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Schweigegang und ökumenisches Friedensgebet für Verfolgte im Irak und in allen Krisengebieten

Mehrere hundert Menschen beteiligten sich am Kölner Schweigegang, der von der Antoniterkirche über die Schildergasse, Gürzenichstraße, Heumarkt und Altstadt zum Westportal des Domes.

Einladung zum Mitgehen und Mitbeten
Die erste Reihe, die unter anderem auch mit kirchlichen und, in Person der Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, städtischen Würdenträgern besetzt war, trug ein breites Transparent voran. Dessen Beschriftung informierte Passanten über Thema und Ansinnen der Veranstaltung. Zugleich luden die Schriftzüge zum Mitgehen und -beten aus. „Solidarität mit den verfolgten Menschen im Irak und in allen Krisengebieten. Ökumenischer Schweigegang und Friedensgebet im Kölner Dom, 16. August 2014, 12 Uhr“, hieß es auf der rechten Hälfte. Links war ein Zitat von Papst Franziskus zu lesen: „Der Gott des Friedens erwecke in allen ein echtes Verlangen nach Dialog und Versöhnung.“ So hatte sich das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche bei einem Angelus-Gebet im Juli geäußert.

Äußeres Zeichen der Solidarität
An diesem Samstag wurde das obligatorische Mittagsgebet im Hohen Dom zu Köln ökumenisch abgehalten. Der Grund: Das Erzbistum Köln, das Katholische Stadtdekanat, der Evangelische Kirchenverband Köln und Region sowie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Köln hatten zu einem Schweigegang durch die City eingeladen, der in ein Friedensgebet in der Kathedrale mündete. Damit wollte man gemeinsam ein äußeres Zeichen der Solidarität mit den aktuell im Irak und anderswo bedrängten, verfolgten Christen setzen, ein öffentliches Zeichen der Verbundenheit mit allen Opfern von Terror, Krieg und Gewalt weltweit.

Mehr als 70 Prozent der Verfolgten sind Christen
Vor dem Start des Schweigegangs an der evangelischen Antoniterkirche betonte Rolf Domning, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region: „Wenn wir an diesem Samstag schweigen, signalisieren wir, dass wir gemeinsam vor Gott stehen und ihm unsere Not klagen." In der Antoniterkirche wies er auf die aktuelle, gemeinsame Erklärung der Leitenden Geistlichen der Evangelischen Kirchen im Rheinland, in Westfalen und in Lippe zur Verfolgung von Christen und anderen Menschen hin. Festgestellt wird, dass noch nie Christinnen und Christen wegen ihres Glaubens so zahlreich unterdrückt würden wie heute. „Nach Schätzungen internationaler Menschenrechtsorganisationen sind mehr als 70 Prozent der weltweit wegen ihrer Religion Verfolgten Christen. In Solidarität wissen wir uns mit ihnen verbunden und beten für sie.“ Diese Verbrechen dürften nicht verschwiegen werden, heißt es weiter.

Immer wieder für Religionsfreiheit eintreten
Deshalb, zitierte Domning, appellierten die Unterzeichnenden „an die politisch Verantwortlichen in unserem Land, immer wieder darauf hinzuweisen und für Religionsfreiheit einzutreten“. Zugleich erhofften sich die Vertreter der drei Landeskirchen diese Solidarität „auch in umgekehrter Weise. Gemeinsam mit Juden, Muslimen, Buddhisten, Hindus und anderen wollen wir die friedensstiftenden Kräfte in allen Religionen stärken. Wer im Namen Gottes Gewalt verübt oder zu Gewalt aufruft, missbraucht die Religion und beleidigt Gott.“

Stadtsuperintendent Rolf Domning während des Friedensgebets im Hohen Dom zu Köln


Hilfe für die, die auf der Flucht sind
„Wir fühlen uns machtlos gegenüber den Bildern und Nachrichten, die aus dem Norden Iraks zu uns kommen“, sagte Stadtdechant Robert Kleine in seiner Begrüßung im Dom, dessen Bankplätze bereits vor dem Eintreffen der imposanten Gruppe zahlreich besetzt waren. „Menschen werden allein wegen ihres Glaubens hingerichtet und vertrieben, bedrängt, gebrandmarkt. Zehntausende Christen sind in einem Land auf der Flucht, in dem sie zum Teil seit über 1.800 Jahren zu Hause sind.“ Wir fühlten „uns ohnmächtig angesichts von jungen Menschen, die sich auch hier bei uns radikalisieren lassen und sich als Kämpfer nach Syrien und Irak aufmachen, um mitzuwirken in diesem grausamen Feldzug der Gewalt“. Kleine sprach von Unsicherheit gegenüber der Frage, „was jetzt von uns zu tun ist, von der großen Politik, von uns persönlich“. Man dürfe den christlichen Schwestern und Brüdern im Irak und in vielen anderen Ländern, nicht Gebet und Solidarität schuldig bleiben. „Auch nicht unsere Hilfe für die, die jetzt auf der Flucht sind, und für die, die als Flüchtlinge zu uns kommen.“

Das Leid der Verfolgten beklagt
Stadtsuperintendent Rolf Domning trug Worte des Psalms 22 („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne (…) Meine Stärke, eile, mir zu helfen!“) vor. Das seien „Worte, die nach unserer Überlieferung, der Gekreuzigte gesprochen hat“, so Domning. Es seien „Worte, mit denen wir das Leid der Gekreuzigten unserer Tage verbinden, in die wir deren Leid eintragen“. Überhaupt das Leid all derer, die aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit aus Fanatismus verfolgt und getötet würden.

Friedensglocke aus Chorweiler vorgestellt
Zuvor hatte Ralf Neukirchen, Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Seliger Papst Johannes XXIII. im Norden Kölns, über die Entstehung und Bedeutung der im Altarraum positionierten Chorweiler Friedensglocke gesprochen. Dieser 74 Kilogramm schwere Klangkörper, montiert auf einen mobilen Glockenstuhl, sollte im Verlauf des Friedensgebetes immer wieder hell ertönen. Und damit den Wunsch und Willen der Besuchenden, unter ihnen die Superintendenten Dr. Bernhard Seiger und Markus Zimmermann sowie die Superintendentin Andrea Vogel, bekräftigen.

Heimaterde aus 52 Nationen zusammengetragen
Neukirchen erläuterte, dass sich vor wenigen Wochen in dem multikulturellen und -religiösen Stadtteil Chorweiler viele hundert Menschen die Hände schmutzig gemacht hätten für den Frieden. „Über hundert Nationen leben in unserer Pfarrgemeinde und unserem Stadtteil Chorweiler Tür an Tür und Herz an Herz.“ Es sei nicht alles gut dort, aber trotz himmelweiter religiöser und kultureller Unterschiede, trotz vieler Sorgen und Nöte lebten die Menschen friedlich beieinander. Zahlreiche von ihnen hatten im April auf dem Pariser Platz über hundert Heimaterden aus 52 Nationen zusammengetragen, um der Gussform der Glocke, die tags darauf im Verlauf eines Friedensfestes vor aller Augen gegossen wurde, den notwendigen Halt zu geben – „als starkes Zeichen für die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit“, so Neukirchen.

Bischöfe im Irak sprechen von Schock und Schmerz
Monsignore Markus Bosbach verlas einen Aufruf an die Welt, den wenige Tage zuvor die christlichen Bischöfe der verschiedenen Konfessionen im Irak bei einem Treffen in der kurdischen Stadt Erbil verfasst hatten. Darin sprechen sie vom Schock und Schmerz und zeigen Besorgnis über das, „was den unschuldigen Christen in Mosul aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit zugestoßen ist“. Es sei schlichtweg ein Verbrechen, eine offensichtliche Verfolgung, die man verurteile und anprangere. „Wie sonst ist die Vertreibung unschuldiger Zivilisten aus ihren Häusern unter Todesandrohung, die Beschlagnahmung ihres Geldes und die Verbrennung ihrer Kirchen und Klöster, von denen einige aus prä-islamischen Zeiten stammen, zu verstehen?“, fragen sie. „Ist dies nicht eine Katastrophe für die Menschheit und das geschichtliche Erbe?“

Fürbitte auch für „ungerechte Gewalttäter“
In dem rund vierzigminütigen, dichten Friedensgebet trugen schließlich Menschen verschiedener Konfessionen Fürbitten vor, die nicht nur auf das Wohlergehen der im Nordirak und in anderen Gebieten weltweit verfolgten Christen zielen, sondern auf das aller Menschen, „die wegen ihrer Religion oder Weltanschauung, wegen ihrer Hautfarbe oder aus sonst einem Grund bedroht und benachteiligt werden“. Eingeschlossen in die Gebetsanliegen wurden „die ungerechten Gewalttäter und alle, die meinen, im Namen Gottes Krieg und Gewalt verbreiten zu können“. Eingeschlossen in das Gebet wurden auch Politiker weltweit und überhaupt alle, „die nach Wegen aus den Krisen und nach Frieden suchen“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich