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Der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter, Rainer Imkamp, Vorsitzender der Agentur für Arbeit der Kreise Rhein-Erft und Euskirchen, und der Kölner Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger (v.l.).

Transformationsprozesse von historischen Ausmaßen: Jahresempfang des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region

Aktueller hätte die Zeitansage nicht sein können, die im Mittelpunkt des Jahresempfangs des Evangelischen Kirchenverbandes Köln Region in der Trinitatiskirche stand: „Strukturwandel und Megatrends: Sozial-ökologische Transformation in Köln und der Welt.“ Als Referenten hatte man Rainer Imkamp gewinnen können,  Vorsitzender der Agentur für Arbeit der Kreise Rhein-Erft und Euskirchen. Der Kölner Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger begrüßte die Gäste in der spärlich besetzten Innenstadtkirche. Viele hätten aufgrund der steigenden Corona-Zahlen abgesagt, erklärte er. Es hätten sich dennoch etliche eingefunden, fuhr er fort, „die das Beste für die Stadt und und Landkreise denken und zu tun versuchen“. Die renovierte Trinitatiskirche sei „hoch und weit, das gebe Sicherheit“.

Vieles verändere sich gerade, ging Seiger auf das Thema des Abends ein. Die Digitalisierung verändere das Leben dramatisch. Die Klimakrise schreite fort. Man stehe am Anfang des zweiten Corona-Winters. Und eine neue Regierung nehme auch in Kürze die Arbeit auf. „Wie können wir zusammenhalten als Gesellschaft?“, fragte der Stadtsuperintendent. „Wir stehen am Anfang des Kirchenjahres. Und damit nicht am Ende, sondern eben am Anfang. Es ist Advent. Wir warten auf die Geburt des Kindes in Bethlehem. Wir Christen leben nicht von der Vergangenheit, sondern in der Perspektive auf das künftige Leben. Es geht uns wie den Vögeln in der Nacht. Sie singen noch bevor die Sonne aufgeht. Auch wir Christen singen von der Hoffnung auf das Licht.“

Megatrends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demographie

Dann begann Imkamp mit seiner Zeitansage: „Nicht nur in der Pandemie haben wir in der Bundesagentur eine wichtige Funktion, mussten hierbei aber auch Prioritäten setzen, nämlich: Existenzsicherung – insbesondere durch die Brücke der Kurzarbeit und gleichzeitig der Gesundheitsschutz in einem systemrelevanten Teil der Sozialversicherung.“ Megatrends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demographie veränderten die Welt. Die Frage sei nicht, ob sich die Welt verändere, sondern nur wohin – und sie verändere sich vor allem rasant schnell. „Bei der Einführung des Automobils hat es 62 Jahre gedauert, bis der Schwellenwert von 50 Millionen Nutzern überschritten wurde. Bei der Etablierung des Internets, wie wir es heute kennen, waren es drei Jahre. Und noch ein letzter Wert aus neuerer Zeit: Das Handyspiel ,Pokemon go‘ hatte den Schwellenwert bereits erreicht nach 19 Tagen.“

Als besondere Herausforderung bezeichnete Imkamp den Ausstieg aus der Kohle. „Das sind Transformationsprozesse von historischem Ausmaß. Diese Transformation bedeutet im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten Jahrzehnten zu verlassen und zu völlig neuen Wertschöpfungsformen zu kommen.“ Geschäftsmodelle erlägen einem rasanten Wandel: „Erinnern Sie sich noch daran, wie Köln vor wenigen Jahren mit Bikesharing-Fahrrädern überschwemmt wurde? Innerhalb kürzester Zeit veränderten sich jedoch die Rahmenbedingungen und das Geschäftsmodell wurde durch E-Scooter mit Straßenzulassung überholt. Wir müssen an dieser Stelle ehrlich festhalten: Das Stadtbild hat sich durch die omnipräsenten E-Scooter leider nicht verbessert. Von der Wasserqualität des Rheins ganz zu schweigen.“

Beratung, Qualifizierung und Vermittlung von Fachkräften

Auch Berufe würden sich radikal verändern. „Wir als Bundesagentur für Arbeit und konkret vor Ort werden uns daran messen lassen müssen, ob es uns gelingt, unsere Angebote in den Bereichen Beratung, Qualifizierung und Vermittlung von Fachkräften vorausschauend und nachhaltig an die veränderten Erfordernisse des Arbeitsmarktes anzupassen.“ Es gelte, den permanenten Austausch mit den Firmen und der Wissenschaft zu pflegen. Zahlreiche Erwerbstätige werden sich infolge der Transformationsprozesse auf eine oder teilweise auch mehrere berufliche Neu- oder Umorientierungen einstellen müssen. Das fällt nicht immer leicht. Doch auch in diesen Situationen möchte die Bundesagentur für Arbeit unterstützen. „Mit dem Angebot der Berufsberatung im Erwerbsleben verfolgen wir einen präventiven Ansatz, indem wir Menschen helfen, sich in einem Arbeitsmarkt zurechtzufinden, der sich immer schneller wandelt.“

Zum Schluss appellierte Imkamp: „Nur gemeinsam können wir die Krisen und Herausforderungen dieser Zeit meistern. Aber auch Werte und unsere dazugehörigen Vorstellungen verändern sich. Dies könnte vielleicht sogar die größte Herausforderung in den anstehenden Transformationsprozessen darstellen.“

Flexibilität, Kreativität und Zuversicht

„Es bedarf unserer Flexibilität, Kreativität und Zuversicht, um konstruktiv mit den sich verändernden Rahmenbedingungen umzugehen“, sagte der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter, der in seinem Grußwort auch die Grüße der Oberbürgermeisterin Henriette Reker überbrachte. „Die Braunkohlereviere sind die prägnantesten Symbole für diesen   Strukturwandel. Verständlicher Weise haben die dort arbeitenden Menschen große Sorgen, wie es für sie weitergehen wird.“ Aber es gebe eine Perspektive, so der Bürgermeister: „Die angekündigte Dekarbonisierung schürt Hoffnungen auf neue Perspektiven und Möglichkeiten. Frische, junge Start-ups machen etablierten Unternehmen in allen Branchen Beine.“ Selbst die letzten Dinosaurier würden langsam erkennen, dass sie ihre Konzepte verändern müssten, wenn sie in Zukunft noch dabei sein wollten. „Strukturwandel ist eine Herausforderung, aber wenn wir unseren Grundwerten treu bleiben, dann sehe ich darin eine großartige Chance für eine gute und nachhaltige Zukunft.“

Für Begeisterung bei den Gästen sorgte die musikalische Begleitung des Abends durch das Blechbläserensemble von Cologne Concert Brass aus Rondorf. Nach der Veranstaltung in der Kirche traf man sich zu Gesprächen im neu gestalteten Foyer der Trinitatiskirche.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann