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Schlagerstar Claudia Jung begeisterte in der Gnadenkirche

Sie kam, sie sang und sie begeisterte sofort das Publikum: Schlagerstar Claudia Jung eröffnete mit dem Hit „Je t’aime“ ihr Konzert und schon das nächste Lied wurde von den Zuhörern rhythmisch mitgeklatscht. Das verwundert deshalb, weil die Sängerin nicht auf irgendeiner Eventbühne auftrat, sondern in einem Gotteshaus.

Die Gnadenkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach hatte sich für einen Sonntagnachmittag in einen Schlagersaal verwandelt: Der Altar war zur Seite unters Kreuz gerückt worden, am Portal stand ein Mischpult und bunte Lichteffekte gaben dem vertrauten Kirchenschiff einen farbigen Anstrich.

Aufnahmen mit dem Handy
„Ich traue es mich hier kaum zu sagen“, druckste Claudia Jung gespielt verschämt mit Blick auf den denkmalgeschützten Kirchenraum herum, um dann natürlich doch den Titel ihres aktuellen Albums zu verraten: „Seitensprung“. Doch nicht nur von ihm sang sie Stücke, sondern sie gab auch viele altbekannte Songs wie „Amore, Amore“ und „Alles, was ich brauche“ zum Besten, da sie weiß: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, der Neues nicht unbedingt schätze, sondern gern das höre, was er bereits kenne, um mitzusingen und mitzuklatschen. Das tat das Publikum in der vollbesetzten Gnadenkirche dann auch begeistert. Selbst alte Damen rissen die Hände nach oben oder drehten voller Elan Videos mit ihren Handys.

Erste Platte in Bergisch Gladbach
Es war Claudia Jungs erstes Konzert in Bergisch Gladbach, obwohl die Stadt in der Karriere der gebürtigen Ratingerin von Beginn an eine wichtige Rolle gespielt hat: Hier produzierte der Gerig-Musikverlag Claudia Jungs erste Platte! Und hier wurde die Sängerin im Studio von Starfotograf Manfred Esser für ihr erstes Plattencover fotografiert – mit den damals modischen Schulterpolstern. „Ich sah aus wie ein Preisboxer“, erzählte sie launig und nannte ihre damalige Frisur ein „Vogelnest auf dem Kopf“. Während die Mode sich wandelte, blieb der Kontakt zu Bergisch Gladbach bestehen. Bis heute macht Manfred Esser (vermutlich Deutschlands gefragtester Künstler-Fotograf) Shootings für Claudia Jung, etwa 90 Prozent ihrer Cover hat er fotografiert. 2008 übernahm er mit ihr gemeinsam die Patenschaft über das Mehrgenerationenhaus Bergisch Gladbach am Quirlsberg. „Ist dir bewusst, dass wir uns schon 30 Jahre kennen?“, fragte die Sängerin zwischen zwei Songs den Gladbacher Fotografen, der extra seinen Urlaub um einen Tag verschoben hatte, um das Konzert miterleben zu können. Er war im Übrigen auch derjenige, der den Kontakt zu Claudia Jung gesponnen hatte, als das Konzert geplant wurde.

Claudia Jung verzichtete auf Gage
Das Konzert hatte nämlich einen konkreten Anlass: Der Förderverein des Evangelischen Krankenhauses wollte sein 50-jähriges Bestehen feiern – und zwar mit einer Benefiz-Veranstaltung. Da Claudia Jung auf eine Gage verzichtete, konnte der gesamte Erlös des Konzerts dem wohltätigen Zweck zufließen, konkret: der Anschaffung einer Anlage zur optischen Kohärenztomographie. Nachdem zu Beginn der Veranstaltung Gnadenkirchen-Pfarrer Thomas Werner und Förderverein-Vorsitzende Cornelia Lübbe-Roggen die Zuhörer begrüßt und sich für das Zustandekommen des Konzert bedankt hatten, hatte Chefarzt Professor Dr. Hans-Peter Hermann erläutert, dass dieses teure Gerät dringend zur optischen Analyse von Herzkranzgefäßen benötigt werde. Das Gerät stelle „eine Innovation für uns in Bergisch Gladbach“ dar.

