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Innenansicht der Kölner Zentralmoschee

Stiller Protest mit einem „inneren Dialog“ zur Einweihung der Kölner Zentralmoschee

Die Kölner Pfarrerin Dorothee Schaper, Mitglied im Moscheebeirat und Beauftragte für die christlich-muslemische Begegnung im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, hat ihre Teilnahme am Besuch der Einweihung der Moschee am Samstag  abgesagt. Als Antwort auf die kurzfristige Einladung schrieb sie an die DITIB: „Sicher können Sie sich denken, dass es bei einer so kurzfristigen Einladung und vor allem unter den gegebenen Bedingungen mir nicht möglich ist, Ihre Einladung wahrzunehmen. Dürfte ich ein Grußwort sprechen, würde ich kommen. Aber als stummes Publikum der m.E. unheilvollen Vermischung und Abhängigkeit zwischen Politik und Religionsgemeinschaft wortlos zuzuschauen, ist für mich keine Option. (…) Gerne hätte ich mit den Kollegen und Kolleginnen aus dem Beirat gemeinsam eine Moschee-Eröffnung für alle, die diesen Bau unterstützt und begleitet haben, mit vorbereitet. Ich hätte gerne ein Zeichen gesetzt, dass der Architektur dieses Gebäudes mit seiner großen Offenheit und Transparenz gerecht wird und für die sich die DITIB einmal entschieden hatte. Diese Chance ist nun verstrichen.“

Zum andren hat sie ihre Gedanken in einem „inneren Zwiegespräch“ zur Moschee und ihrer Eröffnung zusammengefasst. Sie lädt ein, dass dieses Gedicht öffentlich verlesen und auch fortgeschrieben werden kann:

 

Allein zur Ehre Gottes

Eine innere Zwiesprache anlässlich der sogenannten Eröffnung der Kölner Moschee – (bei allen Gelegenheiten drinnen oder draußen laut oder leise vorzulesen,  vorzusprechen oder vorzusingen….)

Allein zur Ehre Gottes solltest Du gebaut werden.
Tradition und Moderne sollten sich in Dir treffen und ins Gespräch kommen.
Der Blick in die Welt und die Einkehr zu Gott
Drinnen und draußen, oben und unten Osten und Westen sollten in dir Platz finden.
So wie Du jetzt aussiehst könnte man denken, dass das gelungen sei.
Du bist so schön!
Wunderschön!
Ein ästhetischer und ein spiritueller Genuss in deinem Raum zu verweilen und
zu staunen
zu beten
nachzudenken
weiterzudenken
gläubig oder ungläubig
christlich oder muslimisch
oder wie auch immer
staunen über Deine Schönheit
wenn der klare blaue Himmel durch Deine Scheiben hereinschaut
wenn die Sonnenstrahlen die Schatten Deiner Ornamente an der Decke zeigen
wenn innen und außen
wenn Menschenlebendigkeiten und Gottesgegenwärtigkeiten sich bei Dir treffen.

Allein zur Ehre Gottes
deine Weite,
deine Durchlässigkeit,
deine Offenheit
deine Fähigkeit zur Fusion verschiedener Traditionen und Modernen
deine Erhabenheit über allen Streit
deine lichtdurchflutete Schlichtheit
deine Reduktion auf das Wesentliche.

Allein zur Ehre Gottes.
Du birgst
das Gebet,
die Begegnung
das Gespräch
das Studium deiner heiligen Schrift

Alles zur Ehre Gottes.
Nun soll ein Mann deine Räume eröffnen, der mehr in die Macht als in die Menschheit verliebt ist.
Du hast das nicht verdient!
Du hast immer mehr an Schönheit gewonnen.
Er hat immer mehr an Glaubwürdigkeit und Gespür für Gerechtigkeit verloren.
Du hast an Weite und Höhe gewonnen.
Er hat an Enge und Tunnelblick zugenommen.
Du hast Dich mit Deinen Fenstern zur Welt geöffnet.
Er hat sich in seine Zwangläufigkeiten der Machterhaltung verschlossen.
Du hast Dich mit Deiner Schönheit in die Kölner Stadtsilhouette eingefügt.
Er hat mit seinen scharfen Parolen die Menschen in Befürworter und Gegner polarisiert.
Und nun soll gerade er am kommenden Samstag Dein ganzes Gebäude eröffnen?
Wie kann das sein?
Wie konntest Du das zulassen?
Warum hast Du Dich nicht gewehrt?
Warum hast Du nicht einfach ‚nein‘ gesagt?
Oder ‚nicht mit mir‘?
Warum konnten wir das nicht verhindern?
Warum konnten wir dich diesmal nicht schützen?
Warum konnten Dir unsere Proteste nicht nützen?

