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Nikolaus Schneider erinnerte an die Urimpulse aus der Gründungszeit, die heute noch wichtig seien

Ursprungsimpulse wachhalten – Festgottesdienst zum 70-jährigen Jubiläum der Diakonie Michaelshoven

1950 gründete Pfarrer Erwin te Reh den Verein „Coenaculum – Christus lädt ein!“ in der Rösrather Stephansheide. Noch im selben Jahr wurde dort der Grundstein für die Kapelle gelegt und der Name des Vereins änderte sich in „Diakonie Michaelshoven“. So entstand das Unternehmen, welches nun, im Jahr 2020 sein 70-jähriges Bestehen feiert. Dabei ist ein Grundgedanke geblieben: Menschen einen Wohnraum zu geben und dabei das lebendige Miteinander zu fördern.

Predigt von Nikolaus Schneider

Den Auftakt der Feierlichkeiten bildete ein festlicher und zugleich auch fröhlicher Jubiläumsgottesdienst in der Erzengel-Michael-Kirche, der auf dem Gelände der immer noch wachsenden Diakonie stattfand. Die Predigt hielt Nikolaus Schneider, ehemaliger Präses der evangelischen Kirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Neben ihm waren auch Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und OB Henriette Reker gekommen, um der Diakonie einige Grußworte mit auf den Weg zu geben.

Menschen seien zu allen Zeiten mit diakonischen Aufgaben konfrontiert gewesen und gerade damals, nach dem Krieg, habe es eine Gründungswelle entsprechender Einrichtungen gegeben. Die Gründung des evangelischen Hilfswerks sei zu nennen. Auch die Anfänge der Diakonie seien in diese Welle gefallen, „sie waren eine Antwort auf die Nöte und Herausforderungen der damaligen Zeit”, so Schneider. Die Kinder und Jugendlichen, um die sich die Einrichtung damals gekümmert habe, hätten zwar ein Dach über dem Kopf gebraucht.  „Aber sie brauchten auch Bildung, Erziehung und Herzenswärme – das war ein Urimpuls bei der Gründung eines Unternehmens, welches dann massiv wuchs”, so der Ratsvorsitzende.

„Ihr seid die Diakonie”

Im Alltag und in der Hektik eines großen Unternehmens – welches die Diakonie eben heute, nach 70 Jahren darstelle – bestehe die Gefahr, den Ursprungsimpuls aus den Augen zu verlieren. Doch Jesus Christus, der Diakon, sei nach wie vor maß- und stilgebend. Und trotz aller wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die es ohne Zweifel gebe, müsse der diakonische Kompass erhalten bleiben. Dabei sei es nicht verwerflich und keineswegs falsch, sich auf dem Markt zu behaupten, gab Schneider den vielen Gästen des Gottesdienstes mit. Der Rückblick auf 70 Jahre Diakonie sei auch ein Rückblick auf 70 Jahre mit Jesus Christus. Die gute Arbeit gelinge vor allem mit allen Beteiligten gemeinsam, „ihr seid die Diakonie”, so der Ratsvorsitzende.

„Wir investieren auch in diese Zukunft”

Uwe Ufer, kaufmännischer Leiter des Unternehmens sprach anschließend und erinnerte an die Zeiten bitterer Armut, in denen die Diakonie gegründet wurde. Heute gebe es ein großes Wohlhaben in der Gesellschaft, doch Reichtum sei nicht immer eine Frage des Kapitals. „Wir sind inzwischen ein großer Arbeitgeber mit fast 3000 Arbeitnehmenden. Wir danken Ihnen, Herr Schneider, dass Sie den Gottesdienst auch als ein Dankesgottesdienst gestaltet haben – denn wir verstehen uns als dienende Diakonie”, so Ufer. Er betonte, dass alle gemeinsam an die Zukunft glauben würden, „wir investieren auch in diese Zukunft”.

Lob von OB Reker

OB Reker berichtete zunächst, dass auch ihre Mutter einst aus Schlesien in die Region gekommen war. „Sie hatte vor allem Ungewissheit im Gepäck – wie mag es da erst den Kindern und Jugendlichen gegangen sein, die sich in dieser Zeit als Waisen zurecht finden mussten”, so Reker. Unabhängig von diesem persönlichen Bezug, habe sie als Sozialdezernentin häufig mit der Diakonie zu tun gehabt, „ohne diese würde unsere Stadtgesellschaft sicher nicht so funktionieren”, lobte sie. Die Diakonie sei ein Magnet für ehrenamtlich tätige Menschen, auch das zeichne sie aus.

