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Von Abseitsregeln und Charakterstärke: Theologen machten sich während der lit.Cologne in der Kulturkirche Gedanken über Fußball

„11 Einwürfe“ in die gedankliche Tiefe des Raumes, zwei, drei verbale Übersteiger, und dann die Pointe locker verwandeln. Doch nicht erst seit Trainergott Sepp Herberger wis-sen wir Fußballjünger: Knapp vorbei ist auch daneben. Elf Theologen haben sich aufgemacht, ein Buch über Fußball zu schreiben. „11 Einwürfe“ heißt das Werk, das in den vergangenen Tagen anlässlich der Fußball-WM erschienen ist und in elf Kapiteln die wichtigste Nebensache der Welt tiefschürfend theologisch analysiert. Sieben der elf Autoren saßen nun in der Kulturkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Nippes auf dem Podium, um im Rahmen der lit.Cologne ihr „Fußballbekenntnis“ abzulegen. Gastgeber Thomas Diederichs, Pfarrer der evangelischen Lutherkirche, gab sich zu Beginn als Ballsportlaie zu erkennen, merkte aber an, dass die Kulturkirche nun schon zum vierten Mal fester Bestandteil für zahlreiche Veranstaltungen der lit.Cologne war.


Michael Vesper: sehr gut vorbereitet und gelaunt
Moderator Michael Vesper, Landtagsvizepräsident der Grünen, präsentierte sich sehr gut vorbereitet und gelaunt. Er erinnerte sich an seinen ersten Auftritt bei der lit.Cologne vor fünf Jahren. Damals war er bei einer Lesung aus Franz Beckenbauers Buch „Wie es wirklich war“ dabei: „Nicht in einer Kirche“, so der ehemals stellvertretende NRW-Ministerpräsident und FC-Fan, „aber in einem kirchenähnlichen Raum: Im Geißbockheim des 1. FC Köln.“

Große Unterschiede in den Arenen von einst und heute
Professor Andreas Merkt, der in Regensburg einen Lehrstuhl für Historische Theologie innehat, hat das Buch herausgegeben. Als Experte für das frühe Christentum kennt er sich natürlich bestens aus mit Arenen. Heute heißen sie „Arena auf Schalke“ oder „AOL-Arena“, früher beispielsweise Colosseum. Und auch die Blutströme, die dort geflossen sein sollen, waren sicher kolossal. Allein „bei der Eröffnung des Colosseums hätten 2000 Menschen ihr Leben gelassen“, so Merkt. Erhebliche Unterschiede hat er auch festgestellt, was die Besetzung der Tierrollen in den Arena-Spektakeln angeht. Waren es früher Bären und Löwen, die ihr grausames Handwerk unter dem Jubel der Massen verrichteten, träten heute vergleichsweise harmlose Vertreter der Tierzunft wie Geißböcke oder das WM-Maskottchen Goleo auf. Da bliebe als furchteinflößendes Ungeheuer nur noch Olli Kahn. Und ob der Fußball in den Arenen human bleibe, so Merkt, hänge davon ab, ob zivilisatorischen Errungenschaften weiterhin Rechnung getragen werde. So weit, so witzig.

Über den Ausgleich zwischen Glück und Pech
Dann kam Herbert Schlögel, Professor für Moraltheologie in Regensburg und theologi-scher Experte für das Schiedsrichterwesen an die Reihe. Seine Erkenntnisse lassen sich in dem Satz zusammenfassen „Der Ausgleich zwischen Glück und Pech in einer Saison kommt automatisch zustande.“ „Das gilt aber nicht für Bayern München und den FC Köln“, warf Vesper unter dem Gelächter der Zuhörerschaft ein und verwies auf die wegweisende Erkenntnis von Uwe Seeler: „Das Geheimnis des Fußballs ist der Ball.“

Die Magie der Zahlen im Fußball
Jürgen Werlitz, Theologieprofessor aus Augsburg, beschäftigte sich mit der Magie der Zahlen im Fußball. Da gebe es Rückennummern wie die Fünf, die unweigerlich an Franz Beckenbauer erinnere, oder die Zehn, die untrennbar mit den großen Spielmachern wie Zico, Maradonna oder Zinedine Zidane verbunden sei. Und dann gebe es noch die be-rühmten Spielsysteme wie etwa das 2-3-5-System, die legendäre „Schottische Furche“

Von Abseitsregeln und Charakterstärke
Die Aufmerksamkeit des Publikums, bislang schon arg strapaziert, wurde danach erst wirklich auf die Probe gestellt. Sabine Dehmel, Professorin für Kirchenrecht in Regensburg, erklärte dem vorwiegend männlichen Auditorium ihr Faible für die Abseitsregel. Um es vorwegzunehmen: Das Publikum bestand die Probe nicht. Aussagen wie „Die Abseitsregel ist ein Lebenselixier, sorgt für Spannung und den Ausgleich zwischen Kampf und Strategie“, ließen manchen unverhohlen in die hohle Hand gähnen.
Putzmunter waren jedoch alle wieder bei den Schlussworten von Vesper: „Man kann immer nur Fan einer einzigen Mannschaft sein. Besonders in schwierigen Situationen. Das formt den Charakter. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man sich als Fan von Bayern München zu einer gereiften Persönlichkeit entwickeln kann.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann