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v. l.: Prädikantin Alida Pisu und Pfarrerin Dr. Anna Quaas.

„Der kriegerische Gott? Religion und Gewalt“ – Tacheles-Gespräche an der Lutherkirche

Was denken Sie? Ist Gott ein kriegerischer? Wenn überhaupt, ist diese Frage weder einfach noch einhellig zu beantworten. Das zeigte auch der kontroverse Meinungsaustausch der Teilnehmenden an der aktuellen Veranstaltung innerhalb der Reihe „Tacheles – Gespräche über Gott und die Welt“ an der Lutherkirche in der Kölner Südstadt. Kontrovers bis hin zu der Feststellung, dass man die falsche Diskussion führe. „Tacheles reden – miteinander über das, was uns bewegt“ heißt das Motto des offenen Gesprächskreises. Dieser findet seit sechs Jahren einmal im Monat mittwochs um 20 Uhr statt. Geleitet wird er von Pfarrerin Dr. Anna Quaas und Prädikantin Alida Pisu: „Jede und jeder ist willkommen, auch an einzelnen Abenden.“

Das Kriegerische geht nicht von Gott, sondern vom Menschen aus

Zuletzt kamen elf Teilnehmende über das Thema „Der kriegerische Gott? Religion und Gewalt“ miteinander ins Gespräch. „Ich kann Gott nicht kriegerisch finden, das Kriegerische geht von den Menschen aus“, startete eine Frau die Einführungsrunde. „Es sind immer die Menschen“, stimmte ihre Nachbarin zu. „Für mich ist Gott nicht immer lieb. Es geht nicht nur von den Menschen aus. Es gibt immer beides“, widersprach eine Dritte. Eine andere bezeichnete es für sie als einen ganz neuen Gedanken, Gott als einen Gott der Gewalt zu sehen. „Es sind die Menschen, die auf dem Irrweg sind, damit hat Gott nichts zu tun“, verwies ein männlicher Teilnehmer etwa auf die mittelalterlichen Kreuzzüge. Gott sei nicht kriegerisch, aber im Alten Testament gebe es Geschichten, in denen es anders aussehe, lautete eine weitere Aussage.

Gott ist kein Krieger, sondern Richter

„Einerseits denke ich, dass der Gottesname gerne missbraucht wird, um Kriege zu rechtfertigen“, warf eine Teilnehmerin ein. Andererseits habe sie ihre Probleme damit, dass der Gott des Alten Testaments aktiv Partei ergreife für das Volk Israel und dessen Gegner mit Gottes Billigung und Unterstützung vernichtet würden. Mit ihrer rhetorischen Frage, ob denn die anderen nicht das gleiche Recht auf Leben hätten, stieß sie auf ungeteilte Zustimmung. „Alles ist Gottes Werk. Habe nicht herausgefunden, weshalb das so ist“, schloss ihre Nachbarin mit der von ihr „oft gehörten“ Formel „Gottes Ratschluss ist unerfindlich“.
„Ich habe kein Problem mit einem kriegerischen Gott, den es nicht nur im Alten Testament gibt“, brachte sich ein männlicher Gast ein. Er habe kein Problem mit einem Gott, vor dem man sich fürchte. Gott habe verschiedene, uns unbegreifliche Eigenschaften. Die Vorstellung, dass Gott für einen streite, bereite ihm ein gutes Gefühl. Es habe etwas Tröstliches. Neben dem „kuscheligen“ Gott gebe es noch einen anderen. Und schließlich: „Er ist kein unentschiedener Gott.“ Gott sei kein Krieger, sondern Richter, lautete eine der Erwiderungen.

Kann Krieg nur mit Krieg beantwortet werden?

Einen neuen Impuls setzte Dr. Anna Quaas mit dem auszugsweisen, kommentierenden Vortragen von themenbezogenen Texten aus dem Alten und Neuen Testament. Mit dem Kriegsgesetz aus dem 5. Buch Mose, Kapitel 20 habe man der brutalen Kriegspraxis der Assyrer ein „humaneres Kriegsrecht“ entgegengesetzt. Psalm 4, 9-12 bezeichnete sie als extremen Antikriegstext. Und Micha 4, 1-5 habe in der Friedensbewegung im Osten eine große Rolle gespielt: „Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden (…)“ Mit Matthäus 5 und 26 wies die Pfarrerin hin auf die von Jesus postulierte Feindesliebe und seine Aufforderung, sich nicht auf die Dynamik des Bösen einzulassen. Sie hob die Versuchung der Gewalt hervor, der Jesus widerstanden habe – „in seinem stärksten Ton“.
Nach der Lektüre nahm die Diskussion Fahrt auf, wobei sich vermehrt längere Monologe einschlichen. So sprach man über den möglichen Hang aller Religionen zur Gewalt und gewalttätige Elemente im Christentum. Fragte danach, ob Krieg nur durch Krieg beendet werden könne und dürfe: Es sei richtig, Krieg nicht mit Krieg zu beantworten, hieß es. Da der Mensch nach dem Ebenbild Gottes gemacht sei, habe Gott auch alle seine Facetten, leitete ein Gast ab. Gottesebenbildlichkeit beinhalte nicht, dass Gott auch böse sei, widersprach eine andere.

Jesu gewaltfreier Weg als Kern der christlichen Friedensethik

Teilnehmende zeigten sich besonders fasziniert von den Kriegsgesetzen Mose. Diese erlaubten Männern aus verschiedenen Gründen sich vom Kriegsdienst fernzuhalten. „Ja, Kriegsdienstverweigerung ist mit drin“, so Dr. Anna Quaas. „Und das wird auch unterstützt.“ Jesu gewaltfreier Weg sei der einzige mögliche und Kern der christlichen Friedensethik. Kirche lehne Gewalt ab, sprach sie von einem Konsens. Jeder müsse sich fragen, so ein Gesprächsteilnehmer, ob ein kriegerischer Gott einer sei, der für sich und seine Leute einstehe und für mich kämpfe. Sein Gegenüber wehrte ab: Er lasse sich nicht einreden, dass Gott kriegerisch sei. Er bezeichnete es als eklatanten Fehler, dass Weltreligionen und -kirchen nicht (vereint) gesagt hätten, Gott sei nicht gewalttätig.
„Das war ein kontroverser Abend mit einem Hauptthema und anderen Nebenthemen“, zog Dr. Anna Quaas ein lächelnderweise von allen akzeptiertes Fazit. Im Schlussgebet hoffte Alida Pisu, dass der Kreis im Gespräch „doch immer“ einen kleinen Zipfel der Wahrheit erwische. Oder wie es Dr. Anna Quaas vorab festgestellt hatte: „Ein bisschen schlauer sind wir immer.“

Künftig wird die Reihe „Tacheles – Gespräche über Gott und die Welt“ unter Beteiligung der Katholischen Kirchengemeinde St. Severin Köln ökumenisch angeboten werden. Ort: Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 2-4, 50677 Köln. Die weiteren Themen und Termine finden Sie unter www.lutherkirche-koeln.de/tacheles-gespraeche.aspx.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich