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Stadtpredigt an der AntoniterCityKirche mit Dr. Petra Bahr, der Kulturbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Die Stadtpredigt-Reihe an der Antoniterkirche wurde im neuen Jahr mit Dr. Petra Bahr fortgesetzt. Sie ist die erste Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Leiterin des EKD-Kulturbüros in Berlin. Beide Aufgaben nimmt sie seit Januar 2006 wahr. In der AntoniterCityKirche legte die 40-jährige Pfarrerin, die mit einer Dissertation über Immanuel Kant promoviert wurde, das Thema „Durst nach Gott“ aus. Pfarrer Dr. Bertold Höcker wies darauf hin, dass vor zwei Tagen erst Petra Bahrs Buch „Paul Gerhardt – Leben und Wirkung – ‚Geh aus, mein Herz…'“ erschienen sei. Und das anlässlich des 400. Jahrestages der Geburt des „wohl bedeutendsten Liederdichters des Protestantismus“ im März sämtliche Lieder des Gottesdienstes, bis auf eines, aus dessen Feder stammen.



Bahr eröffnete ihre Predigt mit einer Erinnerung an den „mitten unter uns“ gestorbenen Daniel. Seine Mutter hatte den Dreijährigen verdursten lassen. Seine verzweifelten Schreie ließen die Nachbarn an Hundegejaule denken. Diese Gottesverlassenheit bezeichnete die studierte Philosophin als „Ausdruck der Vernachlässigung aller Werte, die das Menschsein menschlich machen. Im Tod des kleinen Daniel sehen wir geradewegs in die Nachtseite unserer Gesellschaft.“ Deren Zustand entscheide sich bekanntlich an der Situation unserer Kinder. „Der kleine Junge ist körperlich verdurstet, weil seine Mutter lange vorher schon seelisch verdurstet ist. Und wir haben die Hilferufe beider überhört.“



Jesus greife zu einem radikalen Bild, wenn er unsere Sehnsucht nach Gott mit dem Gefühl des Verdurstens vergleiche, las Petra Bahr aus dem Johannesevangelium Kapitel 4, Verse 5-14. Darin bietet Jesus einer Samariterin das Wasser des Lebens an. „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Lebens werden, das in das ewige Leben quillt“.



Jesus ziehe einen kühnen Vergleich, meinte die Kulturbeauftragte: „Das Wort Gottes als Überlebensmittel?“ Ja, Jesus‘ Worte seien unmissverständlich. Die Sehnsucht nach Gott zeige geradezu körperliche Symptome. Auf dieses Lebensmittel, auf das Wasser, das er spende, könnten wir nicht verzichten. Sein Mangel habe mannigfaltige Auswirkungen. Doch oft genug würden wir diesen elementaren Durst nach Gott, nach einem letzten Sinn im Leben, geflissentlich überspielen oder die Durst-Symptome einfach nicht beachten. Dabei seien uns durch seelische Not und den Durst der Seele ausgelöste physische Schmerzen durchaus geläufig, verwies Petra Bahr auf die auch körperlichen Erschütterungen, etwa bei Liebeskummer. Seelischer Mangel werde sinnlich erfahrbar und könne körperlich krank machen.



Gleichwohl würden wir unseren Durst und unsere Leere, die Hilferufe in unserem Innern oft genug überhören. „Etwa so wie alte Menschen, die keinen Durst mehr spüren.“ Die besondere Gefährlichkeit liege darin, dass sie nicht bemerkten, dass sie trinken müssten, erzählte Petra Bahr von ihren Großeltern, denen sie regelmäßig eine Flasche Mineralwasser mit einem Zettel drauf auf den Tisch gestellt habe. Auf ihm stand: Vergiss ja nicht zu trinken.



„Wer von diesem Wasser trinkt, dessen Durst ist immer gestillt“, betonte Petra Bahr noch einmal das Versprechen Jesu. Es sei gar nicht banal, wenn wir uns beim nächsten Griff zur Wasserflache daran erinnern würden. Gottes Zuspruch sei kein Luxus, sondern Überlebensmittel, schlug die Theologin eine Brücke zu Paul Gerhardt. Der Liederdichter habe in vielen Werken Worte gefunden für diese ganz sinnliche Suche nach Gottesnähe. „Dieser Durst nach Gott ist nicht vergeistigt, nicht philosophisch verklärt oder moralisch verfeinert. Dieser Durst ist ganz elementar und drängt nach starken Alltagsbildern. So wie das Versprechen Gottes, lebendig zu machen wie durch eine frische Wasserladung““



Kinderzentrum auf dem DEKT


Da Bahr ihren Abendzug nach Berlin erreichen musste, entfiel das obligatorische Nachgespräch im Gemeindesaal. Gleichwohl blieb Zeit genug, um das von ihr unterstützte, besondere soziale Projekt vorzustellen. Es handelt sich um das Kinderzentrum auf dem kommenden 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Es ist ein spezielles, kostenfreies Angebot für Kinder bis zwölf Jahre. Durchgeführt wird es an zwei Orten in der Innenstadt: im Bereich Rheingarten von der Hohenzollernbrücke bis Höhe Groß St. Martin und in der romanischen Kirche selbst sowie im Bereich Museum für Angewandte Kunst, Kolpinghaus und WDR. Dort läuft ein Programm mit Kultur, Bildung, Sport und Spiel. Mit Musicals und Konzerten Kreativangeboten, literarischen Workshops und Outdoor-Aktionen sowie Kulturangeboten in Kooperation mit dem WDR-Kinderradio. Detaillierte Informationen gibt es ab März auf www.kirchentag.de. Landespfarrer Rüdiger Maschwitz erläuterte das Konzept. „Wir wollen Kindern ermöglichen, an die Lebensquellen heranzukommen. Wir bieten spirituelle Möglichkeiten, wie Kinder Glauben erleben können“, sagte der Vorsitzende des Kinderzentrums. Dabei diene etwa die Raupe als Sinnbild. Sie werde zum Schmetterling mit ganz neuen Möglichkeiten. „Damit erweitern wir auch die Möglichkeiten unserer Kirche.“ Der Kirchentag sei rheinisch geprägt, so Maschwitz. Entsprechend sei das zentrale Symbol des Kinderzentrums – ein Schiff mit einem Kreuz als Segel – standfest, rheinisch und beweglich.



Die nächste Stadtpredigt
findet statt mit Dr. Reinhard Höppner, Präsident des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages. Der Termin steht noch nicht fest.





Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich