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Vom Schenken: Die Weihnachtspredigt des Stadtsuperintendenten 2010

Liebe Gemeinde!

Wie feiern Sie eigentlich Weihnachten? Wie läuft das bei Ihnen ab? Gibt es Heiligabend ein festliches Menü, oder eher was Einfaches, Schnelles? Wird erst gegessen, und dann folgt die Bescherung? Oder machen Sie’s umgekehrt? Feiern Sie in großer Runde, oder werden Freunde und Verwandte reihum besucht in den nächsten Tagen?

Wenn man sich mit Menschen über Weihnachten unterhält, findet man eine erstaunliche Bandbreite an Möglichkeiten. Manche sehen es eher locker und feiern mal so, mal so. Bei anderen gibt es feste Traditionen und Abläufe – bis dahin, dass der Vater die Gans anschneidet und niemand sonst. Bei uns zu Hause war das so etwas wie ein heiliger Akt den mein Vater irgendwie zelebriert hat. Viele besuchen, wie Sie, an Heiligabend einen Gottesdienst, andere entscheiden über den Kirchgang nach Lust, Laune oder dem Wetter.

Doch egal, wen man fragt, eines gehört zum Fest immer dazu, und das sind die Geschenke. Für Kinder und Jugendliche sind die Päckchen und Pakete unterm Weihnachtsbaum natürlich besonders wichtig, aber auch für die Erwachsenen spielt das Schenken zu Weihachten eine große Rolle. Wer sich in den vergangenen Tagen in der Schildergasse einen Weg durch die konsumwilligen Menschenmassen bahnen musste, konnte sich einen Eindruck davon machen: Weihnachten, das können wir, glaube ich, festhalten, ist einfach ein Geschenke-Fest.

Und wenn das nicht so wäre: Herr Brüderle, unser Wirtschaftsminister, hätte dieser Tage nicht erfreut feststellen können, dass zu Weihnachten auch die Konjunktur eine reich beschenkte ist. Dass die Verbraucher in Kauf- und Schenklaune bleiben, „das beschert dem Aufschwung pünktlich zu Weihnachten einen warmen Wintermantel.“. meinte der Bundeswirtschaftsminister.

So sind alle zufrieden!? Warten wir es ab!

Andererseits scheint das mit dem Schenken eine durchaus komplizierte Angelegenheit zu sein. Man kann da ziemlich viel falsch machen! Der Konjunktur ist das egal, solange sie davon profitiert; die ist da nicht wählerisch, aber unseren Nächsten, Freunde und Liebsten!?


Es fängt schon damit an, überhaupt etwas Passendes zu finden. Schließlich soll der Beschenkte ja Freude daran haben. Und wer eine weitläufige Verwandtschaft hat, kommt da schon mal in Schwitzen. Aber auch der Preis, der Wert des Geschenks muss stimmen. Zu teuer ist schlecht, das wirkt leicht protzig. Zu billig geht aber auch nicht, dann steht man als Geizhals da.

Bestimmte Geschenke scheinen geradezu verboten: über Socken etwa, oder über Krawatten, gibt es eine ganze Reihe Witze und Karikaturen. Ich persönlich kann das nicht verstehen; ich freue mich über jede schicke Krawatte und jeden warmen Socken.

Einigermaßen stressfrei funktioniert offenbar das „System Wunschzettel“. Da schreibt dann jeder möglichst genau auf, was er sich so vorstellt, und am besten auch noch, wo es das gibt. Und siehe da: an Heiligabend liegt das Gewünschte dann schön verpackt unterm Weihnachtsbaum und alle sind zufrieden.

Aber macht diese Art zu schenken auch Spaß? Vielleicht bin ich zu romantisch veranlagt, aber wenn sowieso jeder weiß, was er vom anderen zu erwarten hat, dann kann man sich das Ganze auch gleich sparen. Der Zauber des Schenkens, das Überraschende, das von Herzen kommende geht bei diesem „Schenken auf Bestellung“ jedenfalls verloren.

Besonders unschön finde ich auch das zweckgebundene Schenken. Da bekommt der Sohnemann die lang ersehnte Playstation überreicht – aber mit der ganz konkreten Auflage, bis zu den Sommerferien gefälligst seine Englischnote um zwei Punkte zu verbessern. Oder die Ehefrau wird mit einem Brillantring beglückt, als Ausgleich dafür, dass der Gatte jeden Abend bis 20 Uhr im Büro war.

Die Freude über solche Bestechungsversuche dürfte sich in Grenzen halten. Denn der Charakter des Schenkens ist ja gerade, dass es ohne Absicht geschieht, dass keine Gegenleistung erwartet wird. Wenn das Schenken als Tauschhandel daherkommt, wenn hinter einem Geschenk eine bestimmte Absicht steht, dann stimmt zwischen dem Schenkenden und dem Beschenkten etwas nicht.

Nun habe ich schon ein paar Minuten übers Schenken und über Geschenke geredet und dabei lauter Fallstricke und Fettnäpfchen aufgezählt. Und vielleicht haben sie sich währenddessen auch die Frage gestellt: Wenn es so furchtbar kompliziert ist, das Schenken, warum machen wir’s dann überhaupt? Warum schenkt man sich eigentlich an Weihnachten etwas oder glaubt, dies tun zu müssen? Ist es am Ende doch nur die Konjunktur, die wir am Laufen halten müssen, die Binnennachfrage stärken und damit vom Export unabhängiger werden? Das Lob des Bundeswirtschaftsministers ist uns dafür sicher.

Die Konjunktur anzukurbeln, ist kein Selbstzweck. Wer will schon, dass ein gutes Gefühl zur Ware wird? Der Hauptgrund für die Weihnachtsgeschenke – auch wenn man das dieser Tage anders annehmen könnte – liegt ganz woanders.

Hier in Köln fällt dem einen oder anderen vielleicht die Erzählung von den drei Weisen aus dem Morgenland ein – von den katholischen Schwestern und Brüdern die heiligen drei Könige genannt. Die sind nämlich, so berichtet es die Bibel, in der Heiligen Nacht mit Gold, Weihrauch und Myrrhe zur Krippe geeilt und waren damit die ersten, die an einem Weihnachtsfest Geschenke verteilt haben. Sie kommen, um damit dem neugeborenen König ihre Reverenz zu erweisen, ihm zu huldigen. Die Geschenke selbst sind ja nicht unbedingt kindesgemäß. Ihnen geht es um etwas anderes, um mehr.

Insofern wären wir, die wir uns heute Geschenke machen, allesamt Nachahmer dieser drei weisen Männer, auch wenn wir damit sicher niemandem Huldigungen entgegenbringen wollen; aber auch uns geht es dabei um mehr.

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten: Der Ursprung des Schenkens liegt im Weihnachtsgeschehen selber. Ich lese den Predigttext aus Johannesevangelium, Kapitel 3, die Verse 16 bis 21:

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.

18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.
19 Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.

20 Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden.

21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab – was der Evangelist Johannes hier beschreibt, ist doch nichts anderes als ein Geschenk, ein Geschenk Gottes an uns Menschen. „… der heut’ schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn“, heißt es in dem Weihnachtslied „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“. Da haben wir es also schwarz auf weiß: Jesus selbst, dieses Kind in der Krippe, das ist das erste Weihnachtsgeschenk.

Nun können wir uns sicher darauf einigen, dass dieses Geschenk ein recht ungewöhnliches ist. Und ein sehr großes, wertvolles Geschenk noch dazu. Gott gibt seinen eingeborenen Sohn, das heißt, er gibt einen Teil von sich selbst weg. Gott überlässt sich in Jesus den Menschen, er liefert sich aus, hier bin ich, ich will bei euch sein – weil ich euch liebe. Gott hat die Welt geliebt, und darum gab er seinen Sohn.

Die einzig angemessene Reaktion auf dieses große Geschenk wäre eigentlich Dankbarkeit und Gegenliebe. Doch irgendetwas ist da gehörig schief gegangen. Die Beschenkten wussten das Geschenk nicht zu würdigen. Von vielen wurde Jesus nicht weiter beachtet, von manchen verspottet, am Ende hat man ihn hingerichtet. Man hat, um im Bild zu bleiben, das Geschenk am Karfreitag achtlos weggeworfen.

Hat Gott sein Geschenk vielleicht falsch ausgewählt? Auf den Gedanken könnte man ja kommen. Ich würde sagen: nein. Gott konnte gar nicht anders, als seinen Sohn in die Welt zu schicken. Eben weil er diese Welt liebt. Und wer liebt, der rechnet nicht, der plant nicht, der will einfach nur, dass es dem anderen, dem Geliebten, gut ergeht. Egal was es kostet, egal was passiert. Wir Menschen waren und sind Gott so wichtig, dass er für uns das größte Geschenk auswählte, das es gibt: sich selbst, in Gestalt seines Sohnes.

Aber unser Predigttext geht ja noch weiter. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

Ich habe eben vom zweckgebundenen Schenken gesprochen, das ich nicht mag. Geschenke, die mit einer ganz bestimmten Absicht gemacht werden, sind, wie ich meine, eigentlich gar keine Geschenke. Wie aber ist das mit Jesus, dem eingeborenen Sohn? 17 „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde“, lesen wir im Predigttext.

Ist Gottes Sohn am Ende etwa auch so ein Bestechungsgeschenk, eine Art Tauschgeschäft? Ich gebe euch meinen Sohn, und wenn ihr brav an ihn glaubt, dann seid ihr schon gerettet und die ganze Welt gleich mit, mehr noch, dann schenke ich euch dafür das ewige Leben!?

Es liegt in unserem Denken, dass wir das so verstehen könnten. Unsere ganze Gesellschaft funktioniert ja, wenn man so will, nach dem Prinzip des Tauschhandels. Wir sind es gewohnt, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Es gibt nichts umsonst.

Aber Weihnachten ist anders. Gottes Geschenk setzt auf unserer Seite nichts voraus. Es gibt keine Bedingungen und kein Kleingedrucktes. Ganz klar sagt der Vers 17: Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Von einem Tauschgeschäft ist da nicht die Rede, Gott erwartet keine Gegenleistung, er will uns erretten, aus freien Stücken. Alles, was wir Menschen tun müssten, ist sein Geschenk anzunehmen. Wir müssten einfach nur den Mut haben, uns beschenken zu lassen. Nichts anderes meint hier das Wort glauben: Trau dich, nimm das Geschenk an, lass dich davon berühren.

Wer sich nicht traut und das Geschenk ablehnt, hat von Gott nichts zu befürchten. Aber er bestraft sich gewissermaßen selbst, weil ihm etwas Großartiges entgeht, weil er das Licht der Weihnacht nicht in sein Leben lässt. Sich selbst ins Dunkel setzen – darin besteht das Gericht, von dem der Predigttext spricht. Und im Dunkeln bleiben, das heißt: weiter mit menschlichen Maßstäben messen. Weiter versuchen, Macht anzuhäufen und Größe und Reichtum. So sind wir Menschen nun mal gestrickt. Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse, formuliert es der Predigttext, an dieser Stelle ganz unweihnachtlich. Aber, wir lernen daraus, auch das gehört dazu.

Gott ist anders. Er schickt seinen Sohn nicht mit einer Armee in die Welt, sondern als kleines, wehrloses Kind. Nicht in einem Palast wird Jesus geboren, sondern in einem Stall, in einer Baracke. Und seine Mutter bettet ihn nicht auf seidene Tücher, sondern legt ihn in eine Futterkrippe, weil sonst nichts anderes da ist. Von Macht, Größe, Reichtum keine Spur. Alles, was Gott aufbietet, ist ein kleines Kind, als Zeichen dafür, was ihm an der Beziehung zu den Menschen wirklich wichtig ist: Liebe. Nicht Prunk und Protz, Nicht Macht oder Geld, sondern freimütig verschenkte Liebe.

Wie gesagt: Man kann beim Schenken viel falsch machen, auch als Beschenkter. Deshalb wünsche ich Ihnen heute Abend nur eines: dass Sie alles richtig machen. Neben sicher vielen anderen Päckchen liegt da nämlich noch ein Geschenk für Sie bereit, das in all dem Weihnachtstrubel leicht übersehen wird. Tun Sie sich etwas Gutes, packen Sie es aus und nehmen Sie es an. Mehr müssen Sie nicht tun.

Amen.

Text: Pfarrer Rolf Domning
Foto(s): Diakonie Michaelshoven - danke!