Minister Karl-Josef Laumann betonte, dass die vergangenen 70 Jahre Geschichte auch die Geschichte der Bundesrepublik aufzeige. Die personenkonzentrierte Hilfe, die nach dem zweiten Weltkrieg eingeführt worden sei, habe damals entscheidende Weichen gestellt. „Ich erinnere mich an die „Aktion Sorgenkind“, die von behinderten Menschen als schützenswert sprach, dies hatte mit den Verbrechen zu tun, die von den Nationalsozialisten begangen worden waren”, so Laumann. Mit Hilfe der Gesetze habe man erfasst, wer welche Hilfe braucht, um in unserer Gesellschaft integriert zu leben. Das jetzige Bundesteilhabegesetz sei eine neue Herausforderung, die aber ebenso wichtig sei – auch wenn die Umsetzung nicht immer einfach sei, so der Minister. Man wolle die Behindertenpolitik an die UN-Richtlinien anlehnen. Die zu schaffenden Strukturen müssten dabei dem Menschen dienen, nicht umgekehrt, dabei sei auch Verlässlichkeit und Stabilität zentral. Vor allem auch Einrichtungen wie die Diakonie brauchten Verlässlichkeit und Stabilität ohne jede Ideologie. Der Parlamentarismus sei ein Schutzmechanismus, gerade auch für die Behindertenpolitik, „rechtsradikale Parteien vertragen sich überhaupt nicht mit dieser“, betonte er abschließend.

Nach dem Gottesdienst, der auch musikalisch durch den Auftritt des Gospelchors und den bemerkenswertem Orgelspiel von Christian Collum etwas ganz Besonderes war, gab es dann noch vor der Kirche einen kleinen Empfang. Auf diesem konnten die Gäste die vielen Impulse des Vormittags angeregt weiter diskutieren.

Historie:

Nach der Gründung und den Anfangsjahren im Kinder- und Jugenddorf Stephansheide bei Rösrath erwarb die Diakonie Michaelshoven 1955 eine große Ackerfläche in Köln-Rodenkirchen. Hier entstand das Diakonieveedel Michaelshoven, das für tausende Menschen unterschiedlicher Herkunft zur Heimat wurde. 1964 wurde die Erzengel-Michael-Kirche eingeweiht. 1970 entstanden das Berufsförderungswerk Köln und das erste Internat. 1971 übernahm die Diakonie das Altenheim Katharina-von-Bora-Haus in Lindenthal. 1974 erfolgte die Trennung vom Amt für Diakonie. 1975 wurde das bis heute größte Altenheim für Senioren in Köln, Haus Simeon, eingeweiht. 1990 wurde der Grundstein für die Zentrale an der Sürther Straße gelegt. 1995 öffnete die Halle für Reittherapie auf dem Campus, 1996 ging die Ambulante Pflege an den Start.

2001 wurde aus dem Verein ein Sozial-Unternehmen mit Holding-Struktur. Die Angebote gliederten sich in Geschäftsfeldern. 2008 wurde die Stiftung gegründet. 2010 wurden das neue Dietrich-Bonhoeffer-Haus und das Altenheim Präses-Held-Haus im Rhein-Erft-Kreis eingeweiht. 2015 eröffneten die beiden Altenheime Thomas-Müntzer-Haus und Albert-Schweitzer-Haus sowie eine neue Kita auf dem Campus.

Heute beschäftigt das Unternehmen über 2 600 Mitarbeitenden und unterhält über 200 Einrichtungen in Köln und Umgebung. Das Jubiläumsjahr 2020 wird gefeiert, nach dem Auftakt folgen viele weitere Veranstaltungen, zum Beispiel am 23. April um 19 Uhr ein Frühjahrskonzert mit Winfried Bönig, Domorganist am Kölner Dom, im Mai ein Salongespräch mit Alice Schwarzer und am 8. August um 14 Uhr ein Parkfest mit den Bläck Fööss, den Paveiern und anderen.

Text: Judith Tausendfreund
Foto(s): Judith Tausendfreund