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Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“: Eröffnungsgottesdienst in der Kartäuserkirche

Im Chorraum der Kartäuserkirche in der Kölner Südstadt hängen großformatige Fotoporträts von Klaus G. Kohn, in der benachbarten Kapelle von Julia Krahn angefertigte Fotografien von Menschen mit Behinderungen. Die beeindruckenden Lichtbilder sind Bestandteil der erstmals 2018 präsentierten Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“. Diese gastiert bis einschließlich 19. August in der Diakonie Michaelshoven, im Haus der Evangelischen Kirche, im Vringstreff, in der Antoniterkirche, in der Lutherkirche (ab 5.8.) und eben in der Kartäuserkirche. Dort wurde das Kooperationsprojekt mit einem Gottesdienst offiziell eröffnet. Einem Gottesdienst, „in dem Kunst im Vordergrund steht“, begrüßte Pfarrer Mathias Bonhoeffer.

In dessen Verlauf wurde immer wieder auf die inspirierende Wirkung von Kunst und deren Betrachtung Bezug genommen. Auch gebetet dafür, dass alle Menschen frei und selbstbestimmt leben können. Dass wir eigene Vorurteile überwinden und unsere engen Grenzen sich weiten. Nicht unbeschwert seien wir mit unseren Nöten und Ängsten, aber es gebe ebenso Freuden und Hoffnungen, stellte Superintendentin Susanne Beuth im Kyriegebet fest. „Wir brauchen deinen Geist, deine Perspektive, um mit deinen Augen auf die Welt zu blicken“, sprach sie zu Gott. „Lass die Bilder, denen wir heute begegnen, uns die Augen öffnen.“ Für eine intensive, mitreißende wie besinnliche musikalische Gestaltung sorgten Kantor Thomas Frerichs und die Blockflötistin Professorin Annette von Alemann.

Freude an Kunst

Im Gespräch mit Andreas Pitz, der die Ausstellung im Auftrag der Diakonie Deutschland innerhalb der bundesweiten Kampagne „Demokratie leben“ erarbeitet hat, fragte Bonhoeffer: „Weshalb machen Sie das?“ „Weil ich ungeheuer viel Freude an Kunst habe“, erwiderte der Kurator. Hier in Köln bespiele die Schau viele unterschiedliche Orte. Und aus seiner Sicht sei die Herausforderung gemeistert worden, ihnen jeweils angemessene Werke zuzuordnen. Das treffe sowohl für die Erzengel-Michael-Kirche in Michaelshoven, als auch den Vringstreff zu, wo Gäste hoffnungsvoll gefragt hätten, ob die Fotoserien „für immer“ hängen blieben. Auch die von Menschen mit schwersten Behinderungen zunächst in Ton modellierten und von anderer Hand in Bronze gegossenen ausdrucksstarken Köpfe seien in der Antoniterkirche sehr gut aufgehoben. Sie könnten sogar mit Ernst Barlachs „Schwebendem“ mithalten, versicherte Pitz. „Überzeugen Sie sich.“

Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Bonhoeffer erkundigte sich, was Diakonie mit Ausgrenzung zu tun habe und wieso Kunst Ausgrenzung trotze. Er, so Pitz, sei von Haus aus Sozialarbeiter und viele Jahre in der Evangelischen Obdachlosenhilfe in Mainz tätig gewesen. Seine erste von ihm kuratierte Ausstellung habe er „Kunst trotzt Armut“ betitelt. Die Ausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ setze ein deutliches Zeichen insbesondere gegen den aufkeimenden Rechtsradikalismus, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Es gehe darum, etwa Menschen mit Behinderungen, demente, kranke, wohnungslose Menschen, Flüchtlinge und andere Benachteiligte in die Gesellschaft zurück- und hinein zu holen – auf Augenhöhe. Aber diese selbstverständliche Aufgabe werde von Rechtsextremen und Rechtspopulisten massiv in Frage gestellt. „Deshalb dieser Titel.“

„Jeder Mensch ist ein Unikat“

In den Gottesdienst war ein kurzer Rundgang der gut vierzig Besucher und Besucherinnen zu den Fotoarbeiten integriert. Einige der schriftlich erbetenen knappen Kommentare zum Gesehenen wurden von Pastorin Verena Miehe aus Michaelshoven und Martina Schönhals von der Diakonie Köln vorgetragen: „Gott, ich sehe anders aus, will mich nicht anpassen.“ „Bist du Fußball-Fan, lieber Gott, und wenn ja, von welchem Verein?“ „Akzeptiert uns, respektiert uns, so wie wir sind.“ „Jeder Mensch ist ein Unikat.“ „Gib uns Trost.“ „Ich habe Angst davor, meine Freunde an Suchtkrankheiten sterben zu sehen. Hilf.“ „Akzeptanz.“ „Vielfalt.“ „Ich freue mich, dass du mich so gemacht hast, wie ich bin. Es wäre schön, wenn das die anderen auch sagen könnten.“

Auf die Lesung des dritten Kapitels des Buches Jona, in dem dieser von Gott zum zweiten Mal aufgefordert wird, nach Ninive zu gehen und den boshaften Einwohnenden vom bevorstehenden Untergang der großen Stadt zu predigen, folgte ein weiterer Dialog zwischen Beuth und Bonhoeffer. Jona habe ziemlich klare Bilder von dem gehabt, „wie es in Ninive ist“, so Beuth. „Er hat klare Vorstellungen, wie das aussieht und was da passieren soll. Und er war relativ erstaunt über das, was dann geschah“, sagte Bonhoeffer. Denn die Leute in Ninive seien umgekehrt von ihrem bösen Weg. Und Gott habe ihnen nicht das angekündigte Übel angetan, sie nicht gestraft. Dies habe Jona dann nachträglich übel genommen. „Er fand es gar nicht schön, dass die Menschen umgekehrt sind und Gott abgelassen hat von seinem Tun“, erklärte Bonhoeffer. „An Umkehr war für ihn gar nicht zu denken.“

Neue Perspektiven

Jona sei nachher ziemlich beleidigt gewesen, meinte Beuth. „So sind wir ja manchmal. Wir haben Bilder von dem, was richtig wäre, und ärgern uns, wenn es nicht klappt.“ Und wir hätten schon bei den Fotografien vor uns gemerkt, dass hier an vielen Stellen unser Menschenbild, unser Blick auf Menschen nochmal in eine andere Richtung gelenkt werde. Es gehe um die Frage, ob wir neue Perspektiven entwickeln könnten. Das sei wichtig, um weiter zu gehen auf dem Weg hin zu einer Gesellschaft, die wirklich inklusiv sei. Diese Ausstellung könne uns auch verändern, appellierte Beuth, sich auf die zu uns gereisten Werke offen einzulassen. Wir sollten die Jona-Haltung vermeiden, in der man schon vorher zu wissen glaube, „wie es läuft“.

Die Präsentation dieser Werke als gemeinsames Projekt der Diakonie Michaelshoven und des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region habe es in sich, betonte auch Miehe. Sie berühre, rege an und lade zum Austausch ein. Das habe sie bei der Eröffnung in der Kirche im Diakoniedorf Michaelshoven erlebt. Ausgrenzung sei ein Thema in der Gesellschaft, ein Thema auch für Kirche und Diakonie. Es zeige sich, dass sich das wunderbar verbinden lasse. Jona habe bestimmte Bilder von Menschen und von Gott im Kopf gehabt. Heute habe Diakonie bestimmte Bilder von Kirche im Kopf und Kirche bestimmte Bilder von Diakonie. Auch diese Ausstellung eröffne eine Chance auf eine gemeinsame Arbeit. Sie biete eine Gelegenheit, aufeinander zuzugehen, miteinander zu diskutierten und voneinander zu lernen, so Miehe. Herzlich lud sie ein, nach Michaelshoven zu kommen, das Dorf und die Teilpräsentationen zu besuchen und sich zum Austausch anregen zu lassen.

Ausstellungsorte und Öffnungszeiten:

Die Ausstellung läuft bis einschließlich 19. August. Ausstellungsorte, Öffnungszeiten und weitere Infos finden sich im Programmheft: https://www.diakonie-michaelshoven.de/fileadmin/default/downloads/ueber-uns/programmheft-ausstellung-kunst-trotzt-ausgrenzung.pdf. Die Öffnungszeiten der Antoniterkirche (Schildergasse 57) sind montags bis freitags von 11 bis 18 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr und sonntags von 11 Uhr bis 17.30 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich