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Stadtpredigt in der Antoniterkirche mit Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, DGB-Regionsvorsitzender Köln

Noch immer orientieren sich die Stadtpredigten in der Antoniterkirche an den liturgischen Festen des Kirchenjahres und dem Thema des jeweiligen Quartals. Nachdem bereits Ende Juni Präses Nikolaus Schneider zu „Geist“/ „Begeisterung“ gepredigt hatte, äußerte sich am vergangenen Sonntag Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen als zweiter prominenter Gastprediger zum Thema des dritten Quartals.


Wut und Enttäuschung bei der Allianz
Der Vorsitzende der Region Köln des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erinnerte eingangs an die positive Stimmung während der Fußball-Weltmeisterschaft und die noch nachwirkende Begeisterung hierzulande. Doch in diese „Party“ hinein sei die erschütternde Ankündigung des Allianz-Konzerns geplatzt, „7500 Arbeitsplätzen abzubauen und seine Zweigniederlassung in Köln komplett zu schließen. Allein hier sollen 1800 Menschen spätestens Ende 2007 ihre Arbeit verlieren.“ Nach einer Betriebsversammlung seien die Beschäftigten der Kölner Allianz auf die Straße gegangen. Menschen, die nie mit einer Gewerkschaft etwas zu tun haben wollten, hätten ihrer Wut und Enttäuschung unter anderem mit selbst beschrifteten Plakaten Luft gemacht. Auch ihrem Unverständnis darüber, „dass ein Konzern, der 4,5 Mrd. Euro Gewinn erzielt, sie auf die Straße setzt“.

Menschen als Objekte von Entscheidungen
Angst, Enttäuschung und Unverständnis würden allgemein viele der vom Verlust ihrer Arbeit betroffenen Menschen empfinden. Inzwischen könne es jeden treffen, unabhängig von der beruflichen Stellung und Qualifikation. „Diese Angst lähmt, macht hilflos“, stellte Uellenberg-van Dawen fest. Die Menschen würden sich in einer bedrückenden Abhängigkeit sehen, als Objekte von Entscheidungen, die sie nicht beeinflussen können. „Wer kann schon gegen Konzerne anrennen, die sich in globalen Sphären bewegen und mit den Beschäftigten höchstens über die Medien kommunizieren. Sind wir nicht hilflos der Macht dieser Konzerne ausgeliefert?“ Der Gewerkschaftsvertreter gab selbst die Antwort: „Nein!“ Zwar führe der Kampf nicht immer zum Erfolg. Dies zeige die immer länger werdende Liste der bedrohten und verlorenen Unternehmen in Köln und Region. „Aber wir in Köln kämpfen. Wenn wir still halten, nicht widersprechen, haben wir verloren.“

Auch Stadtsuperintendent Fey hat gemahnt: Unternehmen tragen Verantwortung
Der Kampf um die Allianz in Köln habe zwei Gesichter. Da gebe es das des großen Konzernsanierers Herrn Diekmann. Und es gebe ein anderes Gesicht, das von Gabriele Burkhardt-Berg, der Betriebsratsvorsitzenden der Kölner Niederlassung. „Sie sagt, wir kämpfen, wir fordern Begründungen, wir zeigen Alternativen auf.“ Ihr Kampf und der ihrer Kolleginnen und Kollegen finde eine breite Unterstützung in den Gewerkschaften, der Politik, den Kirchen. „Auch Stadtsuperintendent Ernst Fey hat auf einem Lastkraftwagen gestanden und gemahnt: Unternehmen tragen Verantwortung.“

Es lohnt sich, Engagement zu zeigen
Es lohne sich, aufzustehen, Engagement zu zeigen, „die Beschäftigten, die Öffentlichkeit, die Politik, auch die Kirchen wach zu rütteln“, meinte der Repräsentant der Gewerkschaften in Köln, Leverkusen, im Rheinisch-Bergischen-Kreis und im Rhein-Erft-Kreis. Denn die Ökonomie folge nicht Naturgesetzen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seien von Menschen gemacht „Es sind immer Menschen, Menschen mit Macht und mit Verantwortung, die diese Entscheidungen fällen.“ Es gebe also immer eine Chance, Arbeitsplätze zu erhalten und Perspektiven zu sichern. „Diese Chance müssen wir nutzen. Es ist alles eine Frage des Widerstandes.“

Solidaritätswelle
Genutzt hätten diese Chance auch achtzig Arbeiterinnen und Arbeiter des Caterers Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen. Begleitet von einer beispielhaften Solidaritätswelle – Heiligabend 2005 feierte man neben dem Flugfeld unter anderem mit Präses Nikolaus Schneider einen ökumenischen Gottesdienst -, hätten sie sechs Monate gegen die drastische Senkung ihrer geringen Löhne gekämpft und schließlich mit dem in Chicago sitzenden, scheinbar „übermächtigen Investor einen fairen Kompromiss“ erzielt. „Wir haben den Konflikt voller Angst begleitet“, blickte Uellenberg-van Dawen auf schwierige Streik-Phasen zurück. „Aber wir haben die Streikenden begleitet, weil sie kämpfen wollten, wenn nötig, wie sie entschlossen sagten, bis zum Ende der Welt.“

Unterstützung für Blumenarbeiterinnen in Kolumbien
Seit dem zweiten Quartal stellen die Prediger im Rahmen der Stadtpredigt in der Antoniterkirche ein von ihnen beziehungsweise ihrer Institution unterstütztes Projekt vor. So nutzte Uellenberg-van Dawen den letzten Abschnitt seiner Predigt, um mit einer Rose in der Hand über Untraflores zu informieren. Untraflores ist eine unabhängige Blumenarbeiterinnen-Gewerkschaft in Kolumbien. Deren Gründerin Aide Silva amtiert als Vorsitzende. Auf Einladung des Nord-Süd-Netzes des DGB Bildungswerkes, das auch den Aufbau von Untraflores unterstützt, bereiste Aide Silva kürzlich mehrere deutsche Städte. „Sie ist eine kleine, zierliche Frau mit einer großen Ausstrahlung. Wer sie hört, spürt die Kraft die in ihr steckt. Sie gehört zu den Menschen, die für soziale Gerechtigkeit kämpfen“, so Uellenberg-van Dawen.

Überall auf der Welt gibt es Menschen, die für ihre Rechte kämpfen
Der Kölner Gewerkschafter erzählte von den für den Blumenanbau idealen klimatischen Bedingungen auf dem Hochland um Bogota. „Kolumbien sei der zweitgrößte Blumenexporteur der Welt. Der größte Teil geht in die USA – aber auch Europa und Deutschland importieren Blumen aus Kolumbien.“ Auf den großen Plantagen würden über 60.000 Menschen, meist Frauen, arbeiten. Darunter zahlreiche Wanderarbeiterinnen, Flüchtlinge aus anderen Landesteilen. Deren Arbeitsbedingungen hätten sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Ein Arbeitstag habe oft zehn Stunden. Es gebe nur befristete Verträge über geringe Stundenlöhne. Kranke oder Schwangere würden entlassen. „Die Tätigkeit ist anstrengend und gefährlich. In der Regel müssen die Frauen etwa Rosen mit bloßen Händen schneiden. Hinzu kommt die gebückte Haltung. Außerdem werden Pestizide eingesetzt.“ In dieser bedrückenden Situation hätten Aide Silva und ihre Freundinnen auf drei der Plantagen die unabhängige Gewerkschaft gegründet. Der Arbeitgeber habe mit heftigen Repressalien reagiert. „Doch die Frauen halten stand, erfahren eine breite Solidarität“, sagte Uellenberg-van Dawen. „Auch ihre Männer sagen: der Kampf um die Gerechtigkeit ist wichtig.“ So gebe es mittlerweile einige Verbesserungen. „Aber der Kampf steht erst am Anfang.“

Vom Geist der sozialen Gerechtigkeit
„Überall auf der Welt gibt es Menschen, die für ihre Rechte kämpfen“, fasste Uellenberg-van Dawen die von ihm geschilderten Beispiele zusammen. „Es sind Menschen, die über sich hinaus wachsen. Da zeigt sich der Geist der sozialen Gerechtigkeit.“ Der Geist wider die Vernunft, der Geist, der sich den scheinbar übermächtigen Strukturen und Mechanismen der Globalisierung widersetze. „Diese Menschen sind wie die Toren, von der die Lesung spricht, die sich aufmachen, für das zu kämpfen, was den Menschen ausmacht, seine Würde, der aufrechte Gang, sein Respekt.“

Die nächste Stadtpredigt
findet statt am Sonntag, 17. September 2006, 18 Uhr. Dann spricht die Theologin Dr. Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Köln, wiederum zum Thema Geist und Begeisterung.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich