhilfe, Eingliederungshilfe oder Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse blieben bestehen. Den Angaben nach leben etwa 7.200 schwer behinderte Kinder im Alter von null bis sechs Jahren in NRW.

Es wird wohl schon stimmen, was Kita-Fachberaterin Petra Beitzel vom Diakonischen Werk Köln und Region schon im Juni 2008 öffentlich sagt: Insgesamt sei die Zukunft mit KiBiz schwierig einzuschätzen, weil vieles noch nicht feststehe.

Kleiner Überblick
Was ist neu, was alt? Was ändert sich beim Übergang vom Gesetz für Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) zu dem neuen Kinderbildungsgesetz (KiBitz)?
Eine Übersicht über alle Punkte finden Sie hier.

Text: AL/diverse Quellen
Foto(s): Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration