Die Evangelische Akademie im Rheinland und die Melanchthon-Akademie Köln hatten in die Trinitatiskirche eingeladen, um sich über das Thema Klimakrise und Hoffnung zu unterhalten. Gekommen waren der katholische Theologe Professor Dr. Thomas Ruster und Jana Boltersdorf, engagiert in der Fridays for Future-Bewegung. Begleitet und moderiert wurde der Abend von dem Theologen und Diplom-Ingenieur Dr. Frank Vogelsang, Leiter der Evangelischen Akademie im Rheinland, sowie vom Leiter der Melanchthon-Akademie, Dr. Martin Bock.
Gibt es noch Hoffnung?
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde eröffnete Ruster den Abend mit einem Impulsvortrag mit dem Titel „Gibt es noch Hoffnung – aus christlicher Perspektive“. Ruster, Jahrgang 1955, blickte kurz zurück auf seine eigene Jugendzeit: „Wir haben damals vieles probiert, haben Bio-Sachen eingekauft und das Auto abgeschafft“, berichtete er mit Blick auf die Fridays for Future-Bewegung, die von den Jugendlichen der heutigen Zeit initiiert worden ist. „Damals sprachen wir immer von einem Bewusstseinswandel, der eintreten müsste. Aber der kam nicht, stattdessen haben sich alle Indikatoren wesentlich verschlechtert“, so Ruster. Er zeichnete anschließend ein dunkles und hoffnungsloses Szenario. Wachsende Armut, steigende Wasserspiegel, ein starker Wasserverbrauch, bedingt durch die Fleischproduktion benannte er. Die Meere würden überfischt werden. „Der technische Fortschritt wird zu einem Wettlauf gegen sich selbst. Unsere Enkel und Urenkel werden einen Fluch der negativen Nachhaltigkeit erleben „, so der Professor.
Er benannte viele Bücher, die er gelesen hat, und bezog sich auf verschiedene Experten. Beispielsweise ging es um das „Schwarzbuch Kapitalismus“ von Robert Kurz. Auch auf Thomas Hobbes bezog er sich. Einige Thesen zeigte er mit Hilfe eines Beamers. Demnach herrsche Endzeit. Menschen handeln nicht vernünftig, so eine weitere These. „Demokratie ist nicht die Staatsform, die eine Wende herbei führen kann“, auch diesen Satz stellte er vor und fuhr fort: „Keiner kann es richten“. Ruster erläuterte diese Thesen jeweils ausführlich und kam zu der Feststellung, die Fridays for Future-Bewegung sei naiv, die Politik könne die von ihr geforderten Maßnahmen nicht umsetzen, da sie gar nicht handeln könne. „Die Interessen der Mehrheit werden von der Wirtschaft bedient und nicht von der Politik“, betonte er.
Plädoyer für aktives Engagement
Anschließend ergriff Jana Boltersdorf das Wort und führte eine bewegte Rede. Zehn Minuten hielt sie ein Plädoyer und erklärte, warum man eben jetzt handeln müsse. Sie erläuterte, was sie und viele andere motiviere. Dabei bezog sie sich durchaus auch auf Greta Thunberg, die junge Klimaaktivistin aus Schweden, die vieles „ins Rollen gebracht“ hat. „Sie haben gesagt, dass wir keine andere Wirtschaftsform als den Kapitalismus kennen – das stimmt. Aber wir können dennoch Einfluss auf die Welt nehmen, in der wir leben“, so Boltersdorf. Die Veränderung der Welt komme ohnehin durch die Klimakrise. Der Klimaschutz sei ein Thema, bei dem es auch um soziale Gerechtigkeit gehe. Auch den aktiven Teilnehmern der Bewegung gehe es zuweilen so, dass sich Hoffnungslosigkeit breit mache. Deshalb dann noch nicht mal zu versuchen, Veränderungen zu bewirken, sei keine Alternative. Bestimmte Ziele seien aber nur zu erreichen, wenn klar sei, dass wirklich alle mitmachen und sich engagieren. „Egal ob wir es Umwelt nennen oder Gottes Schöpfung, wir müssen alles tun, um diese zu erhalten“, betonte sie.
Hoffnung und Irrtum
Dr. Frank Vogelsang ergriff anschließend das Wort und erklärte, er und auch Ruster hätten genau diese Situation schon einmal erlebt, „wir haben damals schon viel über Nachhaltigkeit gehört“. Die Hoffnung an sich sei eine menschliche Eigenschaft. Menschen, die leben, hoffen, betonte er. Die Hölle sei vielleicht, wenn man keine Hoffnung mehr habe. Aber, führte er weiter aus, Hoffnung habe auch etwas mit Gewissheit zu tun. Hoffnung sei ein Grundgefühl, welches auch mit Verheißung zu tun habe. Dr. Martin Bock beteiligte sich nun am Gespräch und forderte die Runde auf, über unterschiedliche Formen der Hoffnung zu sprechen. Boltersdorf unterschied zwischen zwei Formen der Hoffnung. Sie könne ein passiver Begriff sein, aber eben auch sehr stark machen. Professor Ruster wiederum warf ein, dass für ihn die Naivität im Vordergrund stehe. „Sehr kranke Menschen hoffen auch, dass sie nicht sterben mögen“, verglich er die jetzige Situation rund um die drohende Klimakatastrophe mit einem Einzelschicksal. „Wir kriegen die Probleme nicht in den Griff“, so Ruster. Bock stellte daraufhin die provozierende Frage, ob man dann in Zukunft Trauerzüge statt Demonstrationszüge organisieren solle. Auch stellte er zur Debatte, ob die Fridays for Future-Bewegung wirklich ein absurder Weg in die Zukunft darstelle. Vogelsang fügte später hinzu, dass es für ihn schwierig sei, immer nur von „ganz oder gar nicht“ zu reden. Die „fff“-Bewegung habe für sein Gefühl zu schnell an Boden gewonnen, man müsse einen langen Atem haben.
„Hoffen ist menschlich, aber Irren ist auch menschlich und die Hoffnung kann auch ein Irrtum sein“, so lautete im Verlauf der weiteren Diskussion ein Schluss von Ruster, der die Zuhörer sicher nachdenklich nach Hause gehen ließ.
Podcast im Deutschlandfunk
Der Abend setzte die Reihe: „Was wir zu sagen haben. Zur Relevanz theologischer Rede in der Moderne“ fort, zu der die Evangelische Akademie im Rheinland und die Melanchthon-Akademie Köln in unregelmäßigen Abständen einladen. Die Diskussion wurde in der Sendung Deutschlandfunk Nova, Reihe Hörsaal, am 15. Dezember um 18 Uhr ausgestrahlt und kann als Podcast im Internet abgerufen werden.
Foto(s): Judith Tausendfreund