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Virtuoses Orgelkonzert im Altenberger Dom mit Musicus Thierry Escaich

Im Altenberger Dom gab der Pariser Musiker Thierry Escaich ein fulminates Orgelkonzert. Anlass war das 30-jährige Bestehen der "Internationalen Altenberger Orgelakademie".

Dass in dem gotischen Dom jede Woche hochkarätige Orgelkonzerte und Gottesdienste mit konzertanter Orgelmusik stattfinden, hat eine lange Tradition. Seit 1980 die große Domorgel aus der Bonner Werkstatt Johannes Klais eingeweiht wurde, haben viele internationale Stars der Orgelszene den Weg in den Bergischen Dom gefunden.

Die Orgelakademie – ein renommiertes Seminar wird 30
Die damals neue Domorgel war auch der Grund dafür, dass der Kevelaer Organist Wolfgang Seifen und der frühere Altenberger Domorganist Paul Wißkirchen die „Internationale Altenberger Orgelakademie“ ins Leben riefen. Das knapp einwöchige Orgelseminar richtet sich noch heute an Studierende und Meisterschüler europäischer Musikhochschulen, die sich gezielt im Fach Orgelimprovisation weiterbilden wollen. Improvisation bedeutet das gleichzeitige Erfinden und Ausführen von Musik, also das freie Spiel ohne Noten. Dass dies an einem inspirierenden Ort wie Altenberg und an einer großen, farbenreichen Orgel besonders gut gelingen kann, liegt auf der Hand. Die Altenberger Orgelakademie, die seit vielen Jahren vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport in NRW gefördert wird, hat sich ein großes Renommee erworben und war europaweit Vorbild für viele Seminare ähnlicher Ausrichtung. In diesem Jahr feiert die Akademie ihr 30-jähriges Jubiläum.

Professor Wolfgang Seifen – von Anfang an mit dabei
Die dreißig aktiven und passiven Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Jubiläumsjahres wurden in bewährter Weise von drei Dozenten unterrichtet. Zum dreißigsten Mal dabei war Gründervater Wolfgang Seifen, der mittlerweile eine Professur an der Berliner Musikhochschule (UdK) inne hat. Als Co-Dozenten wirkten Sietze de Vries aus Groningen (NL) und Thierry Escaich aus Paris mit. Traditionell lädt die Altenberger Orgelakademie an jedem Abend zu einem Konzert mit Dozenten und Teilnehmenden ein. So kann die Öffentlichkeit an der kreativen Improvisationswerkstatt teilhaben.

Konzert mit Thierry Escaich – ein großer Abend
So auch das Dozentenkonzert mit Thierry Escaich – ein besonderes Highlight. Escaich, der nicht nur Titularorganist an der Kirche Saint-Étienne-du-Mont in Paris und Professor am Pariser Konservatorium, sondern auch Komponist und Mitglied der Académie des Beaux-Arts ist, hatte ein hochvirtuoses Konzertprogramm über Themen aus dem Zuhörerkreis vorbereitet. Nach einer breit angelegten Paraphrase über den altkirchlichen Hymnus „Ave, maris stella“ im französisch-impressionistischen Stil folgten mit „Prélude et Fugue“ und einer Passacaglia zwei Formen, die eher der deutschen Tradition zuzuordnen sind. Beide Stücke präsentierten sich formal geschlossen, proportional ausgewogen und sehr klangschön. Französisch ging es mit einem Andante und Scherzo im Stil eines Charles Marie Widor weiter. Esciach bevorzugte hier eine knappe Form und arbeitete die Gegensätze des ruhig schwingenden Andante und des lebendigen Scherzo wirkungsvoll ineinander. Mit expressionistischem Tonfall erklang dann das improvisierte „Poème“. Escaich griff hier zu mutigen Harmonien und dimensionierte das freie Stück sehr breit.

Bolero auf der Orgel – die Pfeifen tanzen
Zum Finale wurde es tänzerisch: Esciach schloss mit einer sehr virtuosen, pianistischen „Suite de dances“ mit wirklich „heißen“ Rhythmen. Vom Bolero bis zum Tango reichte das Angebot mittelamerikanischer Tänze, mit dem der Solist zunächst die Orgelpfeifen zum Tanzen und dann das Publikum zum Swingen brachte. Herausragend wurde das Konzert auch durch die großartige Registrierkunst Escaiches: wie ein Orchester-Arrangeur verstand er es, durch eine geschickte Wahl und Kombination der verschiedenen Klangfarben der Orgel spannende, überraschende und teilweise ungewohnte Klänge zu produzieren. Eine Kunst, die auch Fachleute und Kenner der Altenberger Orgel an diesem Abend wirklich faszinierte. Emotionaler Höhepunkt des Orgelabends war – nach Standing Ovations – eine Überraschung in der Zugabe. Anstelle einer eigentlich erwarteten vulminanten Toccata improvisierte Escaich zum Dank an das Publikum einen kleinen Sonatinen-Satz im kammermusikalischen klassizistischen Stil. Apart gespielt, hübsch registriert und auch ohne Show-Effekte überzeugend. So ging ein großer Orgelabend anrührend zu Ende, der eigentlich mehr Publikum verdient hätte. Denn das war der Wehrmutstropfen: Es war nur eine sehr überschaubare Zahl an Zuhörerinnen und Zuhörern, die den Weg an diesem Tag in ein wirklich großartiges Konzert gefunden hatten.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler