Die Angebote des Segensbüros „Hätzjeföhl“ richten sich an Menschen wie Käthe, die neu in der Stadt ist, ein wenig mutlos, und die sich ein Ritual wünscht, mit dem sie das alte Leben hinter sich lassen kann. Und an Finn und Olli, Anfang 30, die heiraten möchten. Am liebsten am Wasser. Für viele Pfarrpersonen ist der Aufwand zu groß. Das Segensbüro kümmert sich in diesen wie in vielen anderen Fällen um die Belange ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbindung stand im Fokus beim Sommergespräch des Kölner Stadtsuperintendenten Bernhard Seiger im Haus der Evangelischen Kirche. Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten trafen sich im Garten hinter dem Refektorium zum Austausch. Dass die Kirche Mitglieder verliere, sei seit Jahren zu beobachten, sagte Seiger. „Wir reagieren auf vielfältige Weise auf diese Entwicklung. Wir bemühen uns darum, eine mitglieder- und serviceorientierte Kirche zu sein.“
Niedrigschwelliger Ansatz
Der Stadtsuperintendent nannte zwei Beispiele: Das Segensbüro „Hätzjeföhl“, das vor einem Jahr die Arbeit aufgenommen hat, und das Projekt „Mitgliederbindung“, das man vor einem halben Jahr gestartet hat. Im Segensbüro werden individuelle Segensfeiern organisiert. Im vergangenen Sommer konnten sich Paare unabhängig von Kirchenzugehörigkeit rund um die Kölner Christuskirche in der Innenstadt segnen lassen. Auch das Tauffest im Kölner Rheinpark war ein großer Erfolg. Dr. Torsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, taufte wie zahlreiche Pfarrer und Pfarrerinnen bei herrlichem Wetter im Freien. „Wir sehen auf die Einzelne und den Einzelnen und bieten Segen nach Maß an. Wir nehmen wahr, wie vielfältig und bunt das Leben ist, und wollen Menschen darin begleiten.“ Gerade junge Menschen schätzten den frischen Auftritt und die individuelle Zuwendung für „Hätzjeföhl“, die spürbar sei. Das Büro arbeite mit einem niedrigschwelligen Ansatz und vermittle Ansprechpartner und -partnerinnen für Menschen, die mit kirchlichen Strukturen nicht vertraut sind.
Segnungen anlässlich von Umzügen, Jobwechsel, Coming out, Scheidung und Renteneintritt
Inga Waschke, Pfarrerin im Segensbüro, nannte Beispiele: „Wir vom Segensbüro erweitern das kirchliche Repertoire an Segenshandlungen. Bewährtes wie Taufe, Trauung und Beerdigung bleiben. Neues kommt hinzu: Segnungen anlässlich von Umzügen, Jobwechsel, Coming out, Scheidung und Renteneintritt.“ In Leben eines jeden Menschen gebe es Abbrüche und Veränderungen. Viele sehnten sich nach Ritualen, nach dem Gefühl und dem Glauben daran, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gebe, als das, was man sehe. „Sie sehnen sich nach dem Gefühl, dass Gott da ist, und zwar jetzt und hier: Das passiert, wenn wir segnen. Gottes Nähe und Liebe wird in diesem Moment spürbar. Ein Gefühl, das ins Herz geht und manchmal ein Leben lang trägt. Darum heißen wir Hätzjeföhl.“ In vielen Fällen vermittelt das Segensbüro einen Kontakt in die Ortsgemeinde.
Kirche unternimmt den ersten Schritt
Pfarrer Nico Buschmann, Pfarrer in der Kirchengemeinde Ehrenfeld und Mitglied des Arbeitskreises Mitglierbindung, berichtete über das Projekt Mitgliederbindung. Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region sendet Karten im Namen der entsprechenden Gemeinden an Menschen im Alter von siebzehneinhalb und 22 Jahren. „Darin geht es um Themen wie Umzug, Freizeitangebote, Sinn des Lebens oder Kirchensteuer“, sagte Buschmann. Auf der Karte finden sich ein Foto des Pfarrers oder der Pfarrerin sowie deren Unterschrift. Ein QR-Code führt zu Angeboten der Heimatgemeinde. „Was dann passiert, ist im Grunde ziemlich unspektakulär. Aber genau darum geht es: Ein Mensch kommt mit seinem Pfarrer oder seiner Pfarrerin ins Gespräch.“ So werde eine Beziehung möglich, bei der die Kirche den ersten Schritt unternimmt. „Die Karten verzichten bewusst auf fromme Floskeln oder einfache Antworten. Sie greifen Themen auf, die wirklich interessieren – in einer Sprache, die ernst nimmt und nicht belehrt“, erklärte Buschmann.
Das Projekt sei noch jung. Aber die Resonanz sei vielversprechend. „Wir können nicht länger erwarten, dass Menschen von sich aus auf uns zukommen. Wir müssen den ersten Schritt machen.“
Nähe entstehe nicht durch Institutionen. Nähe entstehe durch Menschen.
Foto(s): Stefan Rahmann