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Selbstbestimmung und Fürsorge: Neue Christliche Patientenvorsorge

Die neue Christliche Patientenvorsorge ist Ende Januar 2011 in Köln der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Handreichung und das Formular treten als kirchliches Angebot an die Stelle der bisherigen „Christlichen Patientenverfügung“ von 1999 und 2003. Aufgrund der veränderten Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland seit September 2009 war eine Neukonzeption nötig geworden. Das Dokument wurde gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) erarbeitet.

„Sinnvoll und ethisch verantwortlich“
Bei der Vorstellung betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, es sei „sinnvoll und ethisch verantwortlich“ Vorsorgeverfügungen zu treffen. Die Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit „in gesunden Tagen“ sei eine Chance, die man nutzen solle, sagte Zollitsch. Er stellte die besondere Erwartungshaltung vieler Menschen gegenüber den Kirchen heraus: „Viele Menschen erwarten zu Recht gerade bei den Fragen und Problemen am Lebensende Orientierung und Antworten von den Kirchen: Wir verfügen dank unseres caritativen Dienstes über ein breites Erfahrungswissen in diesem Bereich. Daher wissen sich viele Menschen, gerade auch wenn es um das Lebensende geht, bei der Kirche gut aufgehoben.“

Orientierung und Antworten von den Kirchen
Der Erzbischof wies auf den neuen Titel „Christliche Patientenvorsorge“ hin, der verdeutlicht, dass das Dokument gegenüber seinem Vorgängerdokument nicht nur die eigentliche Patientenverfügung enthalte. Drei weitere Möglichkeiten der selbstbestimmten Vorsorge seien angeboten, nämlich die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Äußerung von Behandlungswünschen. Zollitsch stellte die Dimension der Verantwortung heraus. Selbstbestimmung erfolge nicht „unabhängig von der eigenen Leiblichkeit und auch nicht unabhängig von der mitmenschlichen und sozialen Einbindung, in der man steht. Der Selbstbestimmung, und damit der Verantwortung für sich selbst, ist die Verantwortung zur Seite gestellt, die Dritte – auch der Staat – für einen Patienten tragen oder übernehmen können. Die Christliche Patientenvorsorge solle einen Weg aufzeigen, „wie Menschen an ihrem Lebensende ihren Vorstellungen Geltung verschaffen und zugleich eine nicht verantwortbare Lebensverkürzung vermieden wird“. Es brauche aber auch Menschen, die andere „gerade am Lebensende fürsorglich begleiten und so einen wichtigen Beitrag zu einem menschenwürdigen Sterben leisten“, so Zollitsch.

Wer soll an meiner Stelle entscheiden, wenn ich es nicht mehr selbst kann?“
ei seiner Einführung in das Formular der neuen Patientenvorsorge wies der stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Jochen Bohl, darauf hin, dass das neue Patientenverfügungsgesetz einen „sehr weiten Rahmen“ vorgebe, innerhalb dessen man Vorsorgeregelungen treffen könne. Auf jeden Fall gelte aber, dass die Vorsorgeregelung „im Ernstfall“ nur beachtet werden könne, wenn sich anstelle des oder der Betroffenen jemand für ihn oder sie einsetze. Deswegen laute die „erste und wichtigste Frage“ in Sachen Patientenvorsorge: „Wer soll an meiner Stelle entscheiden, wenn ich es nicht mehr selbst kann?“

„Wie soll sich die ärztliche Behandlung im Ernstfall gestalten?“
Weiter wies Landesbischof Bohl auf einen zweiten wichtigen Aspekt des neuen Formulars hin, nämlich auf die Möglichkeit, entweder selbst vorher festzulegen, wie sich die ärztliche Behandlung im Ernstfall gestalten solle, oder aber dies der Vertrauensperson anheimzustellen. Die „Bestimmungen für meine künftige medizinische Behandlung“ trügen dem neuen Gesetz Rechnung, das verlange, dass ärztliche Maßnahmen und Situationen so genau beschrieben werden, dass sich daraus ein „vorweggenommenes Ja oder Nein“ zu einer bestimmten ärztlichen Maßnahme entnehmen lasse. Aus diesem Grunde, so Bohl, seien im neuen Formular die Bestimmungen über die ärztliche Behandlung wesentlich genauer gefasst als in der alten Patientenverfügung. Abschließend sagte der Landesbischof, dass sich das neue Formular gegenüber dem alten dadurch auszeichne, dass es „zum einen die Vertrauensperson und damit die Vorsorgevollmacht deutlich in den Vordergrund“ stelle und „zum anderen die Bestimmungen über die ärztliche Behandlung wesentlich genauer“ fasse.

Bei der Patientenverfügung gibt es keine Kontroversen zwischen christlichen Kirchen
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), der braunschweigische Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber, gab in seinen Ausführungen seiner Freude darüber Ausdruck, dass auch „bei dieser wichtigen Thematik“ die Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen so gut funktioniert habe. Es sei den Kirchen mit der Christlichen Patientenvorsorge erneut gelungen, den christlichen Glauben und die von ihm ausgehenden ethischen Orientierungen „gemeinsam zu formulieren“. Dies sei angesichts mancher kontroverser Themen zwischen den Kirchen ein wichtiges Signal, denn es zeige, so Weber weiter, dass die Kirchen einander brauchen, weil sie sich gegenseitig „ergänzen, korrigieren und bereichern“.

Auch ein wichtiger Aspekt: Der Dialog zwischen Ärzten, Pflegepersonal, Krankenhausseelsorge, Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen
Obwohl das Gesetz weder eine rechtliche noch eine ärztliche Beratung vorschreibe, empfahl Weber diese sehr, denn Patientenverfügungen und Behandlungswünsche könnten nur umgesetzt werden, wenn sie so „konkret“ verfasst seien, dass sie auf die später „möglicherweise eintretende Situation“ zutreffen. Eine fachkundige ärztliche Beratung könne hier helfen, „Klarheit“ zu schaffen und so „Widersprüche zwischen einzelnen Festlegungen“ zu vermeiden, so Weber weiter.
Abschließend betonte der ACK-Vorsitzende, dass die Christliche Patientenvorsorge dazu beitragen wolle, „den Dialog zwischen der Ärzteschaft, dem Pflegepersonal, der Krankenhausseelsorge, den Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen über die verschiedenen Möglichkeiten der Patientenvorsorge zu intensivieren“. Außerdem wollten die Kirchen die Menschen ermutigen, sich „mit dem Sterben und den eigenen Wünschen im Umgang mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung auseinanderzusetzen und mit vertrauten Menschen darüber ins Gespräch zu kommen“.

Bezugsquellen
Die Christliche Patientenvorsorge ist abrufbar unter http://www.ekd.de/patientenvorsorge
Sie kann aber auch zum Preis von 0,27 € zzgl. Porto und Versandkosten beim Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30149 Hannover, Fax: 0511/2796-457, Mail: versand@ekd.de zu bestellt werden.

Text: EKD
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