Sommerfest im idyllischen Kirchgarten geplant
Jung gestand, dass sie zur Konzert-Anfrage zwar sofort „klar machen wir“ gesagt habe, allerdings von besserem Wetter im August ausgegangen sei. Sie, die tags zuvor noch ein Klassentreffen gehabt hatte, wollte ursprünglich Open Air singen – und zwar im Beisein ihrer Eltern, da es just der 74. Geburtstag ihres Vaters war. Denn Pfarrer Thomas Werner und sein Team hatten rund um das Konzert ein Sommerfest im idyllischen Kirchgarten geplant. Bühne, Biertische und Stände wurden auch aufgebaut, doch dann begann es ohne Unterlass zu regnen. „Der Mensch denkt und Gott lenkt“, kommentierte sie Sängerin den unverhofften Ortswechsel vom Garten in die Kirche und merkte an: „Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.“

Zauberer trat im Gemeindesaal auf
Das taten alle, die Stimmung war bestens. Nur Tom Schäfer, der die große Bühne im Kirchgarten vergebens aufgebaut hatte, wandelte etwas traurig zwischen den Pavillons umher, unter denen vor und nach dem Konzert gegrillt und Kuchen gegessen wurde. Zwischendurch trat für die Kinder ein Zauberer im Gemeindesaal auf, und am Spendenstand konnte Geld gegen einen Regenschirm aus der Kunstinstallation 2014 „eingetauscht“ werden, was angesichts des Wetters einen durchaus praktischen Aspekt hatte!

Sommerfeeling in die Gnadenkirche
Regen hin oder her – mit Songs wie „Einfach mal gar nichts tun“ zauberte Claudia Jung sogar Sommerfeeling in die Gnadenkirche. Und als sie dann schließlich ein Medley ihrer Songs aus 30 Jahren Bühnenkarriere präsentierte, hielt es die Leute nicht mehr auf den Kirchenbänken, es wurde im Stehen geklatscht und geschunkelt. Die Zugabe, „Durch meine Finger rinnt die Zeit“, veranlasste die kluge Frau, die sich auch sozial und politisch engagiert, zu einem Appell: „Nehmt euch Zeit für die Dinge, die euch am Herzen liegen. Die Arbeit ist morgen auch noch da.“ Es sei wichtig, denen, die man liebt, es auch zu sagen und zu zeigen. Sonst könne es sein, „dass man eines Tages dasteht und die Chance nicht mehr hat.“

Leute sollen erfüllt nach Hause gehen
„Sie hat ganz tolle Lieder“, strahlte nach dem Konzert Inge Wollenhaupt, die aus Wuppertal angereist war. „Das hat sich auf jeden Fall gelohnt.“ Während sie direkt nach Hause fuhr, reihten sich Ulrike Schüler und ihre beiden Kinder noch in die lange Schlange derjenigen ein, für die Claudia Jung geduldig Autogramme schrieb oder sich fotografieren ließ. Die Schülers waren aus Kürten gekommen und Ulrike Schüler war voll des Lobes für Performance, Liedtexte und den Sound in der Kirche. Auch ihre 22-jährige Tochter Annalena meinte „Ich fand’s gut“ und setzte ehrlich hinzu: „Auch wenn ich nicht so ein Schlagerfan bin.“ Sehr angetan von Claudia Jung zeigte sich auch die Bergisch Gladbacherin Sylvia Zanders: „Ich fand sie glänzend, ein bisschen sexy. Sie hat eine gute Show gemacht.“ Auch Pfarrer Thomas Werner war mit dem Benefizkonzert und Sommerfest „sehr zufrieden“ – trotz des Regens. „Für mich als Hirte und Seelsorger der Gemeinde ist es wichtig, dass die Leute heute erfüllt nach Hause gehen – und den Eindruck habe ich.“

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser