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Teilen, was da ist: BROTfairTEILER in der Thomaskirche

Jede Woche werden in der Nacht auf den Dienstag die Lebensmittel-Retouren von 40-50 Läden bei einer Großbäckerei im Kölner Norden eingesammelt, um am Vormittag an der Thomaskirche im Kölner Agnesviertel an Bedürftige ausgegeben zu werden. Wenn sich die Türen um 10 Uhr öffnen, liegen körbeweise Brot, Brötchen, Gebäck und was sonst aus dem Verkauf übrig ist bereit. Pfarrerin Eva Esche, der Leiterin des Projekts, ist der christliche Urgedanke wichtig: „Gemeinsam essen und teilen, was wir haben!“

Bürokratischen Aufwand mit seiner Essenspende hat die Großbäckerei als „entsorgender“ Konzern nicht. „Die Lebensmittelretter stehen neben dem Container und fangen die nicht verkauften Waren des Tages ab“, erklärt Eva Esche. Ab 3 Uhr nachts machen sich die ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrer auf den Weg zur Sammelstelle und beladen dort bis zum frühen Morgen ihre Kisten. Mit dem, was sie im Transporter zur Thomaskirche bringen, versorgen die Helferinnen und Helfer jede Woche 60 bis 80 Menschen und deren Familien. Die Backwaren reichen meist für  mehrere Tage. Jeder von ihnen wirft als kleine „Gegen-Spende“ 50 Cent in die Kasse – oder was er sich leisten kann.

Am Anfang stand weniger der Wunsch, Bedürftigen zu helfen als vielmehr ein politisches Zeichen gegen das Verschwenden noch brauchbarer Lebensmittel zu setzen. Die Initiative dazu kam aus der Gemeinde. „Da müssen auch wir Verbraucher umdenken“, betont Eva Esche nachdrücklich. „So lange wir darauf bestehen, kurz vor Ladenschluss noch ein frisches Dinkelbrot kaufen zu können, wird nun einmal überproduziert.“ Die Bewahrung der Schöpfung war der tiefere Sinn, der für die Pfarrerin der Thomaskirche hinter dem Projekt stand. Ursprünglich war die Idee „… auf vielleicht ein gutes Jahr“ angelegt. Das war vor 4 Jahren. Zu Beginn nahm noch die Gemeinde die geretteten Nahrungsmittel mit heim, schon nach kurzer Zeit wurde aber die Nachfrage an unbürokratischer Hilfe für Bedürftige deutlich.

Auch wenn es Parallelen zur „Tafel“ gibt, machen die Unterschiede das Besondere des Thomaskirchen-Projektes aus. Niemand muss sich hier ausweisen oder eine Bescheinigung beibringen, es gibt keine Wartelisten und keine Aufnahmestopps. Die Besucher, die oft bis zur Straße Schlange stehen, bevor geöffnet wird, stammen aus allen Kulturen und allen Religionen. „Probleme sind da natürlich unvermeidbar“, weiß Eva Esche. „Konkurrenzverhalten gibt es schließlich überall im Leben.“ Den Ton der Menschen beim Lösen von Konflikten zu treffen, ist für sie der Schlüssel zu einem positiven Miteinander. „Das Einzige, was wir haben, das helfen kann, ist unser Mund. Da kann man nur reden, reden, reden.“ Insgesamt ist die Stimmung aber fröhlich, zugewandt und von möglichst viel Leichtigkeit geprägt. Gerade das ist der Pfarrerin wichtig, die unter anderem damit auch dem Projekt ihren Geist geben möchte. Das große Sozialfrühstück, das für alle im Anschluss an die Ausgabe im oberen Saal angeboten wird, trägt dazu bei und ist gemeinschaftsstiftend.

Und mehr als das: Selbst im Winter kommen manche der Damen extra einige Stunden früher, um Zeit zum Klönen und Kaffeetrinken zu haben. „Heute morgen klapperten trotz Kälte ab 7:30 Uhr die Stricknadeln draußen auf den Bänken“, erzählt Pfarrerin Eva Esche. „Die Frauen kommen her, um auch noch Zeit mit ihren Freundinnen zu haben.“ Weitere Anreisen schrecken dabei ebenso wenig ab wie ungemütliches Wetter. Eine der regelmäßigen Abnehmerinnen ist mit Bus und Bahn über Stunden unterwegs, um sich für ihre Woche Essen mitzunehmen. Auch wenn alle Altersgruppen und Lebenssituationen in der Warteschlange vertreten sind, ist die große Zahl der Senioren unübersehbar. Pfarrerin Esche sieht das ähnlich: „Armut im Alter ist offensichtlich ein großes Thema.“

Für einen reibungslosen Ablauf der Lebensmittelausgabe sorgt das riesengroße Engagement von insgesamt 10 bis 12 Ehrenamtlichen, die dafür den größten Respekt ihrer Projektleitung haben. „Es ist enorm, was hier geleistet wird“, lobt sie. „Unsere freiwilligen Helferinnen und Helfer sind erfüllt von ihrer Aufgabe, manche sammeln die ganze Woche über kontinuierlich in Supermärkten.“ Nicht alles, was dabei gebraucht wird, ist unentgeltlich zu bekommen. So wird zum Beispiel wird Geld für den Unterhalt der Transportfahrzeuge benötigt, für Verbrauchsmaterialien, Versicherungen usw. Für das angeschlossene Frühstück wird ebenfalls zugekauft. Die laufenden Kosten dafür werden durch Spenden aus der Gemeinde getragen. Über zusätzliche Unterstützung freut sich der BROTfairTEILER deshalb immer. „Wir können hier viel tun und es ist ein gutes Gefühl, helfen zu können“, freut sich Eva Esche. „Besonders schön ist es, wenn manche unserer Besucher sich dann trauen, auch in die Gottesdienste zu kommen. Vielleicht kann ich ihnen hier auch spirituelle Nahrung mitgeben. Ich hoffe es.“

Hier gibt es mehr Informationen über den BROTfairTEILER der Thomaskirche.

Text: Claudia Keller
Foto(s): Claudia Keller