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Spannende Ergänzung zum herkömmlichen Bild: In Junkersdorf las Pfarrerin Doffing aus den ‚Brautbriefen‘ zwischen Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedermeyer

Er sei ein Heiliger im evangelischen Verständnis, so der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, der auch Herausgeber der Gesamtausgabe der Texte von Dietrich Bonhoeffer ist, weil er für Andere zum Vorbild im Glauben geworden sei. In diesem Sinne sei er allerdings kein Heiliger, der der Welt geflohen sei, sondern er sei „der Erde treu gewesen“, erinnert Huber auf den Internetseiten der Evangelischen Kirche in Deutschland hier. Bonhoeffer habe deutlich gesagt, dass sein geschöpfliches Dasein im Kern zum christlichen Glauben gehöre. In seiner Biographie und in seinen Texten sei deshalb zu beobachten, dass er aus diesem Grund seine eigenen Schwächen nicht versteckt habe: „seine Angst in der Haft, seine Depression, seine Wut“.
An Gedenkfeiern für Dietrich Bonhoeffer, der am 4. Februar 100. Jahre alt geworden wäre, mangelte es nicht in diesen Wochen. Im Mittelpunkt des Interesses stand und steht dabei meist sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Mitglied der Bekennenden Kirche, seine Ermordung im KZ Flossenbürg. Weniger bekannt sind seine theologischen Schriften, denn, so meinte Regina Doffing, Pfarrerin der Dietrich-Bonhoeffer Kirche im Bezirk Junkersdorf der Evangelischen Kirchengemeinde Weiden, „die sind teilweise sehr abstrakt und schwer verständlich.“


Bonhoeffer und Maria von Wedermeyer
Doffing ging deshalb einen anderen Weg und las vor etwa 60 Zuhörern in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche aus den „Brautbriefen“ des Jubilars vor, die erst im Jahre 1992 veröffentlicht wurden. „Darin scheinen seine theologischen Ansichten ebenfalls durch, aber in einer verständlichen Fassung“, so Doffing. Mit menschlichen Problemen allerdings hat Bonhoeffer am Anfang seiner Beziehung zu Maria von Wedermeyer zu kämpfen. Denn deren Mutter steht der sich abzeichnenden Verbindung ihrer Tochter mit dem um 18 Jahre älteren Mann zunächst skeptisch gegenüber. Sie verordnet eine strikte Trennung, die ein Jahr dauern soll. Danach werde man weiter sehen. In seinen Briefen vom Januar 1943 äußert Bonhoeffer zwar Verständnis, doch man spürt, wie der frustrierte Liebhaber mit der Situation hadert – „unnatürlich“ nennt er sie einmal.

Heimliche Verlobung
Schlagartig ändert sich der Tonfall, als der Theologe im April 1943 verhaftet wird. Das Paar hatte sich inzwischen heimlich verlobt, und die Beziehung zu Maria Wedermeyer wird ihm, was nicht ungewöhnlich ist, zu einer wichtigen Stütze in dieser Zeit. Der Inhaftierte redet in seinen Briefen nun von der bevorstehenden Hochzeit, entwirft sogar eine Traupredigt. Er betont, dass ein solcher Bund „durch und durch weltlich“ sei, dass ihnen als Menschen „die Verantwortung für sein Gelingen, für ihr Glück“ auferlegt sei. Diese Möglichkeit allerdings sieht er als „Zeichen der Gnade und der Güte Gottes.“

„Das blaue Sofa stellen wir in dein Zimmer“
Die Ehe ist ihm aber auch geradezu ein Symbol für die Mitwirkung des Menschen in der Schöpfung, für seine unumschränkte Bejahung des Lebens: „Wer nur mit einem Bein auf der Erde steht, fürchte ich, der ist auch nur mit einem Bein im Himmel.“ Seine Verlobte versucht ihn derweil aufzuheitern mit Berichten vom Alltäglichen. Sie erzählt in ihren Briefen von den „Kartoffeln und Rüben, die bei dieser Hitze drauf gehen“, macht Vorschläge zur künftigen Einrichtung der gemeinsamen Wohnung: „Das blaue Sofa stellen wir in dein Zimmer, es eignet sich besser für theologische Gespräche.“

Zeit der Prüfung
Doch die Zuversicht weicht wachsender Verzagtheit. Nachdem er ein Jahr lang im Berliner Gefängnis Tegel verbracht hat, spricht Bonhoeffer immer öfter von einer „Zeit der Prüfung“, die Gott dem Paar auferlegt habe, von „Trotz und Zorn“ und hoffnungslosen Versuchen, die Vergangenheit zurück zu holen. Er „ringt nach Lebensatem“ und ­- das meint man zwischen allen Zeilen zu lesen ­- klammert sich an seine Beziehung zu Maria von Wedermeyer. Doch als seine Situation hoffnungslos geworden ist, weil die Gestapo belastende Papiere gefunden hat und an eine Freilassung nicht mehr zu denken ist, setzt er dem ein großes „Dennoch“ entgegen. So lässt er eine Fluchtmöglichkeit aus, um Mithäftlinge nicht zu gefährden und schreibt in seinem letzten Brief vom Oktober ’44: „Behaltet guten Mut und Zuversicht.“

Ergänzung zum herkömmlichen Bonhoeffer-Bild
Für Regina Doffing stellen diese Sprünge zwischen Hoffnung und bis zu Selbstmordgedanken reichende Verzweiflung ­- oder auch die ebenfalls zum Ausdruck kommenden, eher traditionellen Ansichten von der Frau, die in der Ehe ihre Erfüllung findet – eine spannende Ergänzung zum herkömmlichen Bonhoeffer-Bild dar: „Er wird ja häufig als Heiliger gesehen. Was wir aus diesen Briefen lernen können, ist, dass er vor allem ein Mensch war.“

Tipp
Unter der Adresse: http://www.dietrichbonhoeffer.de/ hat die EKD-Online-Redaktion ein Bonhoeffer-Spezial zusammengestellt.

Text: Hans-Willi Hermanns
Foto(s): Hans-Willi Hermanns