Die Idee eines Multifunktionsraumes hatte die Evangelische Gemeinde Riehl schon 1990. Die Kreuzkapelle an der Stammheimer Straße 22 war als reines Gotteshaus nicht mehr ausgelastet, und so wurde sie funktional umgestaltet für verschiedene Gruppen der Gemeinde. Nur „multi“ war es zunächst nicht. „Außer dem Seniorenkreis hat niemand die Kreuzkapelle genutzt“, erzählt Bärbel Probst. Sie gehörte zu den Initiatoren des „Café Kreuzkapelle“, der Begegnungsstätte, die jetzt ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Bevor es losging, schaute sich Bärbel Probst einige Gemeindecafés an, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie es sein müsste. „Die Idee ging mir schon länger im Kopf herum.“ Und die hat sie dann gemeinsam mit anderen Ehrenamtlern in die Tat umgesetzt.
Begegnung der Generationen
Zweimal in der Woche, dienstags und donnerstags, öffnen ehrenamtliche Helfer das Café in der Kapelle. Es wird Kaffee und Kuchen serviert. „Für kleines Geld, aber wir wollen auch nicht unter ein gewisses Niveau sinken“, betont Frank Schröer, früherer Leiter des Gemeindeamtes und jetzt einer der 13 Ehrenamtler, die das Café am Laufen halten. Zunächst kamen hauptsächlich ältere Menschen, um sich hier zu treffen und gemeinsam zu plaudern. Nach und nach entdeckten aber auch Eltern mit kleinen Kindern die Begegnungsstätte. Das ist nicht zuletzt auf die große Spieleecke mit einem riesigen Arsenal an Spielzeug zurückzuführen. Ein kleiner Grundstock wurde mit der Zeit durch Spenden stetig erweitert. „Hier kommt es mittlerweile zu einer echten Begegnung der Generationen“, freute sich Schröer
Mit den Einnahmen werden andere Gemeindegruppen unterstützt
Neben dem Café als Begegnungsstätte haben sich im Laufe der Jahre noch andere Veranstaltungsformen in den Räumen etabliert. Kleine Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen oder Flohmärkte haben mittlerweile ebenfalls ihren Platz in der Kreuzkapelle. „Viele Menschen haben aufgrund von Familie und Beruf heutzutage nicht mehr die Möglichkeit, sich regelmäßig am Gemeindeleben zu beteiligen. Daher ist es wichtig, viele offene Angebote zu schaffen, in denen sich der Einzelne wiederfinden kann“, erläutert Schröer die Idee eines zeitgemäßen Gemeindelebens, die sich inter dem „Café Kreuzkapelle“ verbirgt. Und die Begegnungsstätte ist ganz nebenbei auch zu einem nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Faktor für die Gemeinde geworden. „Der Überschuss liegt bei 1000 bis 1500 Euro pro Jahr. Davon werden andere Gruppen in der Gemeinde unterstützt“, erzählt Schröer.
Angebot hat sich im Veedel etabliert
Natürlich steht und fällt die Begegnungsstätte mit dem ehrenamtlichen Engagement. Die Bereitschaft dazu fiel in den vergangenen Jahren mal stärker, mal schwächer aus, und einige Male ist das Café nur knapp an der Schließung vorbeigeschrammt. Auch jetzt werden wieder helfende Hände gesucht, die die Arbeit des bestehenden Teams unterstützen. „Aber die Einrichtung hat sich im Stadtteil etabliert“, sagt Frank Schröer nicht ohne einen gewissen Stolz. Es gibt zwar einen jahreszeitlichen Rhythmus -im Sommer schauen traditionell weniger Besucher vorbei als im Winter – doch das Angebot hat sich in Riehl herumgesprochen. Ohne große Werbung, hauptsächlich über Mundpropaganda.
Gotteshaus-Symbolik blieb beim Umbau erhalten
Die Symbolik des früheren Gotteshauses wurde bei dem Umbau bewusst erhalten. Fotos im Foyer zeigen noch die schlichte Ausstattung der früheren Kreuzkapelle. 1911 wurde sie gebaut, und wie bei den meisten protestantischen Gotteshäusern dieser Zeit wurde ihre Funktion nicht besonders betont. Eingebettet in das Straßenbild fällt die Kreuzkapelle auch heute nicht auf. „Das große Kreuz vor der Tür gab es bei der Einweihung nicht“, berichtet Schröer. Allerdings gab es schon damals den großen Lichtschacht in der Decke, der den Raum mit Tageslicht durchflutet. Die Orgel und einige der alten Kirchenbänke wurden beim Umbau in den ansonsten sehr offen gestalteten Raum integriert. Helle Farben und locker platzierte Tische und Stühle sorgen für eine einladende Atmosphäre. Und der Altar auf der kleinen Empore an der Stirnwand deutet an, dass hier auch noch Gottesdienste stattfinden.
Jüdisch-liberale Gemeinde ist auch in der Kreuzkapelle zu Hause
Jedes Jahr an Gründonnerstag etwa trifft sich die Gemeinde in der Kreuzkapelle zum Gottesdienst. Mit dieser Tradition erinnert die Gemeinde auch an die Rolle, die die Kreuzkapelle in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt hat. Rund 3500 jüdische Menschen ließen sich hier taufen, um der Verfolgung und Deportation zu entgehen. Den meisten nützte es nichts: Fast alle dieser Menschen wurden in den Vernichtungslagern der Nazis umgebracht. In diese Tradition der jüdisch-christlichen Kooperation fügt sich aber die seit 2000 praktizierte Zusammenarbeit mit der jüdisch-liberalen Gemeinde ein. Die hat im Keller der Kreuzkapelle ihr Domizil gefunden, feiert dort regelmäßig Gottesdienste, hält Lesungen ab oder veranstaltet Gemeindetreffen. „Es gibt auch gemeinsame Treffen, und hin wieder schauen die jüdischen Gemeindemitglieder im Café vorbei“, berichtet Schröer von einem guten Miteinander der Religionen in der Kreuzkapelle.
Foto(s): Fleischer