You are currently viewing Trinitatiskirche 2010: Weltstar Nicolas Kynaston eröffnete das „Triduum“, es folgten Wolf-Rüdiger Spieler sowie Heribert Leuchter und Lutz Felbick

Trinitatiskirche 2010: Weltstar Nicolas Kynaston eröffnete das „Triduum“, es folgten Wolf-Rüdiger Spieler sowie Heribert Leuchter und Lutz Felbick

Normalerweise spielt er in der ausverkauften Carnegie Hall oder der Royal Albert Hall. Nun eröffnete der weltberühmte Londoner Organist Nicolas Kynaston, Ehrenmitglied des Royal College of Organists, der unter anderem den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und den Deutschen Schallplattenpreis gewonnen hat, in der evangelischen Trinitatiskirche zu Köln auf der Klais-Orgel die Konzertreihe des Kulturprogramms „Trinitatis 2010“.

Stehende Ovationen
Welche Wertschätzung Kynaston unter Kennern genießt, kann man unter anderem daran ablesen, dass sein Konzert in der Trinitatiskirche von fast allen Kölner Organisten besucht wurde, die Rang und Namen haben: Neben Johannes Quack, dem Kreiskantor der Evangelischen Gemeinde Köln, und Wolf-Rüdiger Spieler, die Orgelkonzertreihe konzipiert hat, gab es nach Kynastons Gastspiel stehende Ovationen unter anderem von dem Kölner Domorganisten und Hochschul-Professor Winfried Bönig, Professor Johannes Geffert und Christian Collum, dem ehemaligen Leiter des Kölner Bach-Vereins. An Kynastons Eröffnungskonzert schloss sich am darauffolgenden Wochenende ein Konzert mit Orgelimprovisationen von Wolf-Rüdiger Spieler sowie ein Jazzprogramm für Saxophon und Orgel mit Heribert Leuchter und Lutz Felbick an.

Führung: Die Geschichte der Trinitatiskirche
Eingeleitet wurden die Konzerte – wie das auch bei allen folgenden Konzerte des Festprogramms der Fall sein wird – von wechselnden Führungen der AntoniterCityTours rund um die Trinitatiskirche. Zur Eröffnung des Jubiläumsprogramms durch Kynaston stellte Günter Leitner eine Stunde vor Konzertbeginn kenntnisreich die wechselvolle Geschichte der Trinitatiskirche vor, der ältesten als solche erbauten evangelischen Kirche im linksrheinischen Köln: „Die Evangelische Gemeinde Köln stand bis zur napoleonischen Zeit immer unter starker Verfolgung“, erinnerte Leitner: „In unserer Stadt gab es für Protestanten nur wenig Raum“. So kommt es, dass lange Zeit keine protestantischen Gotteshäuser in der Stadt geduldet wurden. „Erst mit den Franzosen kam die Befreiung“, erklärte Leitner, der dann von den ersten Plänen für den Bau einer evangelischen Kirche berichtete: „Zuerst gab es die Idee, die Antoniterkirche zu vergrößern“. In der ehemaligen Ordenskirche hatten Protestantinnen und Protestanten 1805 den ersten, offiziell genehmigten evangelischen Gottesdienst in einer Kölner Kirche gefeiert. Den Ausschlag dafür, dass die Trinitatiskirche in ihrer heutigen Form gebaut wurde, gab schließlich Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. „Er hatte als Kronprinz in Bonn studiert und schaltete sich in die Frage nach dem Stil der neuen Kirche ein“, sagte Leitner während der Führung. So wurde der königliche Baumeister Stüler schließlich beauftragt, eine dreischiffige Basilika zu erbauen. Leitner erläuterte vor Kynastons Konzert nicht nur die Architektur, sondern informierte noch weiter über den Bau in der Mitte des 19. Jahrhunderts, über Zerstörung und Wiederaufbau im 20. Jahrhundert bis heute. Die zwei nächsten Führungen widmeten sich der neuen Orgel, die Organist Wolf-Rüdiger Spieler dem interessierten Publikum anschaulich am Spieltisch erläuterte, sowie der Trinitatis bei ihrer Einweihung vor 150 Jahren. Kurze Interviews mit den jeweiligen Musikern stellten dann den Übergang zu den Orgeldarbietungen dar.

Das Interview: Günter Leitner (r.) fragte, Nicolas Kynaston (Mitte) antwortete, sein ehemaliger Schüler Johannes Geffert – heute Professor für Orgel und Improvisation an der Kölner Hochschule für Musik – übersetzte.

„Dazu gehört Können!“
Bereits mit 19 Jahren wurde Kynaston Organist der Kathedrale von Westminster. „It was pure luck“, sagte Kynaston mit britischem Understatement im Interview mit Leitner, woraufhin jedoch sein ehemaliger Schüler, Johannes Geffert, klarstellte: „Es ist kein Glück, wenn man solch einen Posten überantwortet bekommt. Dazu gehört Können!“ 1971 beschloss Kynaston, sich nur noch seiner Konzerttätigkeit zu widmen, die ihn seither an die berühmtesten Orgeln der ganzen Welt führte. Auch auf der Klais-Orgel hat er bereits ein Konzert gegeben, erinnert sich Kynaston im Interview: „Ich habe auf dieser Orgel in der Dreifaltigkeitskirche Aachen Anfang der 90er Jahre gespielt“. Um aber einschätzen zu können, wie sich der Klang mit dem Umzug nach Köln verändert habe, dafür sei es einfach zu lange her.

