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Volles Haus bei Luther-Kabarett in der Lechenicher Versöhnungskirche

Mehr als 250 Menschen aus Erftstadt und Umgebung drängen sich in den Kirchenbänken in der „Kirche der Versöhnung“ in Lechenich. Vorne verwandelt eine Stellwand aus dunklem Tuch den Altar in eine Bühne, angestrahlt in liturgischem Violett. Nur der obere Teil des Kreuzes blitzt noch hinter dem Tuch durch. Kirche und Kultur verschmelzen an diesem Abend. Man darf gespannt sein.

Sicherlich kein Zufall ist es, dass Konrad Beikircher sich mit seinem violetten Blazer der Bühnendekoration anpasst. „Alle Achtung, dass ihr die Beleuchtung des ‚normalen Glaubens’ so hingekriegt habt“, sagt er mit verschmitztem Seitenblick zu Pfarrerin Sabine Pankoke, der Gastgeberin des Abends. Doch die hatte in ihrer Begrüßungsansprache schon betont, dass die Veranstaltung zum Reformationsjubiläum vom ökumenischen Arbeitskreis organisiert wurde. Beikircher macht keinen Hehl daraus, dass er Katholik ist und damit Anhänger des „normalen Glaubens“ im Rheinland.

„Wie feiern wir im ‚normalen Glauben’?“
Gekonnt und mit viel Humor arbeitet der Wahl-Bonner in seinem Programm „500 Jahre falscher Glaube“ entscheidende Unterschiede zwischen Katholizismus und Protestantismus heraus. „Wie feiern wir im ‚normalen Glauben’?“ fragt er beispielsweise und spricht dabei den Protestanten den Sinn fürs Feiern ab. „Der Protestant feiert 500 Jahre Reformation. Schön! Aber wie? Alles eine Spur zu ernst, zu betroffen, nie einfach nur mit Spaß an der Freud’, evangelisch halt!“

„Wir können auch über uns selbst lachen“
Pfarrerin Sabine Pankoke hält schmunzelnd dagegen: „Wir können feiern, wir können auch über uns selbst lachen.“ Am Reformationstag, 31. Oktober, wird es in der Gemeinde nach dem Gottesdienst ein großes Fest mit Spanferkel und Lutherbier aus Wittenberg geben. Über die Veranstaltung mit Konrad Beikircher ist sie sehr froh, denn „wir wollen unserer Gemeinde Luther nicht nur mit trockenen Vorträgen näher bringen, sondern ganz lebendig und in guter Ökumene mit Veranstaltungen wie dieser.“ Überdies spielt die Ökumene in den Erftstädter Gemeinden eine große Rolle, nachdem im Jahr 2000 ein entsprechender Partnerschaftsvertrag besiegelt wurde. Der hängt übrigens am Eingang der Kirche und ist bis heute Grundlage für die Ökumenearbeit.

Ablasshandel spülte Geld in die Kassen
Und wieder fragt Beikircher: „Wie hätten wir ein so großes Jubiläum gefeiert? Wir hätten das ganz groß aufgezogen mit dem Kölner Dom, dem Petersdom in Rom, lecker Essen und Trinken, tollen Locations.“ Und dann hätte man überlegt, wie man ein solches Projekt finanzieren könne – und wäre unweigerlich auf den Ablasshandel gekommen. Damit ist der Kabarettist bei seinem zentralen Thema: Immer wieder kreist er um den Ablasshandel und das Fegefeuer und greift so zwei der zentralen Kritikpunkte Luthers auf. „Am 31. Oktober 1517 hat er die Thesen an die Kirchentür von Wittenberg getackert und damit eine Lawine losgetreten, die ihresgleichen sucht.“

Die Wege zur Reformation
Luthers Aktivitäten selbst kommen in dem Programm nur wenig zur Sprache. Vielmehr ist es die Schilderung zweifelhafter katholischer Praktiken, denen er auf seiner Romreise und anderen Reisen begegnet, die dem Publikum Luthers Beweggründe zum Thesenanschlag nahebringen. Wiederholt geht Beikircher auf das Schüren der Angst vor dem Fegefeuer ein. Damals bot sich der Ablasshandel für die Gläubigen als Möglichkeit an, sich mit kleinen oder größeren Spenden von ihren Sünden freizukaufen – und spülte Geld in die Kirchenkasse. Beikircher: „Ja, dat wär bei euch ja gar nicht möglich!“

Das Rheinland als Schauplatz
Alle Programme des Kabarettisten sind von seiner Verbundenheit mit dem Rheinland geprägt. So auch das Reformationsprogramm, wobei Luther jedoch nur fünf Tage in Köln verbracht haben soll. Offensichtlich nicht genug, denn: „Wäre Luther Rheinländer gewesen, hätte er nicht extra einen neuen Glauben erfinden müssen“, so der Kabarettist über den „ewig nölenden“ Sachsen.

„Das Problem ist: was lasse ich weg?“
Derzeit tourt Beikircher mit fünf Programmen durch die Lande. „Doch das Lutherprogramm mache ich in diesem Jahr am liebsten“, sagt er. Und zwar deswegen, weil er für das Projekt allein volle sechs Monate gelesen und drei Wochen geschrieben habe. „Das Problem ist: was lasse ich weg? Die Fakten müssen ja stimmen, aber man will ja kein Referat auf der Bühne halten.“ Und das ist Beikircher mal wieder brillant gelungen, denn das Publikum dankte es ihm mit Lachen und viel Beifall.

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz