Wer glaubt, der neue Präses habe sich mit Energie und Leidenschaft nur an die Arbeit gemacht, der sollte ihn mal beim Radfahren erleben. Der Autor dieser Zeilen war jedenfalls schon nach wenigen Minuten schweißgebadet bei dem Versuch, im Windschatten am Hinterrad von Thorsten Latzel zu kleben.
Sommertour der Hoffnung
Anlass dieses verwegenen Versuchs war die „Sommertour der Hoffnung“, die der Präses vom 6. Juli bis zum 13. Juli absolviert. Latzel radelt von Saarbrücken quer durch das Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland bis nach Wesel. 600 Streckenkilometer und drei Bundesländer stehen auf dem Programm.
Unterwegs besucht der Präses Gemeinden, Projekte und Orte, die Hoffnung machen. Insbesondere in der Zeit nach Corona. „Acht Tage, 40 Gemeinden, eine Botschaft: Wir brechen gemeinsam auf nach Corona“, bringt der Präses die Idee auf den Punkt. Fast einen Tag lang nahm sich Latzel Zeit für Hoffnungsgeschichten in Köln.
Stadtpilgerweg der Evangelischen Kirchengemeinde Köln Sürth/Weiß
Los ging es in der Auferstehungskirche in Sürth. Pfarrer Gerald Warnecke und einige Gemeindeglieder begrüßten den Präses und seine Entourage. „Das, was Sie machen, ist ein sportliches Ereignis und ein spirituelles Ereignis“, sagte Warnecke. „Es ist eine tolle Idee, die Landeskirche in dieser Form kennenzulernen.“
„Wir sind auf einer Radpilgerfahrt. Wir entdecken Gott bei den Menschen“, fuhr Latzel fort. Pilgerfahrt war denn auch ein gutes Stichwort. Denn der Präses war in Sürth, um sich den Stadtpilgerweg anzusehen, dessen sieben Orte die Kirchengemeinde Sürth/Weiß um Pfarrer Warnecke ausgesucht hat.
„Wir können von Migrantinnen und Migranten lernen, wie kostbar Wasser ist.“
Erste Station war ein pittoresk wirkender, von Fachwerkhäusern umstandener Platz mit einem Brunnen. „Wie sieht deine lebensspendende Quelle aus?“, lautet der Impuls an der ersten Station. Aus einem Speier plätscherte das Wasser. „Wir spüren, was wir hier wahrnehmen“, erklärte Warnecke und erinnerte an das Brunnengespräch von Jesus Christus. Und an die Suche nach dem Wasser des ewigen Lebens in einem Märchen der Gebrüder Grimm: „Rad fahren heißt auch, dass man in Fluss kommt“, nahm der Präses den Faden auf.
Und der Brunnen als Station passe am „Sonntag der Taufe“ bestens. Wasser dürfe bei einer Fahrt wie der Sommertour niemals ausgehen. „Wir erleben auf unserer Reise ganz oft die Spiritualität des Alltags. Gerade an Orten wie diesen.“ Der Präses mahnte zur Demut. „Wir können von Migrantinnen und Migranten lernen, wie kostbar Wasser ist. Wir merken manchmal gar nicht, wie gut es uns hier geht.“
Das Schlimmste ist, die Kugel nicht zu werfen.
Vom Brunnen ging es zu Fuß zur Boulebahn auf dem Sürther Marktplatz. Dort stellt sich den Pilgern die Frage, was hilfreich ist, wenn ein Wurf im Leben mal daneben geht. „Ein Lebensentwurf. Oder ein Entwurf von Kirche“, nannte Warnecke Beispiele. „Uns Christen zeichnet aus, dass wir den Mut haben, immer wieder von vorn anzufangen. Nach der Methode „Versuch und Irrtum“.
Im Leben ist es wie beim Boule. Eine andere Kugel titscht mich an und setzt mich in Bewegung. Und es heißt immer wieder ,Auf zum nächsten Wurf‘.“ Nicht umsonst heiße es „Sündige tapfer, glaube tapferer“. Das Schlimmste sei, die Kugel nicht zu werfen. Das war es dann aber auch mit der meditativen Theorie und man wandte sich dem praktischen Teil der Boulebahn zu.
Beim Kugelwerfen entpuppte sich der Präses als Talent. Allerdings musste er sich einer jungen Krankenschwesterschülerin aus dem Iran geschlagen geben, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Boulekugel geworfen hatte. Manchmal ist gleich der erste Wurf ein Volltreffer.
Foto(s): Stefahn Rahmann/APK