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Telefonseelsorge: „Unsere Arbeit ist ein Seismograf für die gesellschaftliche Entwicklung“, sagte Pfarrerin Gabriele Koye im EKiR-Interview

„Unsere Arbeit ist ein Seismograf für die gesellschaftliche Entwicklung“, sagt Pfarrerin Gabriele Koye, Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge Köln. Einsamkeit, Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut sind häufig Themen am Telefon und im Internet. Mehr als zwei Millionen Mal im Jahr klingelt das Telefon in einer der über 100 Telefonseelsorgen in Deutschland. Dazu kommen mehr als 4000 Mail- und 1600 Chat-Kontakte. Und der Bedarf an Seelsorge und Beratung steigt. Das berichtet der Leiter der ökumenischen Telefonseelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen, Diplom-Psychologe und -Theologe Olaf Meier. „Wir haben dabei immer mehr Menschen, die regelmäßig anrufen, einige jeden Abend“, so Meier. Telefonseelsorge sei für sie „Alltagsbegleitung“.

Den steigenden Bedarf sieht auch Koye. Ganze Gruppen von Menschen seien dazu gekommen, so etwa viele junge Menschen, weil auch der Anruf mit dem Handy kostenlos sei, erläutert sie. Diese Entwicklung bestätigt Heidrun Mohren-Dörrenbächer von der Evangelisch-Katholischen Telefonseelsorge im Saarland. Bei der Telefonseelsorge Düsseldorf ist der Bedarf allerdings „relativ konstant“, erklärt Pfarrerin Ulrike Atkins. Die Zahl der Erstanrufe gehe sogar eher zurück.
Mail-Seelsorge für „schambesetzte Themen“

Dafür nimmt in Düsseldorf die Zahl der Mail-Kontakte zu. „Die Mail-Seelsorge kommt gut an, die Userzahl steigt und wir erreichen eine andere Klientel, jüngere Menschen“, schildert Atkins. Passend zum 50-jährigen Bestehen der Telefonseelsorge Düsseldorf wird nach dem Sommer auch eine Chat-Beratung angeboten. „Das ist zeitnaher, weniger virtuell und realer als Mail“, findet sie.

In Köln gibt es seit über zehn Jahren Mail- und Chatseelsorge. „Die User sind in der Tendenz jünger als bei der Telefonseelsorge, doch die älteren Menschen holen auf“, weiß Koye. Telefon und Internet stehen aus ihrer Sicht nicht in Konkurrenz zueinander. „Wir arbeiten einfach zweigleisig.“

Das sieht auch Meier so. „Die User im Netz sind jünger und es geht mehr um schambesetzte Themen, beispielsweise Selbstmord, Gewalt oder selbstverletzendes Verhalten.“ Als Instrument zur direkten Krisenintervention sei Mail-Seelsorge nicht geeignet, aber Meier betont ihren „präventiven“ Charakter. Er will die verschiedenen Medien nicht gegeneinander ausspielen. Das Internet habe eine neue Klientel erschlossen und die Telefonseelsorgen hätten sich mit der Nutzung verschiedener Medien dem veränderten Medienverhalten in der Gesellschaft angepasst.

So vermutet Mohren-Dörrenbächer auch einen steigenden Bedarf an Chat-Seelsorge, die zur Zeit in Saarbrücken noch nicht angeboten wird. An eine Konkurrenz der verschiedenen Angebote glaubt sie nicht: Für sie ist Seelsorge im Internet ein „Zusatzangebot“, aber „unser Hauptaugenmerk liegt weiter auf dem Telefon“.

Und damit die Telefone weiterhin rund um die Uhr besetzt sind, braucht es Ehrenamtliche. Und die zu finden, wird immer schwieriger. Die Telefonseelsorge in Saarbrücken hat zwar bisher immer genug Ehrenamtliche gefunden, aber in diesem Jahr „war das etwas zäher als gewohnt“, erzählt Mohren-Dörrenbächer. „Wir mussten viel mehr Werbung machen als sonst.“ Vielleicht liege es auch daran, dass Ehrenamtliche zwischen immer mehr Möglichkeiten zum Engagement auswählen könnten, sagt sie.

In Köln ist das Finden neuer Ehrenamtlicher ebenfalls „schwieriger geworden“. Vielleicht auch, weil die wirtschaftliche Lage schlechter geworden sei, vermutet Koye. Da müssten Menschen eher Geld verdienen. „Alters- und auch berufsbedingt haben gerade einige Ehrenamtliche aufgehört. Wir sind auf der Suche und freuen uns über interessierte Menschen“, sagt Koye. Und auch die Telefonseelsorge Duisburg-Mülheim-Oberhausen braucht Verstärkung. „Wir sind an der Belastungsgrenze von System und einzelnen Mitarbeitenden angekommen“, schildert Olaf Meier.

Bei der Telefonseelsorge Düsseldorf ist das Finden Ehrenamtlicher kein großes Problem. „Wir haben immer so um die 25 bis 35 Interessierte und 12 bis 14 davon wählen wir aus. Da haben wir es wirklich gut“, weiß Atkins

Text: EKiR
Foto(s): Rahmann