Mehrmals haben wir Dich als Du im Werden warst geschützt.
Wir Kölner Bürgerinnen und Bürger, Juden, Christen, Muslime, Atheisten, Gewerkschaftler
standen auf der Straße  und vor Deinen Toren
um Dich vor rechtspopulistischen dummen Sprüchen, Hetzparolen und hässlichen Schmierereien an deinen neuen Wänden zu bewahren.
Wir haben Dich in der Kölner Stadtgesellschaft begrüßt und willkommen geheißen.
Als Du noch lange nicht fertig warst, haben wir Dir bei einer Iftareinladung  im Konferenzsaal direkt unter dir das hebräische Lied ‚Hinematov u manajim‘ gesungen.
das heißt: ‚Wie lieblich ist es, wenn Menschenkinder einträchtig wie Brüder und Schwestern beieinander wohnen‘. Wie schön wäre es.
In diesen Tagen wird dieses Lied zur Farce.
Das ist bitter.
Nun sollst Du eröffnet werden.
Nicht von den Gläubigen, die einfach nur das Gebet bei Dir suchen.
Nicht von den Ungläubigen und Gläubigen aus deiner Umgebung,  aus deinem Stadtteil.
Nicht von den Bürgerinnen und Bürgern, die für Dich und einen Respektvollen Umgang mit Dir eingetreten sind.

Nicht von den Mitgliedern des Beirates, die Deine Entstehung solidarisch und kritisch begleitet haben.
Sondern von einem Staatspräsidenten eines anderen Landes, für den Gerechtigkeit, Fairness, demokratische Teilhabe, Meinungsfreiheit und Menschenrechte zur Zeit keine Werte darstellen …
Nun sollen die Worte zu Deiner Eröffnung aus dem Mund eines Staatspräsidenten kommen,  der einmal hoffnungsvoll für Frieden und Gerechtigkeit begonnen hat und nun  die Rechte von SchriftstellerInnen, JournalistInnen, JuristInnen, LehrerInnen  und einfachen Bürgern und Bürgerinnen mit Füßen tritt und der sich weigert,  für eine Erinnerungskultur einzutreten die Ross und Reiter beim Namen nennt.
Das passt nicht zu Dir.
So warst das ursprünglich doch nicht geplant und gemeint oder?
Das hast Du nicht verdient.
Das ist bitter für Dich und für uns.
ein Übergriff auf Deine Ästhetik,
der uns bitter aufstößt.
Mir kommen die Beter und Beterinnen in den Sinn, die ihre Klage  und ihre Frage in Gottes Angesichts gerufen haben in einer Liedstrophe über Psalm 58 heißt es:
Wie nun, ihr Herren, seid ihr stumm,
dass ihr kein Recht könnt sprechen?
Was gleich und grad ist, macht ihr krumm,
helft niemand zu sein Rechten.
Mutwillig übt ihr Gewalt im Land,
nur Frevel geht durch eure Hand,
was will zuletzt draus werden?

Dein großartiger Architekt meint, dass es wieder besser wird,
weil Geschichte in Wellenbewegungen verläuft.
Das wünschen wir Dir und uns.
Wir möchten mit Dir und allen Kölnerinnen und Kölnern,
Juden, Christen, Muslime, Atheisten, Gewerkschaftler und wie wir alle so sind
und allen die deiner Schönheit die Ehre geben wollen
ein Fest feiern für Deine Offenheit und Transparenz.
Allein zur Ehre Gottes.

Dorothee Schaper anlässlich der sog. Moschee-Eröffnung Sept 2018

(Dorothee Schaper ist Pfarrerin des evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Studienleiterin an der Melanchthon Akademie Köln, Mitglied des Moscheebeirates, Mitverfasserin der Kölner Friedensverpflichtung, Mitglied im Rat der Religionen)

Text: Dorothee Schaper / APK
Foto(s): Dorothee Schaper