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Trinitatiskirche: Stummfilm mit Live-Musik an Orgel und Schlagwerk

Den allerersten Oscar der Filmgeschichte erhielt im Jahr 1929 Emil Jannings, der bis heute einzige Deutsche, dem die Auszeichnung für den besten Hauptdarsteller des Jahres verliehen wurde. Als weltbester Schauspieler galt Emil Jannings, der heute vor allem als Professor Unrat in der Heinrich-Mann-Verfilmung „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich berühmt ist, spätestens seit seiner Leistung im Stummfilm „Der letzte Mann“, den Regie-Legende Friedrich Wilhelm Murnau 1924 drehte. Dieses Meisterwerk, das als Meilenstein der Filmgeschichte und ein Höhepunkt des deutschen Stummfilmkinos angesehen wird, wurde mit illustrem Publikum in der Trinitatiskirche aufgeführt – nach der Aufführung gab sich Cornelia Große-Kracht als die Nichte des Hauptdarstellers Emil Jannings zu erkennen.

Historische Vorbilder
Große-Kracht war angetan davon, dass die Trinitatiskirche das Wagnis unternommen hat und einen Stummfilm historisch korrekt aufgeführt hat. Sie freute sich, ihren Onkel wieder einmal auf einer großen Leinwand zu sehen. Auch viele andere Cineasten freuten sich über diese Gelegenheit, so dass die Kirche bei dieser Aufführung gut gefüllt war. Bestandteil dieses Erlebnisses war immer schon Live-Musik. Für diese sorgte in der Trinitatiskirche der Organist Wilfried Kaets im Zusammenspiel dem Perkussionisten Norbert Krämer. Kaets ist eigentlich künstlerischer Leiter der „Rochus-Musikschule“ und Regionalkantor für das Stadtdekanat und das Erzbistum Köln. Dass ein Kirchenmusiker für die musikalische Begleitung von Stummfilmen sorgt, hat historische Vorbilder, wie Kaets vor der Aufführung im Interview mit Günter Leitner erzählte: „Früher haben sich die Kirchenorganisten nach Dienstschluss Bärte angeklebt und an der Orgel Filme begleitet“, berichtet Kaets, dessen Liebe zu dieser Kunstform durch ein Seminar am Filmmuseum in Frankfurt am Main geweckt wurde. Obwohl aber die Stummfilme schon früher fast immer von Musik begleitet wurden, so fehlte doch bei den meisten Aufführungen eine speziell für diesen Film ausgearbeitete Filmmusik. Oftmals improvisierte ein Pianist oder ein Stehgeiger zu dem, was auf der Bühne zu sehen war. Gab es doch einmal spezielle Kompositionen – laut Kaets war dies bei nur etwa zehn Prozent der Filme der Fall -, so waren diese zumeist nur für die Uraufführung wichtig. „Bei der Uraufführung großer Filme in Berlin gab es natürlich ein zehnköpfiges Orchester, das den Film begleitete“, erklärte Kaets. „Aber in den anderen Kinos hatte man hierfür nicht die Mittel. Dann wurde die Musik vielleicht nur von einem Klavierspieler begleitet. Und manchmal wurde dann einfach nur improvisiert.“

Atmosphärisches Gesamterlebnis
Improvisiert haben Kaets und Krämer in der Trinitatiskirche auch zuweilen – aber das auf der Grundlage eines eingehenden Studiums des Films und von Kompositionspartikeln, die Kaets für Orgel, Midivibraphon und Schlagwerk skizziert hat. So ging die Musik detailliert auf Murnaus Film, der fast gänzlich ohne Zwischentitel auskommt, ein. Sie begann ‚konventionell‘, wenn Jannings am Anfang einen stolzen Hotelportier darstellt, der dann, weil er aus Altergründen zum Toilettenwärter degradiert wird, mit seiner Uniform in einer von Uniformen geprägten preußischen Gesellschaft seine gesellschaftliche Stellung verliert. Zusammen mit der Filmsprache wurde auch die Filmmusik von Kaets und Krämer immer avantgardistischer und expressiver. Nach der Aufführung gab es für den Film, vor allem aber die Musiker stehende Ovationen eines wirklich begeisterten Publikums. In der Tat hatten Kaets und Krämer sogar einen Filmriss, der weniger ein Ärgernis war, sondern zum atmosphärischen Gesamterlebnis des Abends beitrug, nach dem ersten Drittel des Stummfilms souverän überspielt. Auch Cornelia Große-Kracht lobte die „super Musik“ nach der Aufführung im Gespräch mit dem Komponisten. Und sie darf als Expertin für Stummfilme gelten.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer