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„Trauer ist Liebe“ – Zum Tod von Fritz Roth

In einem beeindruckenden Gottesdienst im Altenberger Dom haben am 29. Dezember 2012 tausende Menschen Abschied von Fritz Roth genommen. Der beliebte Bestatter hat in seinen 63 Lebensjahren eine Vielzahl von Ideen zur Benennung und Bewältigung im Umgang mit dem Tod eingebracht und umgesetzt. Er hat der Trauerarbeit in Bergisch Galdbach und weit darüber hinaus ein neues Gesicht gegeben.

Neue, bleibende Impulse für die Trauerarbeit
Auch Pfarrerinnen und Pfarrer, Gemeinden und Kirchen sind nicht unberührt geblieben von seinen Gedanken und Projekten, wie seine Trauerakademie und die „Gärten der Bestattung“ auf einem Berg in Bergisch Gladbach. Manche unterstellten ihm nur klugen Geschäftssinn, viele Andere haben seine Impulse für die Begleitung von Trauernden erst mit der Zeit verstanden. Sicher haben sich die Zeiten geändert in den letzten 30 Jahren und vieles von dem, was Fritz Roth angestoßen hat, ist mittlerweile in unsere Trauergottesdienste und Rituale eingegangen. Vielen wurde durch ihn bewusst, was verschüttet war an alten Bräuchen und Erfahrungen, die helfen, den Tod anzuerkennen und zu bewältigen. Dass er uns dieses wieder zurückgegeben hat, dafür können wir Fritz Roth dankbar sein.

Vom Betriebswirt zum Bestatter
Fritz Roth ist in Odenthal-Eikamp auf einem Bauernhof aufgewachsen. Bis zum Abitur war er bei den Steyler Missionaren am Niederrhein, spielte mit dem Gedanken Priester zu werden, studierte dann aber Betriebswirtschaftslehre. Nach vielen Jahren als Krisenmanager in der Wirtschaft, hat sich Fritz Roth den Beruf des Bestatters regelrecht erarbeiten müssen. Ein fest überzeugter katholischer Christ, ein kreativer Kaufmann und visionärer Denker nahm die Fragen an das Leben und den Tod auf.

Ein wertvoller Gesprächspartner
Durch seine Offenheit und Lebensfreude, mit Singen und Lachen, mit Humor und Ernsthaftigkeit und mit kultureller Weite betonte er die liebevollen und hoffnungsstarken Gesten der Trauer, bekamen Tod und Trauer wieder eine neue Würde und das Leben eine neue Dimension. Die Einen sahen ihn als Konkurrenten zur kirchlichen Bestattungsform, vielen evangelischen und katholischen Pfarrerinnen und Pfarrer in der Region war er aber ein wertvoller Gesprächspartner, der die Weite der Ökumene schätzte und lebte.
Axel Becker, lange Jahre Pfarrer in Bergisch Gladbach, bestätigt dies mit seinen eigenen persönlichen Erinnerungen an Fritz Roth:

Ein Bestatter und ein Pfarrer
„Fritz Roth, ganz in Schwarz, am Steuer seines Bestatterautos – ich als Pfarrer daneben, den Talar auf den Knien. So fuhren wir oft zu und von den Friedhöfen. Beide fingen wir Anfang der 80erJahre in Bergisch Gladbach neu an: Er, nach langen Jahren in der Wirtschaft nun in der Rolle, nein, in der Realität eines Bestatters. Tag und Nacht bereit, als erster den ratlosen Angehörigen eines/einer Verstorbenen zu begegnen und sie bis zum Grab und darüber hinaus in ihrer Trauer zu begleiten. Ich, nach fast einem Jahrzehnt in Südamerika, jetzt als Pfarrer und Seelsorger in einer Ortsgemeinde.
Wie können wir beide, Bestatter und Pfarrer, den Menschen beistehen, in ihrer persönlichen Trauer den Weg ins Leben zurückzufinden? Unsere gemeinsamen Friedhofsfahrten boten uns Gelegenheit, mehr als nur Amtliches berufsmäßig auszutauschen.
Ich bekam Respekt vor dem Ernst, mit dem sich Fritz Roth seiner neuen Aufgabe in der unmittelbaren Begegnung mit Sterben, Tod und Trauer persönlich aussetzte. Er hatte ja nicht den beruflichen Ausgleich eines Pfarrers, glücklichen Menschen vor der Eheschließung oder bei der Taufe und Konfirmation ihrer Kinder zu begegnen. Aber ich spürte, wie in Fritz Roth eine tiefe Lebenskraft wirkte, Freude am Leben und Genuss des Daseins und dass seine neue Tätigkeit als Bestatter ihn gerade zu einer intensiven Liebe zum Leben führte.

Menschlicher Umgang mit Tod und Trauer
Ihn störte es, dass im Osten des Landes bis zur Wende das Bestattungswesen vielfach in die Abteilung „städtisches Entsorgungswesen“ eingeordnet war. Er litt an der Würdelosigkeit, wenn die Toten in ihren Särgen oft in den Abstellräumen der Friedhofsgärtner abgestellt wurden, oft der einzige Raum, in dem sich die Pfarrer den Talar anlegen können. Und dann war da auch die Enttäuschung, wie wenig Zeit und oft auch wenig Sensibilität wir kirchlichen Vertreter für die Seelsorge, die Trauerbegleitung mit den Angehörigen aufbringen können. Seine Bemerkungen waren nie vorwurfsvoll anklagend, sondern immer in ein humorvolles Anteilnehmen gekleidet. Fritz Roth hat nicht darauf gewartet, dass andere sich ändern, sondern er hat aus diesen Wirklichkeitserfahrungen seinen Traum von einem menschlichen Umgang mit Tod und Trauer im Rahmen der Bestattungstätigkeit entwickelt. Und diesen Traum hat er selbst gegen alle Schwierigkeiten und oft auch Widerstände in die Wirklichkeit umgesetzt: „Das Haus der menschlichen Begleitung“ und alles, was daraus erwuchs.

Trauer braucht eine Heimat
Vielleicht haben die vielen Begegnungen mit den Toten ihn darin bestärkt, denn er war überzeugt, dass im Trauern eine fast revolutionäre Kraft erwächst gegen alles Lebensfeindliche, seien es menschenverachtende Verhältnisse in unserer Gesellschaft, falsche Verordnungen und Traditionen, leeres Pathos und vor allem Berührungsängste jeder Art. So konnten Menschen der unterschiedlichsten Konfessionen, Religionen und Überzeugungen bei ihm Raum finden. „Trauer braucht Heimat“. Es ging ihm weder um Rechthaberei noch um bequeme Gleichgültigkeit, sondern um mitfühlende Begleitung in den Lebensgrund eines jeden Menschen. Dabei hat er nie einen Zweifel gelassen über seine persönliche Beheimatung in der katholischen Kirche. Leider ist das manchmal von Seiten der Kirchen als Konkurrenz und unangemessene Einmischung in ihre ureigenen Bereich der Seelsorge verstanden worden. Über 30 Jahre haben seine Anstöße im Bestattungswesen gewirkt, weit über Bergisch Gladbach hinaus. Vieles hat sich zum Besseren verändert. Und die Gemeinden und Pfarrer der evangelischen Kirche haben Fritz Roth viel zu verdanken. Er wird uns allen fehlen.“
Axel Becker, Bergisch Gladbach, Januar 2013

Die Herausforderung des Lebens angenommen
Was Fritz Roth anderen mitgegeben hat an Trost und Hilfe zur Trauerarbeit, das hat er selber gebraucht. Er hat selber die Erfahrung schwerer Krankheit machen müssen. In kurzer Zeit hat der Krebs sein Leben verändert.

Konsequenter Umgang mit der Krankheit
Fritz Roth ist in den neun Monaten bis zu seinem Tod konsequent mit seiner Krankheit umgegangen, hat andere an seinen Erfahrungen teilhaben lassen und damit vielen wieder Mut gemacht, offen über ihre Erfahrungen mit ihrer Krankheit, über ihre Ängste und Hoffnungen zu sprechen. So nehmen wir die Herausforderungen des Lebens an. Der tiefe Glaube an einen liebenden Gott, der uns das Leben schenkt, aber auch die Kraft, das Leiden zu verstehen, hat Fritz Roth gestärkt, die eigene Endlichkeit zu erkennen. Ohne mit Gott zu hadern, hat er das Leben bewusst gelebt. Die geschenkte Zeit hat er fröhlich mit anderen geteilt, hat sich Wünsche erfüllt, ist unterwegs geblieben, gereist und hat dabei alles geplant, was für die Zukunft nötig sein sollte.

„Herr, in deine Hände, sei Anfang und Ende, sei alles gelegt“
Mit diesem Zuspruch zum Leben können wir als Kirche auch weiter mit den Bestattern im Gespräch bleiben und unsere Wege gemeinsam gehen. Mir hilft dabei ein Wort, das Eduard Mörike vor 180 Jahren zum neuen Jahr formuliert hat und welches Fritz Roth gern bis zum Schluss zitiert hat: „Herr, in deine Hände, sei Anfang und Ende, sei alles gelegt.“
Otmar Baumberger, Köln-Dellbrück, Januar 2013

Text: Otmar Baumberger/ Axel Becker/SK
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