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Schöne neue (Medien-)Welt oder: Warum hat der Tag nur 24 Stunden? fragten sich DEKT-Diskussionsteilnehmer und der Kölner Verleger Helmut Heinen

Medien und das Verbreiten von Informationen haben die Gesellschaft über Jahrhunderte begleitet und beeinflusst. Gutenbergs Erfindung revolutionierte den Buchdruck und hat damit nicht unwesentlich zur Reformation beigetragen, Suchmaschinen wie Google und das Internet ganz allgemein sorgen heute dafür, dass wir in einem „Informationsparadies“ leben. „Von Gutenberg bis Google“ hieß daher auch die Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, im Rahmen des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages, die sich mit dem Wandel der Medien und der Märkte beschäftigte. Dieser Wandel, so Moderatorin Helga Kirchner, sorgt nämlich für „massive Ängste auf der einen und euphorische Erwartungen auf der anderen Seite“.

Glaubwürdigkeit und Professionalität
Wie verhalten sich die traditionellen Medien unter dem Einfluss der Digitalisierung und des Internets? Helmut Heinen, Herausgeber der „Kölnischen Rundschau“ und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZ), setzt auf Glaubwürdigkeit und Professionalität. Durch technische Innovation sei die Herstellung und Verbreitung von Medienprodukten heute für nahezu jedermann möglich. „Es besteht kein Mangel an Informationen.“ Die Frage sei aber, wie glaubwürdig die vermittelten Inhalte sind. „Fundierte journalistische Arbeit schafft da die Orientierung in einem unübersichtlichen Meer an Informationen.“ Gerade die Tageszeitung, die anachronistisch anmute, biete da eine Lotsenfunktion. „Sie ist ein ganzheitliches Medium.“ Guter Journalismus kostet allerdings Geld, und bei dem steigenden Angebot an kostenlosen Medienangeboten seien die Nutzer immer weniger bereit, für Qualität zu zahlen. Dem veränderten Nutzungsverhalten müssen sich aber auch die etablierten Medien anpassen. Den Gedanken, dass das Internet den Weg zu einer „redaktionellen Gesellschaft“ bereitet, empfindet Heinen aber als „naiv“. „Laien- oder Leserreporter sind eher ein Zeichen für kollektives Paparazzitum.“

Zukunft der Zeitung ist multimedial
Ein traditionelles Medium im neuen Gewand? Diese Vision stellte Franz Sommerfeld, Chefredakteur des „Kölner Stadtanzeigers“ vor. Die Tageszeitung auf elektronischem Papier könnte eine Verschmelzung mehrerer Medien sein, aus Texten, Fotos und kleinen Filmen bestehen, auf die individuellen Interessen des einzelnen Lesers zugeschnitten und überall verfügbar sein. „Allerdings können Sie darin keinen Fisch einwickeln.“ Das sei aber schon der einzige Nachteil. „Nach der Digitalisierung beim Druck und der Fototechnik ist die Digitalisierung des Papiers der vorerst letzte Schritt.“ Technisch schon bald machbar, doch eins bleibt unverzichtbar: „Die Zukunft der Zeitung liegt auch in der Qualität.“

Radio wird zum Huckepackmedium, aber immer dabei sein
Eine Zukunft hat auch das Radio, davon ist Wolfgang Schmitz, Hörfunkdirektor des WDR, überzeugt. „Es ist eine unerschöpfliche Quelle für die Bilder und Filme unserer Fantasie.“ Auch beim Radiomachen gelte, dass der technische Fortschritt die Herstellung vereinfacht habe. „Auch bei der Technik der Wiedergabe hat sich viel getan: Es gibt wohl kein Gerät mehr, dass nur Radio kann, aber sehr viele, die neben anderen Dingen auch Radio können. Das Radio wird dadurch zum Huckepackmedium, es wird aber immer dabei sein.“ Beim Radio der Zukunft setzt Schmitz gleichermaßen auf journalistische Qualität und auf den „user generated content“, also Beiträge der Nutzer.

Fernsehen bleibt ein Geschäft der Großen
Dass Fernsehen und Internet noch am ehesten zusammenwachsen, das glaubt ZDF-Intendant Markus Schächter. „Auf einem Schirm kann ich mir vom Sofa aus die Inhalte holen, die ich möchte – Fernsehproduktionen und Angebote aus dem Internet.“ Um die Zukunft dieses vergleichsweise jungen Mediums macht er sich daher keine Sorgen. Allerdings: „Das Fernsehen wird für private Betreiber immer mehr auch zum Geschäftsmodell, bei dem es nur auf die Rendite ankommt. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter, die auf journalistisch fundierte, umfassende Berichterstattung setzen, müssen sich da stärker positionieren. Trotz der weiterhin wachsenden Zahl von Sendern und Spartenprogrammen ist Schächter überzeugt, dass Fernsehen auch in Zukunft ein Geschäft der Großen bleiben wird.

Das Internet sind wir
Die Nutzer bestimmen die Inhalte, diese These vertritt Jochen Wegner, Chefredakteur von „Focus online“. Mit Blogs und Tags sei das Internet ein „Medium, das sich selbst organisiert“ und mittlerweile, hauptsächlich in Frankreich und den USA, auch einen nicht zu unterschätzenden politischen Einfluss habe. Die Grenzen zwischen Produzent und Konsument werden fließend, durch die Möglichkeit der zeitnahen Kommentierung von Beiträgen komme es zu einer regen Kommunikation, die die anderen Medien nicht bieten. „Das Internet sind wir“, ist das World Wide Web für Wegner vor allem ein demokratisches Medium.

Medienkompetenz wird immer wichtiger
Die Zukunft, medial betrachtet, sieht also rosig aus. In einem waren sich dann aber alle Experten trotz ihrer unterschiedlichen Sichtweise einig: Im Zeitalter der Informationen wird Medienkompetenz immer wichtiger. Und Zeitmanagement. „Der Tag hat schließlich nur 24 Stunden, da muss man sich schon genau überlegen, wie man die Vielfalt der Medien sinnvoll nutzen kann“, so Wolfgang Schmitz. Medienkompetenz setzte Helmut Heinen auch mit Lesekompetenz gleich und zitierte Elisabeth Noelle-Neumann: „Nur eine Gesellschaft, die liest, ist eine Gesellschaft, die denkt.“

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer