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Talkgottesdienst mit Ludwig Sebus in der Lutherkirche

"Der Herrgott hat uns allen ein Gesicht gegeben. Aber lachen müssen wir schon selber." Diesen Wahlspruch hat Ludwig Sebus wie wohl wenige in die Tat umgesetzt. Der stets gut gelaunte Grandseigneur der kölschen Krätzchensängerzunft war zu Gast beim Talkgottesdienst in der Lutherkirche.

Im Gespräch mit Pfarrer Hans Mörtter wurde jedoch schnell deutlich, dass der 91-jährige kölsche Jung nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens stand. Seine Jugend erlebte der gläubige Katholik während der Nazi-Zeit. Immer wieder drehte sich das Gespräch zwischen Mörtter und Sebus um diesen Lebensabschnitt. Das war gewollt, denn der Gottesdienst war eingebettet in das zweiwöchige Edelweißpiratenfestival, mit dem an die Ehrenfelder Widerstandsgruppe erinnert wird.

Mit sechs Jahren zur katholischen Jungschar
"Ich war schon in sehr jungen Jahren in der Gemeinde St. Michael, im heutigen Belgischen Viertel, engagiert. Das war eine sehr aktive, mutige Gemeinde und damit Impfstoff gegen die Nazis", erinnerte sich Sebus. Die Nazis hätten sich in die Herzen der Menschen geschlichen, weil sie ihnen Lohn und Brot gegeben hätten. Aber sehr schnell sei klar geworden, dass dieses Regime das christliche Menschenbild abgelehnt habe. "Wir haben damals in der Lützowstraße gewohnt. Acht Familien im Vorderhaus, acht im Hinterhaus. Als ich sechs Jahre alt war, hat mich ein Nachbarsjunge mitgenommen zur katholischen Jungschar. Das Engagement dort hat mich für mein Leben geprägt. Dort fühlte ich mich einfach gut aufgehoben", erzählte Sebus.

Die Hitler-Jugend gefoppt
Während die Jugendlichen, die aktiv Widerstand gegen die Nazis leisteten – wie etwa die Edelweißpiraten, meist einen kommunistischen Familienhintergrund gehabt hätten, sei die katholische Jugend gegenüber dem Regime eher passiv gewesen. "Später wohnten wir an der Ecke Moltkestraße/Aachener Straße. Die Aachener Straße trennte zwei große Bezirke der Hitler-Jugend (HJ). Samstags musste man da antreten. Wenn ich gefragt wurde, warum ich samstags nicht da war, habe ich gesagt, ich sei bei dem anderen Bezirk angetreten. Statt dessen bin ich ins Schwimmbad nach Müngersdorf gefahren." Das ging natürlich nicht lange gut. Irgendwann erhielt sein Vater eine Vorladung der Gestapo in das heutige EL-DE-Haus und Sebus musste ab sofort antreten wie alle anderen auch.

Zum Jubeln gezwungen
Im Gedächtnis geblieben ist Sebus ein Besuch Adolf Hitlers in Köln. Stundenlang musste er mit anderen aus der HJ vor dem Dom stehen und auf Hitler warten, um ihm schließlich zuzujubeln. Der sei dann in einer Wagenkolonne durch Köln gefahren worden. Als sich die Jungs auf den Heimweg machen wollten, wurden sie von Parteifunktionären zurückgehalten. Als Hitler nach drei Stunden Spazierfahrt im Hotel Ernst angekommen war, mussten sie rufen: "Wir wollen nicht nach Hause gehn, wir wollen unseren Führer sehn." Der Junge, der neben Sebus stand, hat sich nach Stunden des Wartens in die Hose gemacht.

"Die schützende Hand Gottes gespürt"
Als Manifestation der Unzufriedenheit haben Sebus die Bußgänge der Männer nach Kalk beeindruckt. 60.000 Männer hatten sich in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg aufgemacht, obwohl die Nazis alles versucht hätten, die Leute davon abzuhalten. Etwa durch permanentes Fotografieren der Gesichter. Sebus wurde schließlich zur Wehrmacht eingezogen und diente dort als Funker. "Ich habe damals die schützende Hand Gottes gespürt", erinnerte er sich an eine Situation, in der er nur um Haaresbreite sein Leben retten konnte. "Meine Einheit hatte mich vergessen und ich musste mich mit 40 Pfund Funkerausrüstungen über einen Weinberg vor der heranrückenden Roten Armee in Sicherheit bringen. Als ich über den Berg entkommen wollte, haben die mit allem auf mich geschossen, was sie hatten." Aber trotzdem verfehlt.

Lebensmotto: Humor und Gottvertrauen
Von 1944 bis 1950 war Sebus in russischer Gefangenschaft. "Das war eine sehr schwere Zeit. Vor allem für die jungen Familienväter. Wer damals einen Glauben hatte, hatte es leichter." Während der Gefangenschaft hatte Sebus nochmal großes Glück. Er wurde mit 120 Kameraden in einem Bergwerk verschüttet. Sebus und ein weiterer Zwangsarbeiter konnten als einzige gerettet werden. "Hast Du Angst vor dem Tod?", fragte Mörtter. "Nein, ich sehe jeden Tag als Gottesgeschenk. Und im Übrigen sind wir als Christen ja fein raus, wenn der Tod kommt. Wir müssen keine Angst haben." Als Mörtter das Gespräch beendet hatte, wandte sich Sebus noch einmal an das Publikum in der vollbesetzten Kirche und fasste den fröhlichen Pragmatismus, mit dem er sein Leben gemeistert hat, in einem Satz zusammen: "Auch die schönste Frau is an de Fööss am Engk."

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann