"So eine Uhr ist ein nützliches Instrument, ich kann mir mein Leben ohne meine Uhr gar nicht mehr vorstellen“, erklärt Markus Zimmermann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, im Video-Beitrag #dazusteheich. Doch wie wäre es, diese Uhr einmal abzulegen, und gerade in den 7 Wochen vor Ostern einmal die Zeit "anzuhalten", inne zu halten und somit zur Ruhe zu kommen? An einem eindrucksvollen Beispiel eines berühmten Straßenmusikers wird deutlich, wie wenig wir uns Zeit nehmen für Wesentliches. "Gerade Kinder haben offenbar so eine Art Sensorium für das, was wirklich wichtig ist und was zählt", meint Markus Zimmermann. Und diese gute Erfahrung wünscht er uns nicht nur in den Wochen vor Ostern, sondern auch darüber hinaus!
Hier der vollständige Text zum Nachlesen:
So eine Uhr ist ein nützliches Instrument. Ich kann mir mein Leben gar nicht ohne Uhr vorstellen. Sie strukturiert meine Zeit, meine Termine, mein Leben. Allerdings kann sie auch sehr hinderlich sein, so eine Uhr oder auch die Zeit. Und der Zeitdruck, dem ich ausgesetzt bin, an einem Januar, am Morgen in einer U-Bahnstation in Washington. In einer Stunde gehen ungefähr 1.000 Menschen dort vorbei und suchen den Zug, der sie weiterbringt. An einem Morgen hören sie nur im Hintergrund ein Konzert. Ein Violinist spielt. Er setzt sich an eine Ecke und fängt an.
Nach zwei Minuten bleibt der erste Passant stehen, ganz kurz und geht weiter. Nach vier Minuten wirft jemand einen Dollar in den Hut. Nach sechs Minuten hält ein weiterer Passant an, bleibt einen Moment stehen, schaut auf seine Uhr und geht weiter. Nach acht Minuten kommt eine Mutter mit ihrem Kind vorbei. Das Kind zerrt an der Mutter, es will zuhören. Aber die Mutter steht offenbar auch unter Zeitdruck. Und auch sie können nicht lange stehen bleiben. Nach ungefähr 43 Minuten beendet der Musiker sein Konzert. In der Zeit sind sechs Passanten stehen geblieben, ungefähr 30 Dollar sind in dem Hut. Was die Menschen aber nicht bemerkt haben, er hat eines der schwersten Musikstücke von Bach gespielt, auf einer Stradivari, eines der teuersten Instrumente und es war auch nicht irgendein Musiker, sondern einer der weltbesten Musiker, Joshua Bell, der dort gespielt hat. Und exakt dieses Konzert hatte er einen Abend vorher in einem Konzertsaal gegeben, bei einem Karten-Durchschnittspreis von 100 Dollar.
Was macht das deutlich? Es ist wichtig, stehen zu bleiben. Manchmal ist es wichtig, die Uhr Auszustellen, sich nicht hetzen zu lassen, sondern sich Zeit zu nehmen für das, was ich gerade wahrnehme. Erst recht für Menschen, denen ich begegne. Die sieben Wochen vor Ostern sind eine gute Zeit, darauf aufmerksam zu werden. „Sieben Wochen ohne kneifen“, so heißt die Aktion jetzt in den sieben Wochen vor Ostern. Für mich gibt sie die Anregung wirklich mehr Zeit zu nehmen, mehr als einen Augenblick stehen zu bleiben. Gottes Schöpfung wahrzunehmen, die wunderbaren Menschen, denen ich begegne und nicht zu hetzen. Interessanterweise waren es gerade Kinder, die auf diesen Musiker aufmerksam geworden sind. Sie haben offenbar noch so ein Sensorium für das, was wirklich wichtig ist und was zählt. Ich wünsche ihnen gute Erfahrungen damit, die Uhr einmal auszuziehen und das Zifferblatt zu verdecken und das wahrzunehmen, was um sie herum ist. Und diese gute Erfahrung wünsche ich ihnen nicht nur sieben Wochen vor Ostern, sondern auch darüber hinaus.
Foto(s): APK