„Leicht und unprätentiös“
Bei seinem Konzert spielte Kynaston Johann Sebastian Bachs „Chaconne in d-moll (BWV 1004)“ in der Bearbeitung von William Thomas Best sowie von Marcel Dupré die „Suite Bretonne“. Er endete mit den äußerst anspruchsvollen Variationen und Fuge über ein Originalthema (op. 73) von Max Reger. Das Publikum konnte beim Konzert auch erstmals Dank der Video-Übertragung auf die Hände des Organisten schauen. Fasziniert sahen Zuhörinnen und Zuhörer, wie leicht und unprätentiös Kynastons die komplizierten Werke meisterte. Gerade im Gegensatz zu den manchmal etwas zu sehr auf Effekt bedachten Pianisten, die man bisweilen sehen kann, war es beeindruckend, wie zurückgenommen Kynaston agierte

„Standing Ovations“ für Nicolas Kynaston


Wolf-Rüdiger Spieler improvisierte gekonnt „Paraphrasen über die Trinität“
Im Zeichen der Improvisation standen die zwei weiteren Abende am Wochenende, zusammen mit dem Orgelvortrag von Nicolas Kynaston Teil des „Triduum“. Wolf-Rüdiger Spieler, laut Professor Johannes Geffert einer der wenigen Organisten, die er kenne, die wahrhaft zu improvisieren verstünden, beschäftigte sich hierbei dezidiert mit der Trinität. Spielers langjährige intensive Konzerttätigkeit im In- und Ausland, die auch auf zahlreichen Tonträgern festgehalten ist, hat ihm eine so große wie treue Fangemeinde verschafft. Trotz äußerst widriger Wetterverhältnisse hatte die sich am Samstag über das Glatteis und in die Trinitatiskirche aufgemacht, um Spielers konzertante Orgelimprovisationen zu hören, etwa einen „Sinfonischen Choral über das Trinitatislied ‚Gelobet sei der Herr'“, „Drei Orgelchoräle in verschiedenen Stilen über die drei Strophen des Trinitatisliedes“ sowie eine „Sonate über das Trinitatislied ‚Gelobt sei der Herr'“. Diese Improvisationen waren jedoch nicht völlig frei, wie Spieler im Interview mit Leitner klarstellte: „Es wird nicht so sein, dass mich um 8 Uhr die Muse küsst und die Finger in wildem Wahn über die Tasten fahren“. Ausgangspunkt waren traditionelle Choräle, die auch immer wieder erkennbar durch die Improvisationen schimmerten. Allein vor den „Drei sinfonischen Paraphrasen über die Trinität“ warnte Spieler im Vorfeld, da das Klangbild hier schon etwas gewagter werden könne. Sein Publikum vergraulte er jedoch auch in diesen Passagen nicht. Ganz im Gegenteil – nach dem Konzert durfte er herzlichen Applaus und im Nachklang des Konzertes viel persönliches Lob entgegennehmen.

Wolf-Rüdiger Spieler am Orgeltisch der Trinitatiskirche

„Triduum“, Teil drei: Synthese von Jazz und Orgelmusik
Jazz at the organ“, also Jazz auf der Orgel, damit schloss das Triduum zur Eröffnung des Festjahres ab. Dargeboten wurde diese Synthese von Jazz und Orgelmusik von dem Saxophonisten Heribert Leuchter und Lutz Felbick, der als Kantor der Dreifaltigkeitskirche in Aachen an der Disposition der Klais-Orgel mitgewirkt hatte. „Jazz hat ja auch viel mit Bewegung zu tun“, meinte Günter Leitner beim einleitenden Interview: „Sollen wir tanzen?“ Getanzt hat das Publikum dann zwar nicht. Wohl aber ist der Wunsch von Leuchter erfüllt worden, der geantwortet hatte, er hoffe, dass die Herzen im Publikum etwas „springen“ möge.


Heribert Leuchter und Lutz Felbick

Angesichts der begeisterten Reaktionen auf alle drei Konzerte, darf dann Wolf-Rüdiger Spieler in seiner Eigenschaft als Organisator der Konzertreihe gefragt werden, wie er und seine Helfer dieses hochkarätige Programm zusammengestellt bekommen haben. „Es war eigentlich ganz einfach hier dieses Programm mit guten Organisten zu füllen“, antwortete Spieler lapidar und erläutert: „Es war allen eine Ehre, hier zu spielen. Schnell haben alle Menschen, die wir gefragt haben, auch zugesagt“.

Das weitere Festprogramm „Trinitatis 2010“
Nach dem warmen Applaus, der alle drei Konzerte abschloss, blieben Stargäste und viele Gäste aus dem Publikum noch lange im Empfangsraum der Kirche, um bei einem kleinen Imbiss und Getränken über die erinnerungswürdigen Konzerte zu sprechen.
Besprochen wurde dabei mitunter auch, welche Glanzlichter das weitere Festprogramm „Trinitatis 2010“ bereit hält. „Die ganzjährige Veranstaltungsreihe „Trinitatis 2010″“, so Projektleiter Günter A. Menne, der im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist, „umfasst über 70 hochkarätige Angebote mit Konzerten, Führungen, Lesungen und vielem mehr.“
Das gesamte Festprogramm „Trinitatis 2010“ steht im Internet zum Download bereit unter www.trinitatis-2010.de und ist auch als Broschüre an vielen öffentlichen Stellen in Köln erhältlich, darunter an der Evangelischen Informationsstelle Köln an der Antoniterkirche, Schildergasse 57, Telefon: 0221 / 660 57 20.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Weyer