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Tagung im Kölner Komed: „Mehr digitale Souveränität gewinnen“

„Würde Luther heute twittern?“ – Vermutlich ja, denn die Kirche hat sich Medien schon immer zunutze gemacht. Luther hat sich der Medien seiner Zeit, Buchdruck und Flugblatt, bedient, um seine „Message“, das Evangelium, unter die Leute zu bringen.

„Er war in seiner Zeit durchaus ein Medienprofi. Als Kirche müssen wir weiter lernen, Profis im Umgang mit digitalen Medien zu werden“, sagt Hella Blum, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie im Rheinland. „Wir wollen bei den Leuten auf dem Marktplatz sein, ihre Sprache sprechen, ihnen ,aufs Maul schauen‘, wie Luther gesagt hat“, ergänzt Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Digitale Souveranität im Umgang ist für kirchliche Mitarbeitende wichtig
Im Umgang mit Social Media brauchen deshalb kirchliche Mitarbeitende theologische Reflexion, Professionalität, Medienkompetenz und letztlich digitale Souveränität. Dazu hat vor Kurzem die Tagung „Mehr digitale Souveränität gewinnen“ im Kölner Komed im Mediapark einen Beitrag geleistet. Im Mittelpunkt stand der Umgang mit sozialen Medien. Zu den Vorträgen und Workshops kamen rund 60 Teilnehmende.

Kirche als das älteste soziale Netzwerk
Kirche müsse wieder mehr Gemeinschaft sein als Institution, sagte der Nürnberger Theologe und Privatdozent Dr. Thomas Zeilinger. Dazu könnten soziale Netze beitragen, denn persönliche Ansprache gelinge auch im virtuellen Raum. Kirche sei das älteste soziale Netzwerk, das müsse man für die heutige Zeit neu entdecken mithilfe von Social Media.
Trends in den sozialen Netzwerken stellte Izabela Koza, Social-Media-Managerin beim Kölner Stadt-Anzeiger, vor. Danach gab die Abiturientin Judith Isabel Citlali Cantú Flores Reimann Einblicke, wie Jugendliche Snapchat nutzen.

Neue Form der Wirklichkeitssetzung
„Als mein Vater sich auf Snapchat einen Account erstellt hat, habe ich ihn erstmal geblockt,“ erzählt die 17-Jährige. Wenn die Kirche in den Netzen Jugendlicher unterwegs sein will, brauche sie dazu junge Menschen, die in den Netzen selbst aktiv seien – nur so könne sie andere glaubwürdig ansprechen, führte die junge Snapperin weiter aus. Laut Medienexperte Wolf Dieter Scheid aus Saarbrücken ginge es im Umgang mit Social Media um eine neue Form der Wirklichkeitssetzung, die Kohlenstoffwelt werde nicht nur abgebildet, sondern auch eine neue Realität geschaffen. In den sozialen Netzwerken gebe es nicht nur Likes, sondern auch grenzverletzende Kritik – vor allem bei Themen, die polarisieren. In der digitalen Welt würden keine grundlegend anderen Regeln gelten als in der Welt vor 50 Jahren, aber Übertretungen der Gesetze hätten manchmal viel weitergehende Konsequenzen, da die Reichweite digitaler Kommunikation viel höher sei, so der Experte.

Grenzverletzende Kritik ist nicht die Regel
Dennoch sei grenzverletzende Kritik, auch "Hate-Speech" genannt, nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Dies wird deutlich, wenn man sich die Nutzungsfrequenz bei Facebook ansieht. Die Rechtsanwältin Jennifer Hort-Boutouil plädierte dafür, bei "Hate-Speech" zunächst auf Moderationstechniken, Gegenrede (Counterspeech) und Deeskalation zu setzen, bevor Anwälte eingeschaltet würden. Auch Jana Garsztecki, ebenfalls Anwältin in der Kanzlei Login Partners aus Pulheim, sprach sich dafür aus, bei Rechtsverletzungen zunächst das Gespräch zu suchen, bevor man in die juristische Auseinandersetzung gehe.
"Der medienethische Diskurs ist für uns als kirchliche Akademie wichtig", betonte abschließend Joachim Ziefle, stellvertretender Leiter der Melanchthon-Akademie Köln. Die Akademie hatte gemeinsam mit der Evangelischen Akademie im Rheinland und der Evangelischen Kirche im Rheinland zu der gut besuchten Tagung eingeladen.

Text: EKiR/She
Foto(s): Anna Siggelkow