Vielfalt und Gerechtigkeit gehören seit Urzeiten zusammen

Die Lebenswelt der Bibel ist eine andere als unsere heutige. Wir leben in Gesellschaften, die viel stärker ausdifferenziert sind. Auch die Arbeitswelt hat sich im Lauf der vielen Jahrhunderte stark verändert. Die Menschen sind spezialisiert. Mit einer bestimmten Ausbildung ist es nicht einfach, etwas völlig anderes tun. Immer mehr Unternehmen entdecken jedoch, dass das, was eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter „ist“, nicht irgendwo auf einem Papier steht. Eher ist es tief in der Person verborgen – und in ihrer zukünftigen Entwicklung.

Darum nehmen Betriebe und Organisationen neue Begriffe in den Katalog ihrer Personal- und Organisationsentwicklung auf: Diversity & Inclusion, Vielfalt und Inklusion. Ob Weltanschauung, Beeinträchtigungen, Alter, geschlechtliche Identität – die Menschen auf dem Planeten Erde sind vielfältig.

Die Schöpfungsberichte in der Bibel kamen noch mit einer Zweiteilung aus. Eva und Adam. Mann und Frau. Verschieden von Gott erschaffen. Würde die Bibel heute geschrieben, hätte sie es nicht so einfach. Wer heute die Vielfalt – die „diversity“ – der Schöpfung preisen wollte, müsste den bewussten Umgang mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten reflektieren. Es geht um die Anerkennung, dass nicht jeder Mensch sich mit einem der beiden Begriffe Mann oder Frau identifizieren kann. Und darum, auch den Menschen respektvoll und aufmerksam zu begegnen, der sich eben nicht in „Mann“ oder „Frau“ wiederfindet.

Die Gleichstellungsarbeit geht noch darüber hinaus: Sie hat das Ziel, bewusst zu machen, wie stark die Vielfalt der Menschen unsere Gesellschaft bereichert. Wer diesen Gedanken konsequent zu Ende denkt, ist weit davon entfernt, andere zu diskriminieren. Vielfältige Ideen, Erfahrungen und Biografien des jeweils anderen werden damit zu einem wertvollen Potenzial.

Völlig neu ist diese Sichtweise allerdings nicht. „Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch sie stammen aus derselben göttlichen Geistkraft“, heißt es schon im Ersten Korintherbrief (1. Kor. 12,4). Vielfalt und Gerechtigkeit gehören seit Urzeiten zusammen, sind heute aber bereichert durch die weiter entwickelte Sicht in den modernen Gesellschaften.

Gerechtigkeit ist ein Kernthema der evangelischen Kirche. Dazu gehört auch die Geschlechtergerechtigkeit, die ein Teil der Vielfaltsgerechtigkeit ist. Die Evangelische Kirche im Rheinland setzt sich dafür ein, dass die Strukturen und Inhalte der kirchlichen Arbeit allen Menschen gleichermaßen gerecht werden. Unterstützt und beraten wird sie auf landeskirchlicher Ebene von der Gender- und Gleichstellungsstelle. Auch der Evangelische Kirchenverband Köln und Region hat mich zur Gleichstellungsbeauftragten berufen, zuständig für Fragen und Anliegen von 14 Ämtern und Einrichtungen.

 

Angelika Clüver

Gleichstellungsbeauftragte des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region