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Trinitatiskirche: Orgelvesper mit Superintendent Dr. Bernhard Seiger

Zu Beginn der Orgelvesper begrüßte Superintendent Dr. Bernhard Seiger „die Orgelfreunde und die Gemeinde“ im Namen des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region. Dr. Bernhard Seiger, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal und Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd, gestaltete den liturgischen Teil der Vesper. Die musikalische Gestaltung lag bei Bertold Seitzer an der neuen Klais-Orgel der Trinitatiskirche. Die Besucherinnen und Besucher erlebten an diesem Samstagabend, wie das inhaltlich aufeinander abgestimmte Miteinander von Musik und Gebet zu einer sehr gelungenen Gesamtform zusammenfand: der sowohl musikalische als auch geistliche Charakter ist die eigentliche Besonderheit der Orgelvesper in der Trinitatiskirche. Sie gehört zu den neueren „Formaten“ der vielseitigen Programmreihe, die der Evangelische Kirchenverband bereits im dritten Jahr erfolgreich veranstaltet („Trinitatis 2012„).

Der Musiker
Anfangs stellte der Superintendent den Musiker vor: Bertold Seitzer ist an der Trinitatiskirche durchaus „kein Unbekannter“: Tätig im Ruhrgebiet, aber wohnhaft in Köln, hat sich der Organist bei Kölner Musikfreunden durch eine Reihe anspruchsvoller konzertanter Auftritte an der Orgel der Trinitatiskirche und in weiteren Kirchen einen Namen gemacht. Seitzer, 1962 geboren, besuchte ein Musikgymnasium in Ulm und bekam dort seinen ersten Orgelunterricht bei Münsterkantor Professor Edgar Rabsch. Nach dem Abitur begann er sein Schulmusikstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und an der Staatlichen Hochschule für Musik Heidelberg. Dort machte er dann auch sein erstes Staatexamen für das Lehramt an Gymnasien. Im Anschluss daran belegte er ein Aufbaustudium im Fach Kirchenmusik in Esslingen/Neckar. 1990 bis 2004 war er Kantor in Gelsenkirchen, von 2000 bis 2004 außerdem zusätzlich der Kreiskantor im Kirchenkreis Gelsenkirchen/Wattenscheid. In den Jahren 2004 und 2005 war er Kantor in Köln, absolvierte daneben ab 2004 ein weiterführendes Kirchenmusikstudium an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, wobei er unter anderem Orgel und Orgelimprovisation bei Prof. Thierry Mechler studierte, 2007 schloss er mit dem A-Diplom für Kirchenmusiker ab, seit 2005 ist er Kirchenmusiker in Mülheim an der Ruhr, seit 2010 Kreiskantor im Evangelischen Kirchenkreis „An der Ruhr“.

„Gutes Hören“
Seitzers Orgelspiel an diesem Tag war ein Erlebnis: So wie das Wetter draußen mehrfach abrupt zwischen Sonne und Regen, Hell und Dunkel wechselte, so variierten auch die Klangfarben und „Temperaturen“ seines Orgelspiels. Doch war sein musikalischer Vortrag, den ausgewählten Werken entsprechend, durchgängig eher leicht, verhalten und „bedeckt“, hin und wieder aber auch hell aufstrahlend und „leuchtend“. Zusammen mit den Bibellesungen (2. Mose 3,1-14 und Lukas 11,5-13) und den gemeinsam gesprochenen Gebeten gab dies der knapp einstündigen Veranstaltung einen äußerst reizvollen und abwechslungsreichen Charakter. Die Lesungen folgten am Samstagabend bereits der Ordnung für den Sonntag „Rogate“. Dieser Name bedeutet „Bete!“, erklärte Superintendent Dr. Seiger, und manchmal sei Musik „die beste Einladung zum Gebet, weil wir uns auf das ‚Hören‘ einstimmen“. Und so wünschte er den Besucherinnen und Besuchern „ein gutes Hören“. Die Orgelliteratur, bestehend aus lediglich zwei Werken, war somit nicht nur musikalische Rahmung oder Untermalung, sondern Hinführung zum Wort Gottes und eigenständige Aussage: Zum einen markierte das „Triptyque Grégorien“ des französischen Komponisten und Organisten Jean Langlais aus dem Jahr 1978 mit seinen drei Sätzen Rosa Mystica – In Paradisum – Alleluia Anfang, Mitte und Ende der Vesper. Ein Gegenelement bildeten dazwischen die 1978 entstandenen sieben „Gregorianischen Miniaturen“ des deutschen Komponisten und Kirchenmusikers Hermann Schroeder – der 1984 Verstorbene war von 1962 bis 1984 auch Professor der Musikhochschule Köln.

Die musikalischen Stimmungen
Bildete die Bezugnahme auf die Gregorianik auch ein durchgängiges Thema, so war die Bandbreite der einzelnen Stücke doch von ganz unterschiedlichem Charakter und zeichnete sich durch eine variationsreiche Klangfülle aus. Schroeders „Miniaturen“ kontrastierten in ihrer eher harten, herben und sperrigen, der deutschen Schule des 20. Jahrhunderts verbundenen Klanglichkeit mit dem weichen, feurigen Klangreichtum französischer Prägung. Alle Stücke sind dem traditionellen Stundegebet und der Liturgie entlehnt. Sie bewahren, bei aller modernen Auffassung, in Duktus und Färbung durchgehend eine ehrfürchtig-sakral gefärbte Tonalität. Dazu trug auch das sehr einfühlsame, in der liturgischen Praxis geschulte Orgelspiel Seitzers bei. Hinzu kam eine betont sparsame, „sanfte“ Registrierung, die zwischen dem gegensätzlichen „romanischen“ und „germanischen“ Charakter der beiden Werke zu vermitteln verstand. Getragen-feierliche Passagen wechselten vor allem bei den Werken von Langlais bisweilen mit metallisch-schillernden Dissonanzen, um dann in einem sperrig-harmonischen Abschluss zu münden. Die Miniaturen Schroeders blieben eigentümlich karg – und gerade darin reizvoll. Dabei entstand in Seitzers Interpretation und der wechselseitigen Zuordnung der beiden Werke etwas „Neues“: ein ganz eigener Rhythmus, der, musikalisch und inhaltlich stringent, die Orgelvesper zu einem besonderen musikalischen und geistlichen Erlebnis machte.

Worte und Schweigen
Das in der Musik und in Zeiten des Schweigens erfahrbare „Weniger“ und „Mehr“ wurden in den Gebeten des Gottesdienstes aufgegriffen. In ihrer dichten Sprache ergänzten sie das musikalische Erleben und gaben ihm eine Richtung – hin zu Gott: „Wir danken für die Freiheit zum Reden und zum Schweigen. Wir danken, dass wir Angst und Sorge und Selbstbeobachtung ablegen dürfen. Wir danken, dass unsere scheuen, skeptischen und verbrauchten Worte mehr als unsere Worte sein sollen.“ Ganz ähnlich lauteten die Fürbitten, die ebenfalls das „Beten“ zum Thema hatten: „Wir bitten dich für die Menschen, die beten können – dass sie nicht selbstsicher werden. Wir bitten dich für die Menschen, die nicht zu beten vermögen – dass sie kein schlechtes Gewissen haben. Wir bitten dich für die Menschen, die dir fluchen – dass ihr Leiden ein Ende findet. Wir bitten dich für die Menschen, die zu beten versuchen – dass sie sich nicht zwingen, dass sie aber auch nicht verzweifeln müssen.“ Es folgte das gemeinsam gesprochene Vaterunser. Die dazu erklingenden Kirchenglocken trugen das Gebet in die Stadt. Nach dem Segen bildete der dritte Satz des „Gregorianischen Triptychons“ von Langlais den Abschluss.

Weitere Orgelvespern 2012
Hier noch ein Überblick über die Reihe der „Orgelvespern am Samstagabend“ in der Trinitatiskirche, die stets „eine spirituelle Atempause am Wochenende“ sein wollen. Auf das Kirchenjahr bezogene Orgelwerke werden eingebunden in eine sparsam liturgische Gestaltung mit biblischer Lesung und Gebet. Der Eintritt ist jeweils frei, Spenden sind erbeten.
Die nächste Orgelvesper wird gehalten am Samstag, 8. September, um 18 Uhr in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4. Pfarrerin Monika Crohn aus der Evangelischen Kirchengemeinde Weiden ist Liturgin, die musikalische Gestaltung liegt bei Kantorin Susanne Rohland-Stahlke, Kirchenmusikerin der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach.

Die letzte Orgelvesper in diesem Jahr findet am Samstag, 10. November, um 18 Uhr in der Trinitatiskirche statt. Der liturgische Teil wird gestaltet von Almuth Koch-Torjuul, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Frechen, für die Musik ist Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner zuständig, Domorganist des Altenberger Doms. Er wird Werke von Johann Sebastian Bach, Sigfrid Karg-Elert und Louis Vierne spielen. Zu beiden Orgelvespern schon jetzt eine herzliche Einladung: Willkommen zum Vernehmen der Musik und der Worte Gottes.

Text: Manfred Loevenich
Foto(s): Loevenich