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Thomas Fresia: „Kirche soll Freude machen und nicht noch eine Last auf die Schultern legen“

„Die rheinische Frohnatur und das kölsche Grundgesetz sind mir nahe. Auch Kirche soll Freude machen und nicht noch eine Last auf die Schultern legen.“ Mit Energie und Lebensfreude star­tete Thomas Fresia zum 1. September in seinen Dienst als Gemeindepfarrer im Kölner Nordosten. Seine Einstellung sei „vielleicht ein bisschen unprotestantisch, weil wir uns mit der Wortzentrierung ein Stück weit der Emotionen beraubt haben. Aber ich finde, es darf geweint und gelacht wer­den – wenn nicht in der Kirche, wo dann?“

Thomas Fresia kehrt mit seiner neuen Stelle in die Heimat zurück. Der geborene Kölner studierte in Marburg und Münster, absolvierte sein Vikariat in Setterich-Siersdorf bei Aachen und arbeitete an­schließend in Übach-Palenberg und seit 2011 in Wien. Die Stelle „in der österreichischen Diaspora“ teilte sich der Rheinländer mit seiner Frau Anja, ebenfalls Pfarrerin. Die Zusammenarbeit scheint geklappt zu haben, denn in Köln möchten die beiden es ebenso halten: Wenn Anja Fresia ihre letzte Prüfung absolviert haben wird, soll sie eine halbe Stelle in der Gemeinde übernehmen. „Unsere Ga­ben und Arbeitsstrukturen sind durchaus unterschiedlich, ergänzen sich aber sehr gut. Wir liefern uns keinen Konkurrenzkampf und haben gute Erfahrungen damit gemacht, Arbeit und Privates von­einander zu trennen.“ Manchmal müssten sie aber auch ihre beiden Töchter (acht und zehn Jahre alt) an den Feierabend erinnern.

Von der neuen Gemeinde sehr angetan
Von seiner neuen Gemeinde ist Thomas Fresia, Jahrgang 1972, schon sehr angetan. Der Kirchen­neubau gefällt ihm gut: „Das schafft für die fusionierte Gemeinde das Bewusstsein: Hier ist unser Zentrum! Ich hoffe, dass das Stammheimer und Flittarder gleichermaßen empfinden.“ Der Freund ehrlicher Worte freut sich auf eine auch theologisch sehr vielfältige Gemeinde und schätzt den Plu­ralismus in der Beziehung zu Gott. „Warum sollte es da nicht ein buntes Miteinander geben? So et­was wandelt sich ja auch in der eigenen Biografie.“ Zum Thema Diversität in der Gemeinde zitiert er einen katholischen Kollegen aus Palenberg: Wo Menschen sich streiten, sich reiben, entsteht Wärme. Das ist doch positive Energie.“

Motiv des Einander-Dienens
Seine eigene Rolle will er dabei keinesfalls überschätzen: „Gemeinde ist kein Ort zum Ausleben der eigenen Profilneurosen.“ Ein Gedanke, der auch vor Überforderung und Burn-Out schütze. Dem Pfarrer, der sich selbst augenzwinkernd als „spontan mit Hang zum Chaotischen“ bezeichnet, gefällt das Motiv des Einander-Dienens, das der Predigttext zum Einführungsgottesdienst am 13. September aufgriff. „Diesen Gedanken finde ich für eine Kirchengemeinde ganz hilfreich.“

Berufswahl im Zivildienst getroffen
Als Pfarrer der ersten Stunde bezeichnet sich Thomas Fresia allerdings nicht. Auf die Frage, ob er denn schon immer in diesem Beruf arbeiten wollte, antwortet er: „Nö, überhaupt nicht!“ und beschreibt seine Herkunft als „typische volkskirchliche Feiertagschristen“, Religion habe er in der Schule abgewählt. Er wollte lange Journalist werden, schrieb für die Schülerzeitung. Dass dann alles ganz anders kam, habe am Zivildienst in der Kirchengemeinde in Worringen gelegen. Die dortigen Menschen haben ihn mit seiner geerdeten Art von der Arbeit mit und in der Gemeinde überzeugt. Die Unberechenbarkeit und Vielfalt, die er in dieser Zeit kennen gelernt habe, machen für ihn bis heute das Faszinosum des Pfarrberufs aus. In Flittard/Stammheim will er nun zunächst „ein Feeling für die Gemeinde entwickeln“. Für ihn ist es wichtig, den Pulsschlag einer Gemeinde zu finden: „Wo sind die Menschen jetzt gerade? Wo kann ich sie abholen?“

„Predigt ist Kommunikation des Evangeliums“
Auf diesem „Feeling“ bauen seine Predigten auf, die er nicht ausformuliert und abliest, sondern am liebsten frei gestaltet. Thomas Fresia schätzt auch neue Formen im liturgischen Ablauf und stimmt Ernst Lange zu, der sagte: „Predigt ist Kommunikation des Evangeliums“. Und kommunizieren ginge am besten, wenn er nicht bloß vorlese, sondern auf die Reaktionen der Zuhörenden eingehe. „Diese Reaktionen aus der Gemeinde sind so spannend und kommen einfach viel besser, wenn ich frei predige.“ Wer sich für seine Gemeinde interessiert, der will auch etwas bewirken, nahe am Menschen sein. Aus diesem Grund schätzt der neue Pfarrer auch die Arbeit mit Trauernden. „Beerdigungen sind so eine ehrliche Kasualie. Da trifft man die Menschen am ehesten ungeschminkt. Bei Taufen und vor allem bei Hochzeiten geht’s oft mehr um das Event als um theologische Fragen.“

Gemeinden vernetzen
Ein weiteres Anliegen ist der Ausbau der Vernetzung einzelner Gemeinden, so wie es beim Kanzeltausch und vor allem auch in der Jugendarbeit bereits geschieht. Hier kooperiert die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/Stammheim mit den Gemeinden in Köln-Mülheim und Köln-Dünnwald. Einen generellen Schwerpunkt will er in seiner Arbeit jedoch nicht benennen, sondern ist für alle offen: „Ich erlebe mich als so einen Allrounder, der den Querschnitt liebt.“ Nicht zuletzt ist er auch ein Freund der ganzen Bandbreite der Kirchenmusik. Vom Gospel bis zur Bach-Passion gefällt ihm vieles, als Sänger wie als Zuhörer. Es ist schließlich jeder Jeck anders – noch so eine kölsche Weisheit, die Thomas Fresia sicher gefällt.

Text: Kristina Pott
Foto(s): Privat