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„Von Schwarz bis Weiß und weiter“ – Ausstellung und musikalische Uraufführung im Turm der Lutherkirche

Malerei in Musik umzusetzen und umgekehrt, Klang und Bildende Kunst einander bedingen zu lassen – diese Vorstellung ist nicht neu. Insbesondere seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts haben sich immer wieder Maler von Musik inspirieren lassen, haben Komponisten sich an Bildern, an Formen und Farben orientiert. Mit einem besonderen Beitrag zu diesem fesselnden Thema wartet nun eine Ausstellung im Turm der evangelischen Lutherkirche in der Kölner Südstadt auf. „Von Schwarz bis Weiß und weiter“ lautet ihr Titel. Sie vereint Malerei wie Zeichnungen von Reinhard Wittkowski und Kompositionen von Norbert Jorzik.


Die „grauen Zeiten“
Im ebenerdigen Turmgeschoss empfängt die Besuchenden das großformatige Bild  „in situ nascendi“ (2005). Zwei mal vier Meter misst das innerhalb des Zyklus „Graue Zeiten“ entstandene Gemälde. Grau ist denn auch die dominierende Farbe. Als Grundierung tritt sie in unterschiedlichen Schattierungen auf, zeigt sich mal dunkler, mal heller, flächig-deckend, wolkig-aufgelockert oder in Schlieren. In diesem unbestimmten, offenbar verschieden „tiefen“ Bildraum befinden sich in Schwarz und Weiß ausgeführte Bestandteile. Sie wirken seltsam vertraut. Eine eindeutige Benennung muss jedoch misslingen. Da helfen nur Annäherungsversuche, beispielsweise über die Naturwissenschaften. Denn die Erscheinungen mit ihren Haupt- und Nebensträngen und weiteren, noch dünneren Verästelungen erinnern an organische Formen – etwa an Nervenzellen und ihre Verbindungen.

Der Maler und der Komponist
„In situ nascendi“ ist zugleich der Titel für den ersten Teil des „Synart“-Projekts von Reinhard Wittkowski (Jahrgang 1948) und Norbert Jorzik (Jahrgang 1961). Kennengelernt haben sich der aus Essen stammende und seit 1971 in Köln ansässige Maler und der in Köln geborene Komponist 2004. Dies war anlässlich einer Ausstellung mit Bildern von Wittkowski, die dem heute im oberbergischen Hesel lebenden Musiker auf Anhieb gefielen. „Wir haben zusammen gesessen und gequatscht, dabei auch Parallelen in unserer künstlerischen Arbeit entdeckt“, erinnert Jorzik. „Wir sind beide Grenzgänger, die sich immer schon im Metier des anderen aktiv betätigt haben“, ergänzt Wittkowski. Der Entschluss, gemeinsam etwas zu machen, war rasch gefasst. Naheliegend geht es ihnen dabei um die Verbindung ihrer Musik und Malerei, um deren synergetische Kombination. „Die beide Disziplinen bedingen sich wechselseitig und illustrieren ein und dasselbe Sujet im Spiel mit akustischen und optischen Phänomenen“, erklärt Wittkowski. „Sie vermitteln neue Sinneseindrücke und Erfahrungswelten.“ Nun treten die Künstler mit dem ersten Ergebnis ihres kurz „Synart“ genannten Projekts – „Bilder entstehen aus Tönen, Töne aus Bildern“ -an die Öffentlichkeit.

Die Uraufführung
Dieses zur Vernissage uraufgeführte und während der Öffnungszeiten in einer Endlosschleife laufende Ton-Bild-Dokument (DVD, Laufzeit 35 Minuten) präsentiert im dritten Stockwerk die musikalische Reaktion von Jorzik auf Werke von Wittkowski. Bei diesen Bildern handelt es sich unter anderem um weitere, mittelformatige bis wesentlich kleinere Zeichnungen aus der „Graue Zeiten“-Reihe, die auf den ersten beiden Etagen gehängt sind. Sie ähneln in Aufbau und Motiv dem sphärischen Großformat. Geradezu filigran wirken die von 1 bis 10 numerierten Arbeiten „pars pro toto“ (2005/06, jeweils 9,5 x 9,5 cm). In den jüngsten Blättern „pars pro toto“ I und II (2006) scheint aus den sonst von Weiß und Schwarz bestimmten organischen Formen und den grauen, luftigen „Knäueln“ sogar wieder ein bisschen Farbe hervor.

Die Tondichtungen und die optischen Vorlagen
Noch bevor der eigentliche Projektionsraum erreicht ist, sind bereits Jorziks Kompositionen zu vernehmen. Abgeschwächt dringen sie beim Betrachten der Originale ans Ohr und stimmen auf die DVD ein. Für diese hat Wittkowski einige seiner Werke abfotografiert, digitalisiert und computertechnisch bearbeitet. Seine Zusammenstellung gleicht nicht einer Abfolge von Standbildern. Vielmehr ähnelt sie einer lebendigen Struktur, in der zunächst Details fokussiert und diese Ausschnitte langsam zugunsten größerer Flächen zurückgefahren werden. Dazu erklingen Jorziks Tondichtungen. Sie schaffen einen einnehmenden, einfühlsamen Klangraum mit akustischer und elektronischer Musik: punktuell, sphärisch, sprechend, mit solistischen wie orchestralen, mit ausführlichen wie gerafften Passagen, stets orientiert an der optischen Vorlage. „Wittkowskis Art von Kunst inspiriert“, sagt Jorzik. „Sie lässt relativ viel Freiraum. Seine Motive kommen uns bekannt vor, wir können sie aber nicht genau einordnen.“ Der Komponist hat sich in diese Arbeiten vertieft, hat spontan reagiert oder die Eindrücke sich setzen lassen. Es sei ein längerer, spannender Prozess des immer wieder Sehens und Hörens gewesen, erläutert er.

Die „graue Phase“ ist vorüber
Versehen mit den optischen und akustischen Eindrücken, gelangt man schließlich in den obersten Turmraum. Dort hat Wittkowski fünf ältere Arbeiten platziert. Die großformatigen Mischtechniken auf Leinwand und Karton stammen aus den Jahren 1988 und 1989. Es sind überwiegend sehr farbige Arbeiten, in denen etwa floral anmutende Elemente zumindest ansatzweise die organischen Gebilde in späteren Werken vorwegzunehmen scheinen. Dass sich Wittkowski nach einer „grauen Phase“ nun allmählich wieder der Farbe zuwendet, belegt sein jüngste Bild, in dem eindeutig Blau den Ton angibt.

Die Öffnungszeiten
Die Ausstellung im Turm der Lutherkirche in der Südstadt, Martin-Luther-Platz, ist geöffnet bis einschließlich 10. September: Donnerstag bis Samstag von 16 bis 19 Uhr, Sonntag von 11 bis 14 Uhr, 12.30 Uhr Finissage mit Musik von „Instinkt One“.

        

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich