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„Volksbegehren“ einmal ganz anders interpretiert

Wer beim Thema "Volksbegehren" an eine wie auch immer geartete politische Willensbildung und Willensbekundung des Volkes denkt, ist bei Jürgen Becker völlig falsch. Bei seinem Programm selben Namens geht es ausschließlich um den Willen zur Fortpflanzung. Vor dem Auftritt in der Jesus-Christus-Kirche in Esch war das Begehren des Volkes aber auch ein anderes. Die Tickets waren ruckzuck verkauft. Vor ausverkauftem Hause widmete sich der aus den WDR-"Mitternachtsspitzen" bundesweit bekannte Kabarettist vor zahlreichen auf eine Leinwand projizierten Gemälden und Fotos zunächst einmal den Begehrlichkeiten der Blattlaus: "Schafft die gemeine Blattlaus 80.000 Kinder in einer Saison, so sind wir schon froh, wenn unsere 1,3 Kinder keine Läuse aus dem Kindergarten mit nach Hause bringen.“ Die sich ja dann auch noch, siehe oben, so unbeherrscht wie unbeherrschbar vermehren.

Das Ganze entwickelte sich sehr zum Vergnügen des Publikums zu einer ernsthaften Betrachtung der Kulturgeschichte des Menschen, gemischt mit nicht wenigen Witzen und Witzchen. So erfuhren die geneigten Zuhörerinnen und Zuhörer, dass der Mensch auf unserem Planeten sehr, sehr lange nicht vorkam. "Betrachten wir die Erde, die vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist, doch mal, als ob sie nur ein Jahr alt wäre. Dann entsprächen 12,7 Millionen Jahre Erdgeschichte in diesem einen Jahr einem Tag. Dann wäre ungefähr an Pfingstmontag die erste Bakterie entstanden. Am 30. November wäre der erste Vierfüßler an Land gegangen, und die Dinos entstanden im Advent. Da trifft man dann den Tyrannosaurus Rex am Glühweinstand. Und an Silvester um 21 Uhr betritt der Homo sapiens die Bühne."

Mensch ändert ständig sein "Programm"
Mitten hinein in die beeindruckte Stille im Auditorium dozierte Becker anschließend über Lebewesen, die darauf aus seien, andere Lebewesen zu fressen. Und da ging es nicht um den Fleischkonsum der Menschen. "Multiresistente Keime müssen von uns abgewehrt werden. Bakterien und deren Mutationen vermehren sich und wollen uns umbringen." Dieses Schreckensszenario verknüpfte der Kabarettist mit dem "Wunder der Fortpflanzung": "Dabei entsteht aus zwei Lebewesen ein neues. Darauf sind die Bakterien eingestellt, da kommen die nicht mehr mit." Fortpflanzung sei eben auch eine Form der Feindesabwehr. Damit ändere der Mensch ständig sein "Programm", so Becker, der dies mit einem Beispiel aus dem Leben verdeutlichte: "Wenn Rocker ständig eine Kneipe besuchen, Bier trinken und dann gehen, ohne zu zahlen, muss der Wirt sein Programm ändern. Dann spielt er halt einfach nur noch Musik von Florian Silbereisen und die Rocker bleiben ganz von selbst weg." Denn die Natur wolle nicht, dass die Menschen krank, anfällig oder blöd seien.

Humor macht interessant
Und weiter ging die Reise durch die unendlichen Weiten des Volksbegehrens. "Ein Drittel des gesamten Datenvolumens im Netz sind pornografische Inhalte. Pro Sekunde werden in Deutschland 30.000 Pornofilme heruntergeladen. Die meisten zwischen 9 und 17 Uhr." Die Lacher im Publikum waren auch garantiert bei unvergänglichen Zweizeilern wie "1000 Männer, keine Frau – ich studiere Maschinenbau" und "Keine Frau und schmächtig – ich studiere Elektrotechnik". Für diese Spezies von Studenten, deren Begehren möglicherweise erstmal unerfüllt bleibt, hatte Becker einen Tipp aus dem Tierreich: "Es gab ein Experiment, in dem man ein Guppy-Männchen mit einer roten Schwanzflosse in ein Aquarium mit Weibchen und Guppy-Männchen mit ausschließlich blauen Schwanzflossen gesetzt hat. Die Weibchen interessierten sich nur noch für das Guppy-Männchen mit der roten Schwanzflosse. "Man müsse als Mann darauf achten, sich interessant zu machen. Zum Beispiel mit Humor. Denn Lust und lustig hätten den gleichen Wortstamm. – Ansonsten", so Becker angesichts der hohen Fischsterblichkeit in diesen Behältnissen, "sind Aquarien nur dazu da, Kindern den Umgang mit dem Tod nahe zu bringen."

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann