You are currently viewing Tipp: Tacheles, die einzige evangelische Talkshow der BRD, hat viel Erfolg und lädt ein zum Stöbern im Archiv

Tipp: Tacheles, die einzige evangelische Talkshow der BRD, hat viel Erfolg und lädt ein zum Stöbern im Archiv

Der Begriff „Tacheles“ (reden) stammt aus dem Jiddischen und bedeutet „offen miteinander reden“. Und „Tacheles“ heißt die erste bundesweite Kirchen-Talkshow, die im Oktober 1999 in der hannoverschen Marktkirche Premiere feierte. Jeder Talk wurde und wird vom Spartenkanal Phoenix übertragen. Moderatoren sind Pastor Jan Dieckmann vom norddeutschen evangelischen Rundfunkreferat sowie die NDR-Journalistin Hanna Legatis. Jede Sendung ist 90 Minuten lang: „wo die Debatten einer kurzatmigen Mediengesellschaft aufhören – da setzt Tacheles an“, so das Credo des Tacheles-Teams. Die nächste Sendung wird Mitte März sein – wer es genauer wissen möchte, sollte den Newsletter abonnieren, hier.

Nun ist die Sendung schon über fünf Jahre alt – und hat immer noch großen Erfolg. Mit einem „roten Tuch“ startete sie als EKD-Medienoffensive. „Tacheles – Talk am roten Tisch“, so der Titel der ersten Folgen, mit der sich Kirchenleute zurück in die öffentliche Debatte meldeten. Die Farbe des Tischtuchs sollte Emotionen wecken. Und das funktionierte gut: Prominente aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Kultur tauschten sich alle sechs Wochen in der gotischen Marktkirche in Hannover offen aus. Auf neun Monate war das Projekt ursprünglich angelegt, finanziert von der Hanns-Lilje-Stiftung und der EKD, mittlerweile sind 63 Monate daraus geworden – und noch immer verwandelt sich sechsmal im Jahr Hannovers größte Kirche in ein Fernsehstudio.

Kirche zum Anfassen
Hier stritten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, der tschechische Botschafter Boris Lazar, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer über die deutsch-tschechische Versöhnung und die Wunden der Vertreibung, schilderte der Publizist Peter Scholl-Latour Eindrücke aus dem Irak, forderte der Fernsehpfarrer Jürgen Fliege eine „Kirche zum Anfassen“ und bekannte in der Bildungsdebatte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, dass er in der Schule sitzen geblieben ist.

Massenweise Informationsmaterial im Archiv
Mittlerweile hat sich aus den vielfältigen Themen ein interessantes Archiv entwickelt, in dem man über die Diskussionsteilnehmer bis zu Informationen zum Thema massenweise Interessantes finden kann: Bilder, Statements, Originalzitate und jede Menge Hintergrundinformationen plus Online-Foren und der Möglichkeit, dort selbst  zu diskutieren – vor der Sendung oder danach. Die Themen waren und sind immer zeitnah und kontrovers, etwa der Pflegenotstand,  der „boomenden Markt für Gentests“, Islamisten in Deutschland, „Religion und Gewalt“, die deutsche „Jobkrise“, die Themen Sterbehilfe und „Nationalstolz“ oder das „Fernsehen und die Bilder der Gewalt“. Dies ist nur eine kleine Auswahl – um das ganze Themenspektrum zu sehen, muss man schon auf die Internetseiten klicken.

Großer Erfolg – live, im TV, im Radio und in der Zeitung
Tacheles hat Erfolg: In der Regel erzielt die Sendung einen Marktanteil unter allen Fernsehkanälen von 0,6 Prozent. Das entspricht dem durchschnittlichen Anteil des anspruchsvollen Ereignis- und Dokumentationsanteils bei ARD und ZDF und ist sogar etwas besser als der Durchschnitt anderer Gesprächssendungen. „Tacheles“ erreicht pro Sendung durchschnittlich 250 000 Zuschauer.
Nachzulesen sind die Debatten regelmäßig in der Evangelischen Zeitung oder in anderen Kirchenblätter. Das Medienecho auf die Talkshow ist enorm. Zeitungen vom Tagesspiegel bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichteten, Agenturen und Rundfunksender greifen die Debatten auf. Tacheles steht für eine neue Streitkultur – auch und gerade in der Kirche.
Seit 2003 sendet zusätzlich auch „NDR Info“, der Informationskanal des Norddeutschen Rundfunks, eine Zusammenfassung der Talkshow im Radio. „Tacheles greift aktuelle Themen auf, die die Menschen bewegen“, begründet NDR-Chefredakteur für den Hörfunk und Programmchef von NDR Info, Joachim Knuth diese Entscheidung. „Tacheles liefert Hintergrund-informationen und kontroverse Meinungen zum Zeitgeschehen. Das passt gut zum Profil von NDR Info.“

Der Vorteil für die Kirche? Menschen zu klaren Aussagen bringen!
Und es ist gut für ein neues Bild von Kirche, für ein sich wandelndes Verständnis von Streit und für die Transparenz kirchlicher Positionen in der Öffentlichkeit. Die Journalistin und Tacheles-Moderatorin Hanna Legatis antwortete  auf die Frage, was sie daran so reize, Tacheles zu reden: „Die Chance, Menschen zu klaren Aussagen zu bringen. Gerade Vertreter von Kirche und Politik vermeiden es sonst, sich deutlich auszudrücken. Bei unseren Gesprächen am roten Tisch sitzen sich die Teilnehmer leibhaftig gegenüber. Eine gute Übung: dem anderen ins Gesicht zu schauen, wenn man ihm die eigene Meinung sagt.“
Und Jan Dieckmann Pfarrer und der zweite Moderator von Tacheles antwortete auf die gleiche Frage: „Die Kirche und die Christen tragen Wesentliches zur modernen Gesellschaft bei: Das Wissen um die Unverfügbarkeit des Lebens, Solidarität und Nächstenliebe, die Gewissheit, dass der Himmel offen ist. Das kann und muss klarer, zugespitzter und deutlicher ins öffentliche Gespräch gebracht werden.“

Text: tacheles/Al-Mana
Foto(s):