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Tabuthema Gewalt in der Pflege? Der sozialethische Ausschuss des Stadtkirchenverbands bietet ein Seminar an.

Dem in der Gesellschaft immer noch tabuisierten Thema „Gewalt in der Pflege“ war ein Seminar gewidmet, zu dem der Evangelische Stadtkirchenverband Köln Ansprechpartner aus den Gemeinden für Freitag, 29. November, in das Haus der Evangelischen Kirche in der Kartäusergasse geladen hatte. „Wir haben in den Gemeinden, in Heimen und Sozialstationen, aber auch in unserem unmittelbaren Umfeld recherchiert und erkannt: Es besteht Handlungsbedarf, wir müssen und wir können etwas tun“, berichtete Dr. Marie Luise Lösener vom mitveranstaltenden sozialethischen Ausschuss des Stadtkirchenverbandes.


Der Hang zur Gewalttätigkeit sei auf beiden Seiten zu beobachten, so Lösener weiter. Bei Alten, Kranken oder Behinderten, die von Familienmitgliedern oder professionellen Pflegern abhängig sind und deshalb glauben, sie seien lästig oder gar unerwünscht. Aber auch bei Angehörigen, deren persönlicher Freiraum aufgrund der Betreuungssituation stark eingeschränkt wird, oder bei Krankenschwestern, die nicht genug Zeit haben, um sich intensiv um den einzelnen Patienten zu kümmern. Die Gewalt äußere sich schließlich in vielfältigen Formen – etwa in Schweigen, Beschimpfungen und Zuschlagen auf der einen Seite und Unfreundlichkeit – , häufig wird sie völlig unbewusst oder unabsichtlich eingesetzt. Gerade bei Angehörigen löse das nach dem Tod eines Langzeitpatienten Schuldgefühle aus: „Das ist eindeutig ein seelsorgerisches Thema“, meinte Eckart Schubert, Pfarrer im Ruhestand und früherer Superintendent des Kirchenkreises Köln-Mitte, der als Mitglied des sozialethischen Ausschusses die Veranstaltung mitorganisiert hat..


Professor Dr. Dr. Rolf Hirsch, Leiter der Bonner Initiative „Handeln statt Mißhandeln“ kritisierte die Zustände in den Heimen und Kliniken. Dass öffentlich über Geld statt über Menschen geredet wird, verschleiere die tatsächliche Dramatik der Situation: „Wenn es heißt, dass die ,finanzielle Ausstattung‘ einer Klinik um 1,5 Prozent sinkt, dann bedeutet das für die Patienten vielleicht, dass sie nur noch einmal pro Tag zur Toilette gebracht werden, oder dass sie in drei Minuten gewaschen werden müssen.“


Hirsch begrüßte aber, dass in den vergangenen Jahren eine zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema „Gewalt in der Pflege“ zu beobachten sei. Diesem Zweck diente ausdrücklich auch das Seminar im Haus der Evangelischen Kirche. Daneben wurden aber auch Lösungsansätze vorgestellt.

Die evangelische Familienbildungsstätte des Stadtkirchenverbandes wird beispielsweise ab März 2003 Seminare anbieten, in denen mit der Pflege befasste haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende lernen können, die eigene Situation zu erkennen und Wege aus der Überforderung zu entwickeln. Die Beteiligten hoffen auch, dass das Thema über diese „Multiplikatoren“ verstärkt in die Gemeinden getragen wird. Und dass sich dadurch zusätzliche ehrenamtlich Helfende finden. „Ehrenamtler könnten zum Beispiel mit Kranken oder Patienten spazieren gehen oder ihnen vorlesen“, so Professor Hirsch. „Ein freier Nachmittag ist für eine Frau, die ihren Mann oder ihre Mutter pflegt, manchmal schon eine ganze Menge

Text: Al-Mana
Foto(s): Gewalt in der Pflege