Ganz kurzfristig hatten die beymeister Werbung für ihre Aktion „freikunst“ gemacht. Die „Meditation für Köln-Mülheim“ führte schließlich, selbst für die Organisatoren unerwartet viele, Menschen, Musik, Kunst und Gott zusammen. Die Menschen aus dem Veedel standen in gutem Abstand in Kreidekreisen, sie wanderten in Muße durch die Straßen zu den Stationen, stellten sich Fragen anhand der Impulse auf dem Flyer und schufen selbst Kunst mit Kreidestrichen. Letztlich erfreuten sich so viele Mülheimer an der Aktion, dass die Künstler immer gleich mehrere kurze Konzerte geben mussten. In Kontakt kommen, den Künstlern in Corona-beschränkten Zeiten Raum geben, Kirche in Neuem suchen und im Alltag finden: Das steckte als Idee hinter der Aktion der beymeister. Und es ist wahrlich nicht die einzige Idee, die die beymeister in den vergangenen fünf Jahren für ihr Veedel entwickelt haben. So gab es in den vergangenen Wochen „Essen to go“ im großen Weckglas, weil nicht mehr gemeinsam gegessen werden konnte, und es gab die Chaoskirche für die Kids, mit spannenden Stationen im Stadtteil.
Pfarrer Sebastian Baer-Henney und Gemeindepädagogin Miriam Hoffmann sind zwei der Motoren eines vierköpfigen Teams und einer Gruppe ehrenamtlicher Akteure, die Kirche anders denken wollen. Im beymeister Laden, einer ehemaligen Schneiderei nahe der Friedenskirche, bei Kaffee und Limonade sitzend, berichten sie davon, was sie motiviert. So sagt Miriam Hoffmann. „Wir suchen Formen, Gottesdienst mit Menschen zu feiern, die selbst auf der Suche sind, die ihre Spiritualität ausdrücken möchten und sich fragen, wie sich das in Sprache fassen lässt. Dabei sind auch Menschen, die die traditionellen Formen – aus welchen Gründen auch immer – nicht leben können oder wollen.“ Ihre Konzepte entwickeln die beymeister darum folgerichtig für die Menschen, die zu ihnen kommen – nicht umgekehrt.
Ausprobieren und manchmal auch alles wieder über den Haufen werfen, wenn es eben nicht zu den Menschen passt, gehört dazu. Miriam Hoffmann lacht, als sie sagt, dass man bei den beymeistern auch gerne mal aus der Komfortzone herausgeholt wird: „Die Menschen hier im Stadtteil sind so vielfältig, dass wir unsere Ansätze, sie zu erreichen, immer wieder neu überdenken müssen. Wir verworfen, ein neues erarbeitet.“
Diese Flexibilität und das Suchen nach dem richtigen Ansatz passt gut in das Konzept der „Erprobungsräume“, mit dem die Evangelische Kirche im Rheinland auf Beschluss der Landessynode seit diesem Jahr zehn Projekte fördert. Die beymeister sind auch deshalb dabei, weil sie sich im Stadtteil auf innovativen Wegen vernetzen, weil sie neue Wege suchen, Kirche zu gestalten und kreative Ideen entwickeln, um die unterschiedlichsten Menschen in einem sich ständig wandelnden Stadtteil zu erreichen. Die beymeister sind zwar angedockt an die evangelische Gemeinde Mülheim in der Sebastian Baer-Henney Pfarrer ist, agieren aber dennoch völlig eigenständig.
„Andocken“ ist ein Wort, das auch im Gespräch fällt. So sagt Sebastian Baer-Henney, dass absolut jeder, der möchte, sich an die spirituelle Gemeinschaft der beymeister andocken könne: „Es ist ganz klar: Wir sind Kirche. Doch was die Menschen letztlich glauben, kann ich natürlich nicht beeinflussen. Ich möchte mein Gegenüber ja auch gar nicht ändern. Aber wir können dabei unterstützen, Gott im Leben des Einzelnen wirken zu sehen.“
Eine Frage ist ganz zentral für die beymeister: „Was braucht ihr?“ „Mit starren Ritualen und Angeboten wird Kirche heute nicht mehr funktionieren“, ist Sebastian Baer-Henney überzeugt. Den Menschen in ihrem Lebenskontext helfen. Da sein, wenn Zeiten, so wie in den vergangenen Monaten, mühselig und beladen von Sorgen sind – das sind die Anliegen der beymeister, deren Konzept so gut ankommt, dass sie in Zeiten außerhalb der Corona-Pandemie gefragte Vortragsredner sind. Diese Vorträge sind ein Teil der Finanzierung des Projekts. Eines Angebots, das, wie viele Mülheimer sagen, immer relevanter für den Stadtteil geworden ist, denn die sind überzeugt: „Die beymeister sind wichtig für das, was hier passiert!“.
https://beymeister.wordpress.com
Foto(s): Matthias Pohl